Wenn US-Comic-Künstler P. Craig Russell Geld für die Urlaubskassa braucht, zeichnet er dafür mitverantwortlich, dass Klassiker wie Batman,Dr. Strange, Hellboy oder The Sandman ein ewiges Leben als fixe Bestandteile der Popkultur führen. Als schönen Ausgleich zum hauptberuflichen Tschinbumm hat sich der eingeschworene Fan klassischer Musik allerdings auch schon der zeichnerischen Adaption von Mozarts Zauberflöte, der Salome von Richard Strauss oder Pelléas und Mélisande von Claude Debussy gewidmet. Hier schreckt der Fan bunter Schundhefteln ebenso vor dem Kauf zurück, wie die Opernliebhaberin darüber die Nase rümpft.

Mehr als 20 Jahre nach ihrem Erscheinen auf dem amerikanischen Markt liegt nun mit Der Ring des Nibelungen Russells kiloschweres Hauptwerk in Sachen E-und-U-Mischkultur endlich auf Deutsch vor. Russell hält sich dabei nicht an das mittelhochdeutsche Heldenepos von der Germanistik-Uni. Er folgt lieber streng der Partitur wie dem Libretto von Richard Wagners vierteiligem Opernzyklus, vom Rheingold über Die Walküre und Siegfried bis zur Götterdämmerung.

Im Gegensatz zur physischen, physikalischen sowie von der Brutalität und dem Sex her sehr eingeschränkten Aufführungspraxis in Opernhäusern kann Russell dank der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Fantasy-Saga mit Zooms, Perspektivwechseln und dem Spiel von Licht, Schatten und Farben ins Volle greifen: "Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala weiala weia!" Das ist übrigens Richard Wagner, nicht P. Craig Russell.

Im Comic kommen die hier zitierten Rheintöchter als wirklich sehr aufreizende Go-go-Nixen mit Walle-Walle-Haaren im Stile von Jennifer Lopez zum Einsatz. Die Riesen und Zwerge und Götter sehen aus, wie man sich Riesen und Zwerge und Götter vorstellt – und Siegfrieds Heldenbrust wird nicht von einem Gössermuskel abgerundet, sondern beeindruckt durch ein Sixpack. Götterdämmerung, Baby! (Christian Schachinger, 11.12.2023)