Seit seinen Auftritten bei den Corona-Demonstrationen im Winter 2021 gefällt sich FPÖ-Chef Herbert Kickl in der Rolle des Volkstribuns. Passend dazu brachte er sich als sogenannter "Volkskanzler" in Stellung. Als einer, der gegen die "Eliten" antritt, der es ihnen zeigen will. "Projekt Volkskanzler" nennt die FPÖ auch ihren Plan, der der Partei den Weg zum Wahlsieg und ins Kanzleramt bereiten soll. Die Kurzfassung: Kickl macht weiter wie bisher. Radikal, angriffig und stets darauf bedacht, in Medien unterzukommen. Ganz so wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump oder wie der ehemalige FPÖ-Parteichef Jörg Haider.

Herbert Kickl spricht bei einer Demonstration 
Herbert Kickl hält eine Rede bei einer Corona-Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Ursprünglich wurde der Begriff von den Nationalsozialisten verwendet, die gezielt Sprache als Propagandamittel einsetzten, um ihre Ziele zu verwirklichen. Dies führte über die ständige Wiederholung dazu, dass der Begriff bald für Hitler stand. Im Duden des Jahres 1941 ist unter "Volkskanzler" zu lesen: "Bezeichnung für Hitler zum Ausdruck der Verbundenheit zwischen Volk und Führer".

Im März 2023 tauchte die Bezeichnung "Volkskanzler Kickl" erstmals in Presseaussendungen der FPÖ auf. Seither gehört der Ausdruck zum festen Bestandteil des Repertoires der Freiheitlichen, wenn von Parteichef Kickl die Rede ist. Oft wird der Begriff mit Forderungen, Drohungen, Verheißungen oder Versprechen verbunden.

Volkskanzler Alfred Gusenbauer

Neben der FPÖ hat auch die SPÖ den Begriff zumindest einmal verwendet. Bereits im Jahr 2007 beanspruchte der damalige SPÖ-Chef und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die Beschreibung "Volkskanzler" für sich.

Aber zurück zum tatsächlichen Ursprung: Die NS-Propaganda benutzte die Bezeichnung hauptsächlich im Jahr 1933, immer im Zusammenhang mit Adolf Hitler. "Volkskanzler" war in Reden des Propagandaministers Joseph Goebbels zu hören, ebenso auf Plakaten zu finden, wie auch im "Völkischen Beobachter", dem Zentralorgan der Nationalsozialisten. In der Ausgabe vom 15. Dezember 1933 ist etwa zu lesen: "Es ist ein schönes Zeichen des überwältigenden Vertrauens, das der deutsche Volkskanzler genießt, dass Behörden und Private ihre Briefpost fast allgemein mit dem Hitlergruß schließen, aber das darf nicht unterschiedslos geschehen! Eine Kündigung, noch dazu vor Weihnachten, kann man jedenfalls nicht im Namen des Führers aussprechen!"

Auch in österreichischen Zeitungen wurde vom "Volkskanzler Hitler" geschrieben, das Wording der Nazi-Propaganda übernommen. Etwa in einem Artikel der "Innsbrucker Nachrichten" vom 14. Juli 1933. In jenen Tagen wurde auch der autoritär regierende österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß in Artikeln so bezeichnet.

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Eine Ankündigung der Nationalsozialisten.
Foto: Schreenshot

"Führer und Reichskanzler" statt "Volkskanzler"

Nachdem Hitler die Macht in Deutschland übernommen hatte, wurde "Volkskanzler" rasch durch "Führer und Reichskanzler" weitgehend verdrängt, wie in dem Buch "Vokabular des Nationalsozialismus" von Cornelia Schmitz-Berning dokumentiert ist. Es war jene Amtsbezeichnung, die sich Hitler durch das Gesetz über das "Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches" vom 1. August 1934 selbst verlieh. Ab 1939 sollte Hitler in der Presse nur noch als "Führer" bezeichnet werden. In der 1947 erschienenen Ausgabe des Dudens ist der Begriff nicht mehr zu finden.

Zu Besuch bei Herbert Kickl | Willkommen Österreich mit Stermann und Grissemann vom 13. Juni 2023
Vokaki, Volkskanzler Kickl, plant seine Machtübernahme und erhält hochrangigen Besuch aus dem Burgenland. Eine Parodie aus der ORF-Late-Night-Show "Willkommen Österreich" mit Stermann und Grissemann vom 13. Juni 2023.
Bilder unserer Zeit

Der "Vokaki"

Das aktuelle Comeback des Begriffs sorgt neben Kritik an der Verwendung des NS-Jargons auch für eine satirische Reaktion. Das Kabarettistenduo Dirk Stermann und Christoph Grissemann ließ sich zu einer neuen Wortschöpfung verleiten. Geht es in der Satiresendung "Willkommen Österreich" um Kickl, dann nennt man ihn den "Vokaki", eine schnippische Verulkung für "Volkskanzler Kickl". (Markus Sulzbacher, 30.11.2023)