Peter Gabriel hat ein neues Album veröffentlicht, es heißt
Peter Gabriel hat ein neues Album veröffentlicht, es heißt "i/o" - das steht für Input und Output.
Universal

Peter Gabriel ist ein interessanter Mann. Das liegt vielleicht daran, dass sein Vater Erfinder war, da bekam er die Neugierde vielleicht schon genetisch mit. Diese ist ihm erhalten geblieben, den britischen Musiker und Weltstar begleitet das Wort "innovativ" wie ein Schatten. Das verpflichtet trotz aller Inflation des Begriffs, und deshalb hat es für sein neues Album i/o ein Konzept gebraucht. Wobei es eher ein Formenspiel ist, das der 73-Jährige den Fans beschert. Das Werk gibt es in einer Bright-Side- und einer Dark-Side-Version. Die Unterschiede in den beiden Mixen derselben Songs zu entdecken ist ein Spiel für die Buchhalter und Puzzler in der Fangemeinde. Zudem hat er alle Songs bereits veröffentlicht, bevor sie als Album zusammengefasst wurden. Jeweils zu Vollmond, aber das klingt esoterischer, als es ist.

Gut 20 Jahre hat Gabriel kein Album mit eigenen Songs veröffentlicht. In dieser Zeit, sagt er in aktuellen Interviews, habe er versucht, ein normaler Mensch zu sein und ein dazu passendes Leben zu führen. Der Star blieb zu Hause. Aber natürlich stellt man das Musikerdasein nicht so einfach ab, zumal ein getriebener Mann wie Gabriel, der mit Genesis in den 1970ern zu Weltruhm kam, diese zugunsten einer Solokarriere verließ, die mit dem Album So (1986) und dem Welthit Sledgehammer Maßstäbe in der damals prosperierenden Musikvideo-Kultur setzte.

Im Laufe der Jahre entstand so ein eigener, unverkennbarer Peter-Gabriel-Sound. Eines dessen Merkmale ist es, zugleich episch-bombastisch und intim zu sein. Je nach Stimmung kann man beide Gefühlslagen aus seinen Songs beziehen, bei i/o ist das nicht anders.

Episch und intim

Gabriel versucht darauf erst gar nicht, neues Terrain zu erschließen, das Album ist vom ersten Moment an als ein Gabriel-Werk zu erkennen, vom zärtlichen Tonfall seines Gesangs bis zu den Synthie-Flächen, die den meist im Midtempo angesiedelten Songs den Rahmen bieten. Innerhalb dessen dekoriert er seine Lieder und vergisst dabei, ein wenig auf die Dynamik zu achten, weshalb i/o ein wenig unteraufregend bleibt und sich mit der zweiten Abmischung wiederholt, was in Summe einen ziemlichen Gleichklang auf ziemlicher Länge ergibt, der mehr einlullt als erbaut. Zumindest zu Beginn.

Peter Gabriel - i/o (Bright-Side Mix) (Official Music Video)
Peter Gabriel

Einen routinierten Prog-Rocker, der das Albumformat schätzt, muss man öfter hören, dann erschließt sich die Chronologie, und es eröffnen sich Details, die das Album entsprechend reichhaltig ausfallen lassen. Und bei entsprechender Lautstärke offenbart sich über Lieder wie The Court die Macht dieser Musik. Gebremst wird aber leider sofort, denn Gabriel geizt nicht gerade mit Balladen, die mit Streichern und Piano klischeehaft ins Saccharin abdriften.

Das ergibt am Ende einen Kreislauf, aus dem Gabriel nie ausbricht. Dem Werk fehlen zwei, drei Uptempo-Songs, die den Rest mitziehen würden –und so etwas wie ein Hit sowieso. i/o verheddert sich im Zustand ambitionierter Behäbigkeit. Das ist ein bisschen wenig für die Auflage, sich das dann gleich in zwei Versionen anzutun. (Karl Fluch, 5.12.2023)