Streik mit Transparenten vor Engel Austria in Oberösterreich
Die Industrie hat für die Arbeitsausstände in der Metallindustrie kein Verständnis und ruft zurück zum Verhandlungstisch.
APA/SIMON BRANDSTÄTTER

Wien – Für die Arbeitgeber in der Maschinen- und Metallwarenindustrie ist der Fall klar: "Die Arbeiter streiken de facto für die Höherverdiener." Denn zu den unteren Besoldungsgruppen A bis D gehörten fast 75 Prozent der Beschäftigten in den Betrieben des Fachverbands Metalltechnische Industrie (FMTI), führte Arbeitgeber-Chefverhandler, Evva-Chef Stefan Ehrlich-Adám, am Mittwoch aus. Sie alle würden von der von der Gewerkschaft geforderten durchschnittlich 10,6-prozentigen Steigerung profitieren, die Höherverdiener aber noch mehr.

Auch deshalb sei die Blockadepolitik der Gewerkschaft unverständlich, unverantwortlich und widerspreche dem Geist der Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaft habe erst am Montag die eingangs erwähnte Forderung gestellt, sagte FTMI-Obmann Christian Knill von der gleichnamigen Knill-Gruppe. Das sei immer noch unfinanzierbar. Die vorgeschlagene Spreizung ob des eingebauten Fixbetrags von 150 Euro bewirke, dass drei von vier Beschäftigten um 11,6 Prozent mehr Lohn bekämen. Knill: "Das ist grotesk."

Video: Metaller-KV: Arbeitgeber nehmen Stellung.
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"Fair und ausgewogen"

Das vom FMTI vorgelegte KV-Angebot bedeute im Schnitt 8,2 Prozent mehr Lohn und Gehalt und sei sozial gestaffelt, weil untere Beschäftigungsgruppen bis zu zwölf Prozent mehr Lohn bekämen. Das sei fair und ausgewogen – und würde gemessen an der aktuellen Inflationsrate von 5,4 Prozent auch einen Kaufkraftzuwachs bedeuten, rechneten die Arbeitgebervertreter vor. Was den Gewerkschaftern rund um Proge-Chef Reinhold Binder und GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher daran so gar nicht schmeckt, wurde hinlänglich kommuniziert: Die 8,2 Prozent ergeben sich nur unter Einrechnung der steuer- und abgabenbefreiten Einmalzahlung in Höhe von 1200 Euro. Das sei nicht nachhaltig, weil die maßgebliche zurückliegende Inflationsrate von 9,7 Prozent nicht in Prozenten abgegolten würde, wie dies seit Jahrzehnten üblich sei.

Damit legitimiert die Gewerkschaft die seit Dienstag auf jeweils 24 Stunden ausgeweiteten Streiks. Diese werden österreichweit in Unternehmen aller sechs Metallindustrie-Branchenverbände abgehalten, also auch in den Bereichen Bergbau/Stahl, Fahrzeugindustrie, Nicht-Eisen-Metalle, Gießerei und Gas/Wärme, in denen parallel zur Maschinen-/Metallwarenindustrie über höhere Löhne und Gehälter verhandelt wird. Insgesamt betreffen diese unter Metallerrunde zusammengefassten Verhandlungen rund 200.000 Beschäftigte in Österreich.

Der Unmut steigt

Unter Druck setzen lasse man sich von diesen anderen Branchen nicht, betonte Knill. Allerdings steigt der Unmut bei den Parallelverhandlern, sie sehen sich vom FMTI ausgebremst. Allerdings könnten sie letztlich von der harten Haltung der Maschinen- und Metallverarbeitungsindustrie profitieren. Von einer Abgeltung eines Teils der Lohnerhöhung in Form von Freizeit hält Ehrlich-Adám nicht viel: "Am Ende kostet zusätzliche Freizeit auch Geld, das sind Kosten, die zu bezahlen sind."

