Braunkohlekraftwerk im Sonnenaufgang
Kohlekraftwerke produzieren viel Feinstaub – mit verheerenden gesundheitlichen Auswirkungen.
imago images/Andreas Vitting

Um die globale Erhitzung einzugrenzen, muss die Menschheit wesentlich weniger Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Das bedeutet vor allem, fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas zu verwenden. Weitere Vorteile hätte die Energiewende zu erneuerbaren Energien auch für die Gesundheit: Die Luftverpestung sorgt weltweit für zahlreiche verfrühte Todesfälle. Im Jahr 2019 dürften fundierten Schätzungen zufolge 8,3 Millionen Menschen aufgrund von Luftverschmutzung durch Feinstaub und Ozon gestorben sein.

Eine neue Studie im Fachjournal "BMJ" ermittelte den Anteil der Todesfälle, der auf fossile Verbrennung zurückzuführen ist. Dabei wendete das internationale Forschungsteam um den Atmosphärenchemiker Andrea Pozzer vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz ein neues Modell an. Den Berechnungen zufolge sind es etwa 61 Prozent der Luftverschmutzungstoten, die durch die Nutzung fossiler Brennstoffe in Industrie, Verkehr und bei der Stromerzeugung sterben. Das entspricht 5,1 Millionen Todesfällen pro Jahr.

Diese zusätzlichen Todesfälle könnten den Fachleuten zufolge vermieden werden durch eine Umstellung auf saubere erneuerbare Energiequellen. Das sei auch für die Klimakonferenz COP 28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten wichtig, die am Donnerstag beginnt. Der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromerzeugung betrug 2020 28 Prozent. Der Nutzen des Ausstiegs aus fossiler Energie "sollte dabei ganz oben auf der Tagesordnung stehen", schreiben die Expertinnen und Experten. Der Erfolg dieses Bestrebens ist fraglich angesichts des Vorsitzes, den mit Sultan Ahmed Al Jaber der Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc innehat.

Belastung für den Körper

Luftverschmutzung trägt im menschlichen Körper zu Entzündungen und oxidativem Stress, der etwa zu Alterungsprozessen führt, bei. So führt "schlechte Luft" zu Krankheiten der Atemwege und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beeinträchtigt aber auch Nervensystem, Stoffwechsel, mentale Gesundheit und die Fortpflanzung. "Der schrittweise Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe hätte gesundheitliche Vorteile, die weit über eine geringere vorzeitige Sterblichkeit hinausgehen", schreibt eine Gruppe skandinavischer Gesundheitsforscher, die nicht an der Studie beteiligt waren, in einem Begleitartikel. Menschen wären allgemein gesünder und würden dementsprechend längere und gesündere Leben führen.

Die ermittelte Zahl der Todesfälle laut der Modellrechnung ist höher als bisher ermittelte Werte zum Anteil fossiler Energieträger. Demnach dürfte die Energiewende einen erheblichen Beitrag leisten, um die Sterbefälle zu senken. Bisher gab es nur wenige Studien zu Luftverschmutzung, die die Todesfälle bestimmten Quellen zuordneten. Diese Studienergebnisse fielen zudem recht unterschiedlich aus.

Die Daten, die die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in diesem Fall nutzten, stammen aus einer Studie zu Krankheits- und Todesfällen des Jahres 2019. Diese kombinierten sie mit Bevölkerungsdaten, Feinstaubwerten der US-Weltraumorganisation Nasa und vier Szenarien an Risikomodellen zu Aerosolen und allgemein chemischen Verbindungen, die in der Atmosphäre auftreten. Je nach Szenario gelänge es der Menschheit, fossile Brennstoffe als Emissionsquellen schrittweise komplett zu beseitigen oder um 25 beziehungsweise 50 Prozent zurückzuschrauben. Das vierte Szenario bildet einen noch stärkeren Erfolg ab, nämlich die komplette Entfernung aller von Menschen verursachten Quellen der Luftverschmutzung. Übrig blieben dann nur mehr natürliche Quellen, zu denen natürliche Waldbrände und Wüstenstaub gehören.

Todesfälle verhindern

Gesundheitlich genauer aufgeschlüsselt, sind die meisten luftverschmutzungsbedingten Todesfälle auf koronare Herzkrankheit zurückzuführen, das heißt, ihre Blutgefäße verengen sich stark durch die Umweltbelastung. Sie machen etwa 30 Prozent der Todesfälle aus, gefolgt von Schlaganfällen (30 Prozent), chronisch-obstruktiver Lungenerkrankungen (16 Prozent) und Diabetes (sechs Prozent). Etwa 20 Prozent dürften beispielsweise auf Bluthochdruck und neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer zurückgehen.

In der Europäischen Union, die zur Finanzierung der Studie beitrug, sterben aktuellen Schätzungen zufolge jährlich etwa 253.000 Menschen infolge von mit Feinstaub und Ozon belasteter Luft. Den Ergebnissen der neuen Studie zufolge würde der Ausstieg aus fossilen Energieträgern vor allem in Süd- und Ostasien für weniger Todesfälle sorgen. Dort sterben die meisten Menschen an Luftverschmutzung aus fossilen Quellen. In China sind dies 2,44 Millionen Menschen jährlich, in Indien 2,18 Millionen Menschen. Dort wären mehr als 80 Prozent dieser Todesfälle potenziell verhinderbar, wenn man alle anthropogenen Quellen der Luftverschmutzung versiegeln könnte.

Die Fachleute ermittelten auch, dass Länder mit hohem Einkommen, die großteils von fossiler Energie abhängig sind, stark profitieren könnten: Durch einen Ausstieg aus Fossilen ließen sich jährlich 460.000 Todesfälle verhindern, das entspräche 90 Prozent der vermeidbaren Todesfälle aufgrund von menschengemachter Luftverschmutzung. Das Autorenteam des Begleitartikels um die finnische Gesundheitsforscherin Heli Lehtomäki streicht hervor, dass einkommensstarke Länder auch bei der COP 28 in Dubai "sich verpflichten müssen, eine Vorreiterrolle zu übernehmen". (sic, 30.11.2023)