Laubbaum mit roten Blättern vor blauem Himmel
Die vergangenen Monate waren im Vergleich zu den Herbsten der vergangenen 200 Jahre besonders warm.
IMAGO/Rene Traut

Das Jahr 2023 wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr seit Beginn der präzisen Messungen des EU-Klimawandeldiensts Copernicus sein – Fachleute sprechen sogar vom heißesten Jahr seit 125.000 Jahren. Das macht sich auch in Österreich bemerkbar. Insbesondere der meteorologische Herbst, also die Monate September, Oktober und November, brachte vielerorts erstaunlich hohe Temperaturen. Nun, Ende November, meldet die Geosphere Austria – vormals Zamg und GBA – für das Tiefland den wärmsten Herbst der 257-jährigen Messgeschichte.

Berücksichtigt wurden auch Prognosen für die letzten Novembertage. Der November, der eine deutliche Abkühlung brachte, war nur leicht überdurchschnittlich warm, heißt es in einer Aussendung. Vor allem die für den Herbst extrem hohen Temperaturen im September und Oktober sorgten dafür, dass die Durchschnittswerte weit über dem üblichen Mittel liegen. Im Tiefland Österreichs war diese Jahreszeit um 2,2 Grad wärmer als der Durchschnitt der Klimaperiode 1991 bis 2020. Auf den Bergen, wo seit 173 Jahren genaue Temperaturmessungen erhoben werden, war es um 2,0 Grad wärmer, das ergibt für das Gebirge Platz drei in der Messgeschichte.

Zwei rot eingefärbte Karten von Österreich, die den Temperaturunterschied des Herbsts 2023 im Vergleich zum Mittel der Jahre 1991–2020 bzw. 1961–1990 zeigen
Die Karten zeigen, um wie viel es im Herbst 2023 wärmer war als im Mittel der Jahre 1991–2020 (oben) bzw. 1961–1990.
Geosphere Austria

"Der Herbst in Österreich hat von allen vier Jahreszeiten bisher am wenigsten auf die weltweite Klimaerwärmung reagiert, aber auch hier sehen wir einen Trend zu einem immer wärmeren Klima", sagt Geosphere-Klimatologe Alexander Orlik.

Sonniger Herbst

Noch größer ist der Unterschied zur Referenzperiode von 1961 bis 1990, die weniger stark von der globalen Erwärmung betroffen war, die stark auf hohe industrielle Treibhausgasemissionen zurückgeht. In diesem Vergleich ist der Herbst 2023 im Tiefland um 2,9 Grad wärmer, in den Bergen lagen die Temperaturen um 2,4 Grad höher. Die vergangenen Jahre brachten auch in dieser Jahreszeit immer wieder neue Höchstwerte, nach dem Jahr 2023 war es auch im Herbst 2014, 2006, 2018, 2019, 2022 und 2000 besonders warm. In der Liste der heißesten Herbste folgen auf diese Jahre anschließend 1926, 1987 und 1801, damals war es um 0,8 Grad wärmer als zum Durchschnitt der Periode 1991–2020. Interaktive Infografiken können auch über das Klimamonitoring der Geosphere abgerufen werden. Die höchste Herbsttemperatur 2023 erreichte am 12. September Bad Deutsch-Altenburg in Niederösterreich mit 32,3 Grad Celsius, am kältesten war es bisher am 25. November am Brunnenkogel in Tirol mit –23,7 Grad.

Grafik Temperaturabweichung Herbst in Österreich von 1767 bis 2023
Im Vergleich zur Klimaperiode 1961–1990 war es vor allem in den vergangenen Jahren viel wärmer.
Geosphere Austria

Beim Niederschlag unterscheiden sich die erste und zweite Herbsthälfte stark: Bis 20. Oktober war es eher trocken, mitunter gab es im September und Oktober um die Hälfte weniger Regen als sonst. Dann kam je nach Höhenlage allerdings einiges an Regen und Schnee, sodass der November es sogar in die top fünf der niederschlagsreichsten November seit Messbeginn 1858 schafft. Um knapp 90 Prozent mehr Niederschlag gab es im Vergleich zum Durchschnitt 1991 bis 2020.

Nun ist ein besonders warmer Herbst nicht immer einer, an den man sich besonders gut erinnert – im Vergleich zu den schweißtreibenden heißesten Sommern. Auch ziehen erhöhte Temperaturen ab September hierzulande keine Hitzetoten nach sich. Der milde Herbst bringt manch einen Vorteil, viele begannen später als sonst mit dem Heizen, und es gab auch mehr Sonnenstunden: im September um 44 Prozent mehr als im österreichischen Durchschnitt, im Oktober um 13 und im November um 14 Prozent. Vor allem im November gab es aber große Unterschiede zwischen dem Alpenbereich und dem Flachland. Außerhalb der Alpen im Norden, Osten und Süden gab es um beachtliche 80 Prozent mehr Sonnenschein, während es inneralpin um zehn bis 60 Prozent weniger Sonne gab.

Bedrohte Biodiversität

Doch die Nachteile von steigenden Temperaturen ganz allgemein und auch in den kälteren Jahreszeiten dürfen nicht übersehen werden. Wärme im Herbst kann zu Hitzestress bei Wildtieren und anderen Lebewesen führen und damit zu einem großen Problem in Sachen Biodiversität. Insbesondere Spezies, die an Kälte angepasst sind, haben kaum Fluchtmöglichkeiten nach oben, die Veränderung kommt zu schnell für evolutionäre Anpassungen. Der typische Lebenszyklus verschiebt sich, wodurch sich für viele Arten Probleme ergeben. Studien zeigen, dass mehr Arten als angenommen vom Aussterben bedroht sind. Dabei geht es nicht nur um das Verschwinden von ein paar Tieren, Pflanzen und Pilzen: Dies kann Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen und ihre Fähigkeit beeinträchtigen, sich von Rückschlägen zu erholen, was wiederum Menschen etwa in Bezug auf Ernährungssicherheit belastet.

"Der Herbst ist die Jahreszeit, die sich bis jetzt am langsamsten erwärmt hat", sagt Klimaexperte Olefs. Weshalb sich Winter, Frühling und Sommer schneller erwärmen, sei nicht ganz geklärt, es gebe aber Erklärungsversuche, etwa anhand von Schmutzpartikeln in der Luft. Sie hätten die starke Erwärmung in Europa ab den 1980er-Jahren teilweise kompensiert beziehungsweise verschleiert, indem sie Sonneneinstrahlung ins All reflektierten.

Jahreszeitenunterschiede entstehen wohl durch eine schwächere Durchmischung der Atmosphärenschichten im Winter durch die tiefstehende Sonne, wodurch sich Aerosole in Bodennähe sammeln. Das habe eine stärkere Aufklarung und rasche Erwärmung mit sich gebracht. Im Frühjahr und Sommer hingegen seien die Strahlungswerte besonders hoch, der kühlende Aerosoleffekt nahm also am stärksten ab. Der Herbst kommt ohne diese Effekte aus. (sic, 29.11.2023)