Genau dort spießt es sich. Denn die Industrie ist in der Rezession, die Auftragseingänge sind allein im ersten Halbjahr 2023 um fast 20 Prozent zurückgegangen, die Produktion um sechs Prozent. Ob die Talsohle der Rezession erreicht sei, könne man noch nicht erkennen, die Nachfrage habe sich nicht verbessert, man spüre noch nichts vom Aufschwung. Die Metallindustrie sei zu 80 Prozent vom Ausland abhängig, im Export verdiene man das Geld. Höhere Lohnkosten in Österreich senkten nicht nur die Margen, sondern vor allem die Wettbewerbsfähigkeit. Mit höheren Herstellungskosten könne man nicht reüssieren.

"Bestens verdient"

Die Gewerkschaft sagt, die Branche habe bestens verdient, bei den Dividendenzahlungen keine Zurückhaltung geübt, deshalb seien jetzt die Beschäftigten an der Reihe. Es gelte, Reallohnverluste zu verhindern. Die realen Löhne und Gehälter in der Branchen liegen im Schnitt zwölf bis 28 Prozent über dem Kollektivvertrag (Mindestlohn), halten die Arbeitgeber dagegen. Das monatliche Durchschnittsgehalt betrage 5100 Euro, das sind 71.400 Euro pro Jahr. Seit der Finanzkrise vor 13 Jahren seien die Reallöhne in der Branche (bereinigt um die Inflation) in der Metallverarbeitungsindustrie um zwölf Prozent gestiegen, rechnete Ehrlich-Adám vor. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage "müssen heuer alle einen geringen Wohlstandsverlust hinnehmen", sagte FMTI-Obmann Knill, der selbst nicht am Verhandlungstisch sitzt. Das Gros der FMTI-Betriebe gehöre auch nicht zu den Dividenden-Kaisern, der Vergleich hinke somit. "Wir werden unsere Position durch Streiks nicht ändern."

Zu den Streiks hat der Evva-Chef eine klare Haltung: "Wir treten den Streiks mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegen. Jede Form von unzulässiger Behinderung oder Blockade wird zur Anzeige gebracht." Klar sei auch, dass Streikende für die Dauer der Arbeitsniederlegung keinen Lohn erhalten. "Dafür sind die Gewerkschaften zuständig." Es werde auch kein Geld für die früheren Arbeitsniederlegungen geben. Das beschere Streikenden jedenfalls Lohneinbußen. Die nächste Verhandlungsrunde findet am Donnerstag, den 30. November statt.

Der wirtschaftsnahe "Senat der Wirtschaft" brachte erneut die staatlichen Energie- und Inflationshilfen ins Spiel. Zwar seien die Reallöhne in den vergangenen zwei Jahren leicht gesunken, diese Rückgänge seien durch Antiteuerungsmaßnahmen der Bundesregierung aber "mehr als aufgewogen" worden. Die Industriellenvereinigung (IV) forderte einmal mehr "Kompromissbereitschaft seitens der Arbeitnehmerseite" ein.

Aufruf zur Solidaritätskundgebung

Die Gewerkschaften PRO-GE und GPA legten am Mittwoch einen Zahn zu. In einer Aussendung rufen sie "angesichts der festgefahrenen Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie" zur Solidaritätskundgebung vor der Firma EVVA in Wien Meidling auf. Die Kundgebung soll am Freitag um 9 Uhr beginnen. EVVA-Geschäftsführer Ehrlich-Adam ist einer der Chef-Verhandler der Metalltechnischen Industrie. Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und AK-Präsidentin Renate Anderl wollen sich an der Solidaritätskundgebung beteiligen.

Die Gewerkschaften betonten am Mittwochnachmittag, weiter streikbereit zu sein. "Den Belegschaften ist bewusst, dass es um viel geht", so die Chefverhandler der Arbeitnehmerseite, Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA), in einer Aussendung. Bereits mehr als 100.000 Beschäftigte hätten sich an den bisherigen Aktionen beteiligt, bis zur nächsten Verhandlungsrunde "werden noch viele dazukommen", hieß es.

So finden am morgigen Donnerstag und am Freitag Kundgebungen in Salzburg und Wien statt. Rund 400 Bosch-Beschäftigte werden den Gewerkschaften zufolge am Donnerstag gegen 7.30 Uhr vom Werk in Hallein zur Veranstaltungshalle Zieglstadel marschieren und dort den Streik abhalten. (Luise Ungerboeck, APA, 22.11.2023)