Das Schummelwesen ist Lehrern und Professoren ein Dorn im Auge. Ins Gerede kam diesbezüglich unter anderem ChatGPT, da sich gerade in den USA Meldungen darüber häuften, dass manche Lernenden ganze Hausübungen von dem Sprachmodell aus dem Hause OpenAI verfassen ließen.

Während derlei KI-Modelle natürlich Missbrauchspotenzial mit sich bringen, sind sie aber längst nicht für alle schulischen oder universitären Einsatzzwecke geeignet. Auf Wissensauskünfte ist zudem kein Verlass, und komplexe Fragestellungen können die KIs immer noch aus der Bahn werfen. Andere Plattformen sind ein Problem von potenziell größerem Ausmaß, zumal sie schon vor ChatGPT verfügbar waren.

Jenelle Conaway von der George Mason University hat eine der populäreren Angebote unter die Lupe genommen und in einer Studie erhoben, wie gerne sie während Prüfungen verwendet wird. Dabei handelt es sich um Chegg.com, eigentlich eine Lernplattform für akademisches Publikum. Auf dem kostenpflichtigen Portal gibt es nicht nur diverse Onlinekurse und Unterlagen, sondern auch die Option "Frag einen Experten", über die man sehr schnell Antworten auf Fragen oder konkrete Problemstellungen erhalten soll.

Bis zu 25 Prozent schlugen online nach

Weil Chegg trackt und auf Anfrage von Professoren preisgibt, wann genau einzelne Antworten aufgerufen wurden, ließ sich über einen Abgleich mit den Fragen aus vergangenen Prüfungen nachvollziehen, ob und wie oft diese während der Prüfungszeiten eingesehen wurden. Und die Quote ist beachtlich. Verbindliche Aussagen über alle Studierenden erlaubt die Untersuchung zwar nicht, sie liefert aber ein Indiz dafür, dass Antwortdatenbanken und Portale wie Chegg sehr beliebte Schummelhilfen sein dürften.

Ein Screenshot der Lernplattform Chegg.com. Ein Student hat eine Prüfungs- oder Hausübungsfrage fotografiert und hochgeladen.
Eine von einem Nutzer samt Fotos hochgeladene Fragestellung.
Screenshot/Chegg

Untersucht wurde ein späterer Abschnitt eines Rechnungswesenkurses im Jahr 2020, in dem aufgrund der Corona-Pandemie der universitäre Lernbetrieb weitestgehend auf Onlinetools verlagert wurde. Schon davor wurde aber gut ein Drittel aller Kurse im Hochschulbereich per E-Learning abgewickelt. Im Frühlingssemester griffen laut den Chegg-Daten knapp 13 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Abschlussprüfung auf korrespondierende Antworten zu. Im Sommersemester lag die Quote mit fast 25 Prozent beinahe doppelt so hoch. Jeder vierte Prüfling sah sich also bei laufendem Test zugehörige Lösungen an.

Dunkelziffer

Conway betont, dass durch E-Learning das Schummeln leichter geworden sei. Denn auch Software, die Studierende überwacht oder den Aufruf anderer Seiten als dem Prüfungsportal verhindern soll, lässt sich austricksen. Zudem sei vielen Professoren und Vortragenden wohl nicht bewusst, dass die Echtzeit-Fragefunktion auf Chegg überhaupt existiert.

Einige Studierende, die nicht mehr weiterwussten oder nicht gelernt hatten, schlugen während der Abschlussprüfungen bei Chegg nach.
via www.imago-images.de

Auch ist von einer signifikanten Dunkelziffer auszugehen, da Fragen nicht unbedingt eingegeben, sondern auch zur Beantwortung oder Suche auch als Foto hochgeladen werden können. Und selbst wenn zeitnah keine Antwort auf die genaue Frage auffindbar ist, lässt sich üblicherweise eine sehr ähnliche Fragestellung finden, um den Weg zur Lösung zu erleichtern.

Da eine Berücksichtigung solcher Szenarien hohen Aufwand bedeutet hätte, wurde darauf verzichtet. Conway empfiehlt, für jede Prüfung neue Fragen zu formulieren, damit Schummler zumindest nicht sofort die Antworten in der Chegg-Datenbank nachschlagen können. Die Studierenden warnt er vor Betrug – nicht nur wegen der möglichen akademischen Konsequenzen beim Erwischtwerden, sondern auch weil spätere Arbeitgeber ein gewisses Kompetenzniveau erwarten und gerade im Rechnungswesen hoher Wert auf Ethik und Integrität gelegt werde. (gpi, 27.11.2023)