Batteriespeicher, Energiewende
In den USA stehen einige der weltweit größten Batteriespeicher. Doch auch in Europa sind große Batteriespeicher im Kommen.
APA/AFP/PATRICK T. FALLON

Was Gasunternehmen für die Energiewende fordern, klingt zunächst ein wenig paradox: Es brauche in Zukunft nicht weniger, sondern dringend neue Gaskraftwerke, heißt es aus der Branche. Beispielsweise in Deutschland, das bis 2030 den Ausstieg aus Kohlestrom schaffen will. Der Grund: Fehlt es an Kohlestrom oder Strom aus Gaskraftwerken, drohen zu gewissen Zeiten, etwa in der Nacht, gravierende Stromlücken.

Für die Branche ist Gas so etwas wie der verlässliche Bruder von Sonne und Wind: Immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird, unermüdlich und flexibel. Gaskraftwerke lassen sich, wenn Solar- und Windanlagen zu wenig Strom produzieren, schnell zuschalten, um Stromschwankungen auszugleichen. Es ist eines der größten Argumente, die die Gasbranche in der Debatte um die Energiewende nutzt.

Gaskraftwerke unrentabel

Doch seit einigen Jahren bekommen Gaskraftwerke in ihrer Funktion als Reservespeicher zunehmend Konkurrenz von großen Batteriespeichern. Diese können Strom je nach Bedarf speichern oder wieder ins Netz einspeisen, um damit – ebenso wie Gaskraftwerke – ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch herzustellen. Laut Daten der Organisation Global Energy Monitor wurden heuer in der ersten Jahreshälfte weltweit 68 Gaskraftwerksprojekte auf Eis gelegt oder gestrichen, weil sie als nicht mehr rentabel galten. Auf der anderen Seite entstehen weltweit und auch in Europa immer mehr große Batteriespeicher.

So soll beispielsweise in Sachsen-Anhalt in Deutschland bis 2025 der bisher größte Batteriespeicher Europas gebaut werden. Dieser soll rund 600 Megawattstunden Strom speichern können – genug, um eine halbe Million Haushalte im Land für zwei Stunden mit Strom zu versorgen. Im Gailtal in Kärnten ging kürzlich das bisher größte Batteriespeicherkraftwerk Österreichs ans Netz. Die Anlage, die mit Speichereinheiten von Tesla arbeitet, hat eine Speicherkapazität von insgesamt 20,6 Megawattstunden.

Günstigere Batterien

Hinzu kommen die vielen Batteriespeicher, die immer mehr Haushalte gemeinsam mit Solaranlagen installieren und die ebenfalls Schwankungen zwischen Erzeugung und Verbrauch von Strom ausgleichen können. So waren in Österreich 2022 private Batteriespeicher mit einer Kapazität von insgesamt 480 Megawattstunden installiert – doppelt so viel wie noch im Jahr davor.

Einer der Gründe für den Boom: Die Kosten für Lithium-Ionen-Batterien, die zu einem großen Teil in den Batteriespeichern zum Einsatz kommen, sind seit 2010 um rund 90 Prozent gesunken. "Die Technologie hat in den vergangenen Jahren gewaltige Sprünge gemacht", sagt Jürgen Fleig, Vorstand des Instituts für Chemische Technologien und Analytik an der TU Wien. Der Markt für Batteriespeicher sei massiv im Kommen.

Batteriespeicher, Kosten
Sinkende Kosten machen große Batteriespeicher immer rentabler.
REUTERS

Hinzu kommen neue Generationen an Batterien wie beispielsweise Redox-Flow-Batterien, die nicht brennbar sind, sich sehr oft wieder aufladen lassen und sich nur sehr wenig selbst entladen, wodurch sie insgesamt eine sehr lange Lebensdauer haben. Durch diese Fortschritte können Batteriespeicher auch kommerziell immer mehr mit Gaskraftwerken mithalten.

Speicher durch E-Autos

Nicht zuletzt bilden auch E-Autos, in denen Lithium-Ionen-Batterien verbaut sind, einen wachsenden Pool an Batteriespeichern. Da E-Autos die meiste Zeit nicht unterwegs, sondern geparkt sind, können sie beispielsweise überschüssigen Strom von der eigenen Solaranlage speichern. In vielen neueren E-Autos sind Batterien verbaut, die ein Haus durchschnittlich ein oder mehrere Tage mit Strom versorgen könnten. E-Autos könnten theoretisch auch zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschaltet werden, das ebenfalls zur Netzstabilisierung beiträgt. “Da gibt es gigantisch viele Speicherkapazitäten", sagt Bernhard Wille-Haußmann, Leiter der Abteilung Smart Grid Operation beim deutschen Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Die Frage sei nur noch, wie gut sich diese in Zukunft erschließen lassen.

