Eine Demonstration der Gewerkschaft GPA vor dem Stephansdom.
Bei Protestmärschen durch die Wiener Innenstadt werden es die Handelsangestellten wohl nicht belassen. Wenn sich nichts bewegt, gibt es einen Arbeitskampf im Weihnachtsgeschäft.
APA/ROLAND SCHLAGER

Der achte Verhandlungstermin der Metallerlohnrunde rückt näher, und die Ratschläge zur Entschärfung des Lohnkonflikts werden mehr. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr etwa schlägt nicht explizit einen Zweijahresabschluss vor, plädiert aber für eine Streckung der Lohnerhöhung bis ins nächste Jahr hinein. Die Abgeltung der für die Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie und im Handel maßgeblichen Inflationsraten (9,7 Prozent) sei zur Vermeidung von Reallohnverlusten und als Konjunkturimpuls grundsätzlich notwendig.

Allerdings stehe die in hohem Maße für den Export produzierende Metallindustrie bei den Kosten im internationalen Wettbewerb und würde mit steigenden Lohnkosten langfristig an Konkurrenzfähigkeit einbüßen. Deshalb könnten die Sozialpartner in Erwägung ziehen, dass ein Teil der Inflationsabgeltung erst nächstes Jahr nachgeholt werde, schlug Felbermayr in der ORF-Pressestunde vor.

Paktfähigkeit?

Für eine solche Streckung wären "Sprünge über den eigenen Schatten notwendig – und Vertrauen in fixe Zusagen, also eine gewisse Paktfähigkeit. Letztere scheint aber "ein Stück weit abhandengekommen zu sein", merkte der Wifo-Chef an. Ziel sei dabei nicht, die Lohnsteigerung dauerhaft durch Einmalzahlungen zu ersetzen und somit Reallohnverluste zu produzieren, sondern einen Teil der Lohnsteigerungen angesichts der Rezession, in der die Industrie steckt, hinauszuschieben.

Die Gewerkschaft, die ihre Forderung nach einer 11,6-prozentigen Erhöhung auf 10,6 Prozent revidiert hat, hält von Zweijahresabschlüssen grundsätzlich nichts. Sie pocht auf Inflationsabgeltung und stellt mit Blick auf die Verhandlungen am Donnerstag die Ausweitung der laufenden Warnstreiks in Aussicht. Aus 24 Stunden Stillstand pro Betrieb könnten 48 Stunden werden – so sich weiterhin nichts bewege.

Mehrbelastungen glätten

Ein völlig anderer Vorschlag zur Auflösung der Pattsituation in den KV-Verhandlungen kommt aus der Grünen Wirtschaft im Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer. Die Ausnahmesituation aufgrund der hohen Inflation mache ein verstärktes Engagement der öffentlichen Hand notwendig, sagt die Vorsitzende, Sabine Jungwirth.

Sie schlägt eine zeitlich befristete Senkung der Lohnnebenkosten vor, konkret der Sozialversicherungsbeiträge (SV) der Dienstgeber. Mit einer temporären Absenkung der SV-Abgaben um zehn Prozent ließen sich die Mehrbelastungen durch höhere Löhne und Gehälter nach Vorbild des Beamten glätten, sagt Jungwirth zum STANDARD.

Bei einem Durchschnittsgehalt in Österreich von brutto 2703 Euro würde der Bruttolohn im Wege einer Erhöhung um 9,7 Prozent auf 2965 Euro steigen und die Dienstgeberbeiträge zur SV von 568 auf 623 Euro. Übernähme der Staat einen Teil dieser Mehrkosten, blieben die SV-Abgaben der Arbeitgeber mehr oder weniger gleich – und mit ihnen auch die Lohnkosten, rechnet die grüne Unternehmervertreterin vor.

Milliardenkosten

Die Kosten einer solchen befristeten staatlichen Kostendämpfungsmaßnahme wären freilich beträchtlich. Auf drei Milliarden Euro würde sich die Hilfe nach den groben Berechnungen der grünen Wirtschaft belaufen, die auf Durchschnittswerten gemäß Einkommensbericht des Rechnungshofs beruht. Zugutekommen sollte die Hilfe übrigens nicht nur der Industrie, sondern auch den Lohnverhandlern im Einzel- und Großhandel, die am Dienstag unter denkbar schlechten Bedingungen fortgesetzt werden.

Dort ist nicht nur die inflationsbedingt gedämpfte Konsumlaune ein zentrales Thema, sondern vor allem die Ertragslage, die bei Einzelhändlern teilweise jenseitig ist – Stichwort Händlersterben. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian appellierte vorsorglich an alle Arbeitgeber, die maßgebliche Inflation abzugelten, andernfalls könnte es Protestmaßnahmen von Handel, der Metallindustrie und den Sozialberufen kommen, zusammen beschäftigen sie rund 900.000 Arbeitnehmer.

Stufenweise Rückkehr

Apropos: Schwierig dürfte sich auch die Rückkehr zu den Sozialversicherungsbeiträgen auf das Niveau vor einer Staatshilfe gestalten, um Löcher bei den Sozialversicherungen zu stopfen. Die Rückkehr müsse stufenweise erfolgen, sagt die Grüne-Wirtschaft-Chefin. Sonst komme nach dem Inflationsschock der SV-Schock, und es wäre nichts gewonnen. "Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fordern zu Recht, dass Reallohnverluste im Rahmen der Lohnrunde ausgeglichen werden, die Arbeitgeber betonen nachvollziehbarerweise die Schwierigkeiten, in denen die österreichische Wirtschaft im Moment steckt."

"Eigenartig" findet Wifo-Chef Felbermayr übrigens die Vorgangsweise der Regierung. Sie habe die steuer- und abgabenfrei gestellte Einmalzahlung bis 3000 Euro bei den eigenen Dienstnehmern, also den Beamten, nicht genutzt. (Luise Ungerboeck, 28.11.2023)