Yoichi Okamoto
Am Anfang seiner Karriere fotografierte Okamoto vor allem Trümmer, wie hier vor dem Wiener Stephansdom.
Yoichi Okamoto

Wenn sich das Wiener Riesenrad völlig ausgebrannt hinter einem kahlen Baumstumpf auftürmt, wird einem das Ausmaß der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg schmerzlich bewusst. Der japanischstämmige, aus den USA entsandte Militärfotograf Yoichi Okamoto hielt das Wien der Nachkriegszeit bildstark fest: Da sitzt ein Steinmetz zwischen traurigen Heiligenstatuen und bröselnden Pilastern, ein Heimkehrer wandelt durch einsame Straßen, "die Vier im Jeep" recken sich bei einer Zigarettenpause um ein Feuerzeug.

Yoichi Okamoto
"Die Vier im Jeep" bei einer Zigarettenpause.
Yoichi Okamoto

Die Ausstellung Bild Macht Politik im Prunksaal der Nationalbibliothek rollt das fotografische Werk des 1985 verstorbenen Okamoto wieder auf. Und dieses ist gewaltig: Nach knapp 20 Jahren in Österreich kehrte er in die USA zurück und begleitete dort Präsident Lyndon B. Johnson, dessen Amtszeit durch Okamoto zu der wohl am besten visuell dokumentierten Präsidentschaft bis dahin wurde. Auch danach kam Okamoto mehrmals nach Wien, hielt die Stadt der 1970er- und 1980er-Jahre überwiegend in schwarz-weißen Fotografien fest.

Kultur-Schlüsselfigur

Okamoto, dessen Aufgabe es nach 1945 eigentlich war, die Umsetzung des Marshallplans fotografisch zu dokumentieren, revolutionierte mit seiner Arbeit die hiesige Medienlandschaft. Im Laufe seines Wien-Aufenthalts wurde er zum Leiter der Fotoabteilung des US-Informationsdienstes in Österreich, stellte österreichische Fotografen ein und brachte ihnen die Dokumentationsfotografie im amerikanischen Stil bei.

Yoichi Okamoto brachte österreichischen Fotografen die amerikanische Dokumentationsfotografie bei.
Yoichi Okamoto

Beinah legendär wirken in Anbetracht dessen seine Bildstrecken im Wiener Kurier, in denen er konträre Klischees über Österreicher und Amerikaner festhielt. Und auch sonst agierte er als Schlüsselfigur der österreichisch-amerikanischen Kulturbeziehungen: Er organisierte Ausstellungen heimischer Künstler im Amerika-Haus, half, George Gershwins Musical Porgy and Bess nach Wien zu bringen, und pflegte Verbindungen zum Kosmos-Theater in Wien-Neubau, das den "American Way of Life" propagieren sollte.

Die Kamera blieb unbemerkt

Fritz Wotruba porträtierte er in dessen Atelier, Josef Hoffmann hinter von jenem entworfenen Weingläsern. Er begleitete den Choreografen Harald Kreutzberg bei Proben zum Jedermann und fotografierte wiederholt die Tänzerinnen und Tänzer des Staatsopernballetts. All seine Bilder haben eines gemeinsam: Es wirkt, als bliebe die Kamera bei ihren Protagonisten völlig unbemerkt. Okamoto trainierte die Personen vor seiner Linse geradezu darauf, ihn überhaupt nicht mehr wahrzunehmen.

Okamoto blieb mit seiner Kamera oft völlig unbemerkt, und wurde so zu dem ständigen stillen Begleiter von Lyndon B. Johnson.
Yoichi Okamoto

So entstanden sowohl ausdrucksstarke Zeugnisse historischer Ereignisse als auch Aufnahmen, die still durch zurückhaltende Privatheit glänzen. Eines seiner frühesten Österreich-Bilder dokumentiert übrigens einen zeitgeschichtlichen Moment, der, so Ausstellungskurator Hans Petschar, wohl in kaum einer Chronik zu finden ist: die erste jüdische Gedenkfeier nach dem Krieg 1945 im Großen Saal des Salzburger Mozarteums. (Caroline Schluge, 24.11.2023)