Junge Frau nimmt eine Tablette mit einem Schluck Wasser ein
Hat man eine bakterielle Infektion, helfen Antibiotika. In allen anderen Fällen nicht. Aber wenn man sie verschrieben bekommt, sollte man sie unbedingt auch so einnehmen. Sonst wirken sie nicht ausreichend.
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Ist man krank und fühlt sich schlecht, will man möglichst schnell wieder fit werden. Und in einer Welt, in der es für fast alles ein Medikament oder eine Lösung gibt, sollte das doch möglich sein. Ist es in vielen Fällen auch – wenn man die richtigen Medikamente einsetzt. Lange Zeit galten Antibiotika als Mittel der Wahl: Bakterieller Infekt? Antibiotikagabe. Virale Infektion? Ebenfalls Antibiotikagabe, es könnte sich ja eine bakterielle Entzündung draufsetzen. Das war bis in die Nullerjahre die Strategie so mancher Ärztinnen und Ärzte, und auch so manche Erkrankte haben die Hämmer eingefordert. Denn wenn es nichts hilft, dann schadet es auch nichts. Doch es schadet eben schon.

Denn durch diesen großzügigen Einsatz der antibakteriellen Medikamente (und noch aus ein paar anderen Gründen, mehr dazu lesen Sie dann weiter unten) sind Resistenzen entstanden. Das bedeutet, dass Antibiotika gegen so manche Bakterien nicht mehr wirken. Und das kann ziemlich schlimme Konsequenzen haben, im schlimmsten Fall endet so eine Resistenz sogar tödlich.

Lebenserwartung mehr als verdoppelt

Dabei gehören Antibiotika zu den größten medizinischen Errungenschaften unserer Zeit, betont Hans-Petter Hutter, Umweltmediziner und Public-Health-Experte an der Med-Uni Wien: "Es waren im Wesentlichen vier Errungenschaften, die dazu geführt haben, dass sich die Lebenserwartung seit dem 19. Jahrhundert mehr als verdoppelt hat. Das sind: allgemeiner Zugang zu sauberem Trinkwasser, Abfall- und Abwassermanagement, Impfungen und Antibiotika." Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lag die Lebenserwartung von Männern bei nur 35 Jahren, Frauen konnten immerhin mit 38 Jahren rechnen.

"Damals ist man an heute gut heilbaren Erkrankungen wie Tuberkulose oder Kindbettfieber, also einer Sepsis nach einer Geburt, verstorben. Bei all diesen Krankheiten haben Hygienemaßnahmen und Antibiotika massiv dazu beigetragen, dass sich das geändert hat", weiß Hutter.

Doch mittlerweile werden diese potenten Medikamente auch kritisch gesehen. Denn vielfach wird fahrlässig mit ihnen umgegangen. Erstens wurden sie, wie bereits erwähnt, nicht selten verschrieben, obwohl sie nicht wirklich nötig waren. Zweitens werden sie häufig falsch eingenommen, vor allem zu kurz. Und drittens werden sie in der Massentierhaltung nach wie vor in großen Mengen und nicht zuletzt sogar prophylaktisch eingesetzt.

"Das alles führt dazu, dass immer mehr Resistenzen entstehen", erklärt der Umweltmediziner. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt diese sogar zu den zehn größten aktuellen Gesundheitsproblemen. Immerhin versterben weltweit mehr als eine Million Menschen an einer Infektion mit einem multiresistenten Keim. Und die Dunkelziffer ist wahrscheinlich deutlich höher.

Sie entstehen durch natürliche Mutationen im Erbgut der Bakterie. Solche Resistenzeigenschaften können die Bakterien auch untereinander austauschen und an andere Bakterienspezies weitergeben.

Multiresistente Keime

Doch was bedeutet das genau? Die Entstehung von Resistenzen hängt eben mit der falschen und übermäßigen Anwendung zusammen, erklärt Hutter: "Bakterien haben Fähigkeiten, sich gegen Antibiotika zu schützen, entweder durch natürliche Mutationen oder etwa durch Aufnahme von Resistenzgenen aus der Umgebung." Bakterien vermehren sich schnell und in großer Zahl. Bei dieser Vermehrung kommt es immer wieder zu Mutationen im Erbgut. Und weil so viele Mutationen entstehen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass eine oder auch mehrere davon die Wirkung des Antibiotikums umgehen können. "Diese Tatsache macht uns schon seit Jahren das Leben schwer. Nicht zuletzt weil es eben auch multiresistente Bakterien gibt, die gleich gegen mehrere Antibiotika immun sind. Aber das wird noch ein viel größeres, globales Problem werden, wenn die Fahrlässigkeit nicht aufhört", betont Hutter.