Auf der anderen Seite haben Gaskraftwerke zunehmend mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Denn durch den gestiegenen Gaspreis ist auch Strom aus Gaskraftwerken teurer geworden, was diese weniger wettbewerbsfähig macht. Zugleich müssen Gaskraftwerke mit vergleichsweise hohen Betriebskosten und einem immer höheren Stromangebot von erneuerbaren Energien umgehen, wodurch sie im Vergleich zu früher meist mit weniger Auslastung laufen. Laut einer Analyse der Non-Profit-Organisation Carbon Tracker arbeiten mehr als ein Fünftel der europäischen Gaskraftwerke bereits mit Verlusten.

E-Autos, Energiespeicher
Auch Elektroautos könnten künftig vermehrt als Energiespeicher zum Einsatz kommen.
Martin Bäuml Fotodesign via www.imago-images.de

Auch notwendige Finanzierungen bekommen Gaskraftwerke nicht mehr so leicht. Seit Anfang des Jahres müssen sie laut EU-Taxonomie bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, um als grüne Investitionen zu gelten. Beispielsweise dürfen Gaskraftwerke bestimmte CO2-Grenzwerte nicht überschreiten und müssen bis 2035 auf klimafreundlichere Energieträger umsteigen, etwa auf grünen Wasserstoff oder Biogas.

Noch unverzichtbar

Wenn Gaskraftwerke immer unrentabler werden, warum pocht die Branche dann dennoch auf den Ausbau bestehender und neuer Gaskraftwerke? Noch dazu in Österreich, das im Vergleich zu Deutschland den Vorteil hat, dass es vor allem mit Wasserkraftwerken einen relativ stabilen erneuerbaren Stromlieferanten hat?

Für eine sichere Stromversorgung und zur Stabilisierung der Stromnetze seien Gaskraftwerke bis auf weiteres unverzichtbar, sagt Christoph Schuh vom Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid. Über das Jahr gerechnet decken Gaskraftwerke rund 15 Prozent des Strombedarfs im Land ab – zu Spitzenlastzeiten kann der Anteil auf rund 40 Prozent steigen. "Es wird noch sehr lang dauern, bis das anders organisiert werden kann", sagt Schuh. Die Frage zwischen Gaskraftwerken und Batteriespeichern sei deshalb kein Entweder-oder, sondern müsse gemeinsam gedacht werden.

"Damit wir die Energiewende schaffen, müssen wir aber weg vom Gas", sagt Fleig. Und dafür reicht es nicht, nur erneuerbare Energien auszubauen. Die große Herausforderung sei, die Energiespeicher und die Netze auszubauen, sodass diese mit dem Ausbau der Erneuerbaren mithalten können. "Das müssen wir in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren hinbekommen."

Einsatz bei langfristiger Speicherung

"Für die kurzfristige Speicherung von Strom sehe ich die Zukunft eindeutig in Batteriespeichern", sagt Wille-Haußmann. Dass Menschen ihren Stromverbrauch künftig viel stärker an die Stromproduktion anpassen, glaubt der Experte jedenfalls nicht. "Ich möchte ja selbst auch genau dann kochen, wenn ich kochen will, und nicht nur, wenn die Sonne scheint", sagt er.

Bei der Langfristspeicherung haben Gaskraftwerke aber nach wie vor ihre Berechtigung – wenn es also darum geht, den überschüssigen Strom vom Sommer in den Winter zu bekommen, sagt Wille-Haußmann. Denn dafür sei weit mehr Speicherkapazität nötig, die mit Batterien niemals gestemmt werden kann. Gaskraftwerke können Wasserstoff, der mit überschüssigem erneuerbarem Strom im Sommer per Elektrolyse erzeugt wurde, bei Bedarf im Winter wieder rückverstromen – sofern es gelingt, die Kraftwerke dafür rechtzeitig auf Wasserstoff umzurüsten.

"Paradoxerweise könnten wir dafür tatsächlich künftig noch mehr Gaskraftwerke brauchen", sagt Wille-Haußmann. Diese werden es dann allerdings auch nicht auf viele Betriebsstunden bringen. "Mit der Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke wird es dann leider nicht besser." (Jakob Pallinger, 4.12.2023)