Ein Landwirt versprüht mithilfe einer Ackerspritze Pflanzenschutz gegen Schädlinge auf seinem Acker.
Glyphosat sorgt weiter für Diskussionen (Symbolbild).
IMAGO/Martin Wagner

Brüssel – Die EU-Kommission will die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat um weitere zehn Jahre verlängern – mehrere europäische NGOs wollen diese Entscheidung nun vor dem EU-Gericht in Luxemburg anfechten. "Die Wiederzulassung von Glyphosat widerspricht dem Vorsorgeprinzip", erklärte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker von Global 2000, am Dienstag vor einer Medienrunde. Er sieht überzeugende Argumente für eine Klage, da der Schutz der Gesundheit über anderem stehen müsse.

Das Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN Europe, Global 2000 und weitere PAN-Europe-Mitgliedsorganisationen werden die Zulassung von Glyphosat daher anfechten. Sie verstoße gegen die EU-Pestizidverordnung, die dem Schutz der Gesundheit und der biologischen Vielfalt Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einräume. Da im EU-Berufungsausschuss vergangenen Donnerstag erneut keine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für die Zulassung erzielt wurde, liegt die Entscheidung nun bei der Kommission. Österreich hatte aufgrund eines Parlamentsbeschlusses gegen den Antrag gestimmt.

Global 2000: Wissenschaftliche Erkenntnisse "systematisch ignoriert"

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch, wie zuvor schon die Europäische Chemikalienbehörde ECHA.

Burtscher-Schaden sieht dies anders: Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse seien bei der Bewertung "systematisch ignoriert" worden. Laut Peter Clausing, Toxikologe bei PAN Germany, habe die ECHA eigene Richtlinien bei der Bewertung von Glyphosat als krebserregend nicht ausreichend beachtet. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse wie die Auswirkungen auf das menschliche Mikrobiom seien wiederum von der EFSA ignoriert worden.

"Hunderte wissenschaftliche Studien weisen auf die verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt hin. Glyphosat kann aquatische und terrestrische Arten schädigen, Ökosysteme und die biologische Vielfalt bedrohen, und seine Rückstände sowie sein Abbauprodukt AMPA verseuchen Wasserquellen in ganz Europa", sagte Angeliki Lysimachou, Leiterin der Abteilung Wissenschaft und Politik bei PAN Europe. Glyphosat sei darum "nicht einmal gut für die Zukunft der Landwirtschaft".

PAN Europe: Verfahren könnte zwei Jahre dauern

Nach dem Einbringen der Klage habe die EU-Kommission 22 Wochen Zeit, um zu antworten. Danach gehe der Ball zurück an die NGOs. Insgesamt könne das Verfahren bis zu zwei Jahre dauern, schätzt Martin Dermine von PAN Europe. Die Organisatoren betonen, dass für die Verlängerung Länder gestimmt haben, die zusammen nur 42 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachten. Alle seien dann überrascht worden von der Geschwindigkeit, mit der die Kommission die Wiederzulassung angekündigt habe, sagte Burtscher-Schaden.

Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernahm. Mit dem Zukauf holte sich Bayer auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft – eine Ansicht, der viele Umwelt-NGOs widersprechen. (APA, 21.11.2023)