Die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der deutschen SPD, kurz Jusos, fordern 60.000 Euro Grunderbe für jede Person zum 18. Geburtstag mit Hauptwohnsitz in Deutschland, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Dem Antrag haben die Delegierten beim Bundeskongress Mitte November zugestimmt.

Das Konzept würde 45 Milliarden Euro pro Jahr kosten, rechnen die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten vor, und soll durch eine Reform der Erbschaftssteuer finanziert werden. "400 Milliarden Euro werden jährlich in Deutschland vererbt oder verschenkt. Vererbung ist daher Ursache der Ungleichheit, zementiert diese und verschärft sie immer weiter", heißt es im Antrag, der auch den konkreten Finanzierungsvorschlag enthält: Für Beträge unter einer Million Euro gilt ein Freibetrag, danach steigt der Steuersatz auf das Erbe stufenweise; beginnend bei zehn Prozent für die erste Million, 20 Prozent für zwei Millionen – bis ein Spitzensteuersatz von 90 Prozent bei neun Millionen erreicht ist. Dahinter steht das große Ziel, das Vermögen gerechter zu verteilen. Doch kann das mit einem Grunderbe wirklich gelingen?

Was bringen 20.000 Euro?

Neu ist die Idee jedenfalls nicht. Der französische Ökonom Thomas Piketty forderte in seinem Buch "Kapital und Ideologie" (erschienen 2020) ebenfalls eine "radikale Umverteilung". Einer seiner Vorschläge: Mit 25 Jahren soll jede Person einmalig 120.000 Euro bekommen. Damit könnten die jungen Erwachsenen Firmen gründen oder Immobilien erwerben. Der Forscher ist überzeugt, nur so könne man wachsender Ungleichheit entgegenwirken.

Die deutschen Jusos wollen Vermögen mit einem Grunderbe für alle umverteilen.
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Welchen Einfluss ein Startkapital von immerhin 20.000 Euro hätte, hat das arbeitnehmernahe Momentum-Institut berechnet. Das Ergebnis: Würden 20.000 Euro an die rund 88.000 18-Jährigen in Österreich ausbezahlt, würde das 1,76 Milliarden kosten und die Vermögensungleichheit einmalig um 0,26 Prozent sinken. Vermögensungleichheit wird übrigens mittels des Gini-Koeffizienten angegeben, der einen Wert zwischen null – alle besitzen gleich viel – und eins – eine Person besitzt alles – annehmen kann. In Österreich lag der vermögensbezogene Gini-Koeffizient im Jahr 2022 bei 0,76.

Größere Veränderungen sieht man nach Berechnung des Momentum-Instituts erst nach einigen Jahrzehnten. Würden die 20.000 Euro etwa über 30 Jahre jedes Jahr ausbezahlt, läge der Effekt danach bei über sechs Prozent. Die Simulation beinhaltete allerdings keine Gegenfinanzierung durch vermögensbezogene Steuereinnahmen. "Das würde den Gini-Koeffizienten zusätzlich reduzieren", sagt Barbara Schuster, Ökonomin des Momentum-Instituts.

Individuelle Auszahlungen

Die Diskussion rund um ein Grunderbe für alle geht ihrer Meinung nach schon in die richtige Richtung. Da Grunderbe aber dennoch nicht der "Goldstandard" der Vermögensumverteilung sei, spricht sie sich gegen die Maßnahme aus. "Sinnvoller wäre, unseren Sozialstaat auszubauen, sodass niemand auf ein Startkapital angewiesen ist", sagt sie. Aktuelle Herausforderungen, etwa die Klimakrise, ließen sich zudem nicht individuell lösen. "Wenn wir jedem Menschen mit 18 Jahren 20.000 in die Hand drücken, reduzieren wir beispielsweise damit nicht unseren CO2-Ausstoß." Zudem würden 20.000 Euro einer Person aus einem armen Haushalt nicht helfen, Eigentum anzuschaffen.

Das reichste Prozent in Österreich besitzt die Hälfte des gesamten Vermögens.
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Der "Schieflage" der aktuellen Vermögensverteilung in Österreich will Schuster mit vermögensbezogenen Steuern entgegenwirken. Das reichste Prozent besitze rund die Hälfte des Vermögens, während die ärmere Hälfte nicht einmal rund drei Prozent am Gesamtvermögen hält – "also de facto fast nichts besitzt". Sie schlägt daher vor, Erbschafts- oder Vermögenssteuereinnahmen für gesamtgesellschaftliche Ausgaben zu verwenden, anstatt individuell an Personen zu verteilen. Geld, das als Grunderbe ausbezahlt wird, fehle in Kindergärten, in der Pflege oder könnte in den Klimaschutz investiert werden. "Anstatt einem 18-Jährigen 20.000 Euro in die Hand zu drücken, der sich damit vielleicht ein Auto kauft, sollte der Staat mit dem Geld lieber den Schienenverkehr ausbauen oder öffentliche Verkehrstickets zur Verfügung stellen."

Hanno Lorenz betrachtet die Debatte aus einem anderen Blickwinkel. Er ist Ökonom bei der unternehmernahen Agenda Austria und gibt zu bedenken, dass der Vorschlag der deutschen Jusos schnell zu mehr Zuzug aus dem Ausland führen könnte, da die 60.000 alle bekommen sollen, die ihren Hauptwohnsitz in Deutschland haben. Seiner Meinung nach ist die Formulierung des Vorschlags nicht gut durchdacht. Auch die "extreme Erbschaftssteuer" von bis zu 90 Prozent würde nur dazu führen, dass nicht mehr viel vererbt werde in Deutschland – "vorher würden die Menschen ihren Wohnort verlegen".

Er sieht das Grunderbe aber generell positiv. Es sei eigentlich kein sozialistischer Vorschlag, sondern ein liberaler. "Ein Grunderbe bringt natürlich auch Freiheit", sagt Lorenz, "in Österreich würde es helfen, mehr Vermögen in der Mittelschicht oder in niedrigen Einkommensschichten zu haben." Er argumentiert wie Piketty damit, dass sich die Menschen damit Eigentum anschaffen, Unternehmen gründen oder ihren Bildungsstand verbessern könnten. "Menschen aus der Mitte der Gesellschaft würden dadurch finanziell gestärkt", sagt er. "Das mittlere Vermögen liegt in Österreich bei 100.000 Euro, und mit einem Grunderbe von 60.000 Euro ist man da schon dicht dran."

Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dafür eine Finanzierung zu finden, ist der Ökonom überzeugt. Er habe bisher noch kein Modell gesehen, das finanziell machbar wäre, und vermögensbezogene Steuern lehnt er ab: "Die Steuern sind in Österreich ohnehin hoch." Zudem sieht er die Prioritäten in der Politik woanders: "Der Staat wird sein Geld eher ins Pensions- oder Bildungssystem stecken, als allen ein Grunderbe auszuzahlen." (Julia Beirer, 9.12.2023)