Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) wirkt gelöst, als er Mittwochnachmittag zum Interview empfängt. Am Vorabend hat er sich nicht nur über den Abschluss der Gesundheitsreform, sondern auch über das 2:0 für Österreich gefreut – live im Fußballstadion.

Gesundheitsminister Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) Interview
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sieht in Sachen Digitalisierung in Österreich Aufholbedarf.
APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Es gibt jetzt im Gesundheitsbereich jährlich eine Milliarde an Geldern mehr, 300 Millionen davon für die Sozialversicherung. Wann werden Verbesserungen für Patientinnen und Patienten spürbar?

Rauch: Ich gehe davon aus, dass im ersten Jahr die Kassenstellen massiv ausgebaut werden und die Verhandlungen zum Gesamtvertrag im besten Fall im Laufe des nächsten Jahres abgeschlossen werden.

STANDARD: Bezüglich des Gesamtvertrags ist der Druck für die Ärztekammer nicht mehr so groß, weil die Honorare nicht eingefroren werden, wenn Ende 2025 keine Einigung steht. Sie müssen es nicht bis dahin zwingend schaffen ...

Rauch: Ich habe mich überzeugen lassen, dass es schwierig sein könnte, wenn wir die Honorare einfrieren und es den gegenteiligen Effekt erzielt. Die Ärztekammer hat das Signal verstanden, sich zurück auf den Verhandlungspfad zu begeben. Es war notwendig, den Konflikt mit der Kammer in dieser Schärfe zu führen. Sonst wäre es bei Vetomöglichkeiten und Blockaden geblieben.

STANDARD: Der Gesamtvertrag soll attraktivere Kassenhonorare bringen. Aber wird das reichen, um Stellen, die teils jahrelang leerstanden, und hunderte neue Kassenstellen zu besetzen?

Rauch: Viele Spitalsärzte, die sich überlegen, in die Praxis zu gehen, machen das nicht, weil sie dem Modell der Einzelpraxis skeptisch gegenüberstehen. Oder sie wollen Teilzeit im Spital arbeiten und einen Teilzeitkassenvertrag haben – das war bisher nicht möglich, wird es jetzt aber.

STANDARD: Sie eröffnen oft Wahlarztpraxen.

Rauch: Das war ein Stück weit erzwungen. Weil es keine attraktiven Alternative gab.

STANDARD: Wann wird "Digital vor ambulant vor stationär" Realität?

Rauch: Es kommt relativ rasch in die Gänge, weil es ja eine Doppelstrategie gibt: Staatssekretär Florian Tursky arbeitet an seiner Digitalisierungsagenda. Parallel ist die Elga GmbH dabei, die Elektronische Gesundheitsakte zu erweitern. Bei der Digitalisierung sind wir im Vergleich zu Finnland oder zu Israel hintennach. Wir haben eine gute Grundlage mit Elga, aber das muss auch für die Patienten Nutzen bringen. Ich will meine Gesundheitsdaten, Bilder, Befunde, Medikamentenverordnungen digital abrufbar auf dem Handy haben.

STANDARD: Machen die Patientinnen und Patienten da mit? Unterschätzen Sie in dem Fall nicht die Macht der Gewohnheit?

Rauch: Ich habe ein Primärversorgungszentrum in Vorarlberg besucht, die haben das Anmeldesystem digitalisiert, da kann man nur mehr im Ausnahmefall anrufen. 90 Prozent ihrer Patientinnen und Patienten benützen dieses intuitive System. Das funktioniert. Man unterschätzt die Leute da. Für die zehn Prozent, die es nicht können, gibt es weiter die analoge Welt, zum Beispiel die Hotline 1450.

STANDARD: Eine geäußerte Sorge von Ärztekammer und Ärzten ist, dass Konzerne in die Gesundheitsversorgung einsteigen könnten. Haben Sie dem etwas entgegenzusetzen?

Rauch: Die Spielregeln sind da vollkommen klar, welche Berufsgruppen vertreten sind, wer die Majorität haben muss, wie die Konstruktionen sind. Dieses Szenario wird nicht eintreten. (Gudrun Springer, 22.11.2023)