Und er beschreibt drastisch: "Stellen Sie sich vor, Sie haben eine bakterielle Lungenentzündung. Ein Antibiotikum wirkt nicht, ein weiteres auch nicht, und irgendwann muss man zu den Reserveantibiotika greifen, die aber womöglich auch nicht wirken." Reserveantibiotika sind besonders potente Medikamente, die in Spitälern genau für solche Notfälle bereitgehalten und wirklich nur dann eingesetzt werden, wenn kein anderes Mittel mehr hilft. Diese zurückhaltende Anwendung – auch aufgrund ihrer Nebenwirkungen – soll dafür sorgen, dass zumindest sie möglichst lange wirken.

Dieses Problem ist übrigens deutlich größer, als es sich die meisten vorstellen können. Und man kann sich dem auch nicht entziehen, weil man sich denkt: "Ich nehme ja ohnehin fast nie Antibiotika, also wird mir das schon nicht passieren." Denn die Resistenz entsteht eben nicht im Menschen selbst, sondern das Bakterium entwickelt sie. Ganz egal, wie wenige Antibiotika man selbst einnimmt, wird man von einer problematischen Bakterie erwischt, nutzt das alles nichts.

Verantwortungsvoller Einsatz

Was kann man also selbst tun, um das Problem nicht weiter zu befeuern? Als Erstes gilt es, Antibiotika bewusst und zielgerichtet einzusetzen. Hutter betont: "Bei viralen Erkrankungen helfen sie bekanntlich nicht, und wirkungslose Medikamente sollen weder verschrieben noch eingenommen werden. Einzige Ausnahme ist, wenn zur Viruserkrankung noch eine bakterielle Superinfektion dazukommt oder befürchtet wird." Diese kann sich nämlich, wenn etwa die Schleimhäute aufgrund einer Covid-, Influenza- oder anderen Erkältungskrankheit schon beeinträchtigt sind, leichter festsetzen. "Vor der Einnahme muss aber immer eine ärztliche Anamnese und Nutzen-Risiko-Einschätzung stehen."

Als Nächstes gilt es, die Medikamente richtig einzunehmen, also wie von Arzt oder Ärztin verschrieben. Hutter pocht darauf: "Hören Sie nicht nach der halben Packung auf, weil die Symptome schon viel besser sind. Die Anwendungsangaben sind darauf abgestimmt, wie lange es dauert, bis alle Bakterien abgestorben oder inaktiv sind. Und nur weil die Symptome weg sind, sind nicht auch alle Bakterien weg."

Und es gibt noch eine dritte Möglichkeit, auf Umwegen, gegen Resistenzen zu arbeiten: indem man Produkte aus Massentierhaltung vermeidet. Denn hier werden Antibiotika sehr häufig eingesetzt. Es gebe zwar immer wieder Überlegungen und auch positive Beispiele, wie man den Einsatz reduzieren könne, weiß Hutter, auch sei die veterinärmedizinische Anwendung von Reserveantibiotika mittlerweile verboten. Aber trotzdem ist diese hochintensive Tierhaltung nach wie vor ein enormes Problem.

Joghurt für den Darm

Bleibt noch das Problem der Nebenwirkungen. Denn wie bei jedem Medikament gibt es diese natürlich auch bei Antibiotika. Das sind vor allem Magen-Darm-Beschwerden, allergische Reaktionen der Haut oder Durchfall. Schwerwiegender kann es bei den Reserveantibiotika werden, die können womöglich toxisch auf die Ohren wirken – auch das ist ein Grund, warum man sie so wenig wie möglich einsetzen soll. "Man muss einfach immer abwägen, ob die potenziellen Nebenwirkungen im richtigen Verhältnis zum Nutzen des Medikaments stehen."

Vor allem das Mikrobiom im Darm leidet durch die Einnahme mit, deshalb sollte man in der Folge mit der Ernährung gezielt gegensteuern. Joghurt und generell fermentierte Lebensmittel helfen, das Bakteriengleichgewicht zu erhalten. Ob man dafür auch Probiotika einnehmen sollte, ist fraglich. Hutter meint, bei diesen Produkten sei womöglich das Marketing besser als die Wirkung. (Pia Kruckenhauser, 30.11.2023)