Es ist kein Gangster-Spitzname, er heißt wirklich so: Imperiale, Vorname Raffaele. Zu seinen besten Zeiten führte der Camorra-Boss ein weltweit tätiges Drogenimperium, das monatlich direkt von den kolumbianischen Drogenkartellen 300 bis 400 Kilo Kokain importierte und dann en gros an Abnehmer in halb Europa weiterverkaufte.

In Italien und Amsterdam, wo er in den 1990er-Jahren mit einem "Coffeeshop" begonnen hatte, beschäftigte Imperiales "Firma" etwa 20 Mitarbeiter, für die am Jahresende, wenn die Geschäfte gut liefen, ein dreizehnter und vierzehnter Monatslohn abfiel. Den Rest der Drogengewinne investierte Imperiale hauptsächlich in Gold, Diamanten, Bitcoins und Luxusimmobilien in Spanien und Dubai, wo er sich zuletzt vor den italienischen Anti-Mafia-Ermittlern in Sicherheit gebracht hatte.

Symbolfoto Jumeirah Palm Island, Dubai
Künstliche Küstenverläufe und Inseln (im Bild: Jumeirah Palm Island, Dubai) sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten keine Seltenheit. Nun hat ein Mafiaboss seine Privatinsel an den italienischen Staat verschenkt.
AP

In Dubai hatte der Camorra-Boss aus Castellammare di Stabia, einem heruntergekommenen Vorort von Neapel, vor rund zwanzig Jahren für zwölf Millionen Dollar auch eine der zahlreichen künstlichen Inseln gekauft, die die schwerreichen Ölscheichs vor der Küste der Emirate hatten erstellen lassen. Unnötig zu sagen, dass sie heute ein Mehrfaches wert ist. Imperiale, der gerne in großen Maßstäben dachte, beauftragte die irakisch-britische Star-Architektin Zaha Hadid mit dem Bau von zehn Luxusvillen. Kostenpunkt: etwa 200 Millionen Dollar. Weil Hadid aber 2016 verstarb, wurde nichts aus dem Projekt.

Schluss mit dem Versteckspiel

Und nun will Imperiale die künstliche Insel dem italienischen Staat vermachen, wie der neapolitanische Staatsanwalt Maurizio De Marco am Montag während des Prozesses gegen Imperiale zur Überraschung des Gerichts verkündete.
Imperiale war im Jahr 2021 auf Gesuch der italienischen Behörden von Interpol und Europol in Dubai verhaftet und im März 2022 an Italien ausgeliefert worden, wo ihm seither der Prozess gemacht wird. Weil er laut eigenen Aussagen wegen des jahrelangen Versteckspiels mit der Justiz "müde" war und weil er sein "Leben ändern" wolle, beschloss der heute 59-jährige Mafioso, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten.

Staatsanwalt De Marco vermutet freilich auch noch ein anderes Motiv: Für Mafiosi, die auspacken, gibt es in Italien kräftigen Strafnachlass. Dasselbe erhoffe sich der Gangster nun wohl auch von seinem Geschenk an den Staat: Es sei "unbestreitbar", dass die Abtretung der Insel ähnliche Gründe habe wie sein kooperatives Verhalten während des Prozesses, betonte De Marco.

Mit seinem Inselgeschenk macht Imperiale nicht zum ersten Mal Schlagzeilen. Bereits im Jahr 2016, als er in Dubai noch ein mehr oder weniger ungestörtes Leben führte, war der Camorra-Boss international bekannt geworden, weil die Polizei in einem geheimen Versteck in seinem Geburtsort Castellammare di Stabia zwei Gemälde des niederländischen Malers Vincent van Gogh entdeckte. Diese waren im Jahr 2002 aus dem Van-Gogh-Museum gestohlen worden. Imperiale hatte die beiden Gemälde – "Strand von Scheveningen bei stürmischem Wetter" sowie "Kirche von Nuenen mit Kirchgängern – gekauft, als er noch in Amsterdam lebte. Er soll die beiden Kunstwerke, deren Wert heute auf über 100 Millionen Dollar geschätzt wird, für läppische 350.000 Dollar erstanden haben – und zwar direkt von den beiden Kunsträubern Octave Durham und Henk Bieslijn.

Zwischen Scheveningen und Dubai

Der "Strand von Scheveningen" und die "Kirche von Nuenen" sind kurz nach ihrem Fund in Castellammare di Stabia im Rahmen einer feierlichen Zeremonie an das Van-Gogh-Museum in Amsterdam zurückgegeben worden und sind dort seit 2019 wieder für das Publikum zugänglich.

Was mit der künstlichen Insel vor Dubai geschehen soll, ist dagegen noch offen. Der italienische Staat hat von der Mafia zwar im Laufe der Jahre schon riesige Vermögenswerte konfisziert, darunter auch Tausende von Immobilien – aber eine Insel in den Golfstaaten fehlte bisher noch in der Sammlung. (Dominik Straub, 28.11.2023)