Franz Klammer
Franz Klammer beim Charity Race im Jänner 2023 in Kitzbühel.
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Am 5. Februar 1976 befand sich Österreich in einem Ausnahmezustand. In den Schulen war um elf Uhr Schluss, in den Betrieben wurden die Mittagspausen großzügig ausgedehnt. Selbst in Wien waren die Straßen nahezu leer, wie sonst nicht einmal bei übelstem Wetter. In den Gasthäusern und Cafés hingegen herrschte Gedränge um die TV-Geräte, denn alle wollten ihn sehen: Franz Klammer.

Der damals 22-Jährige war für seine verwegene Fahrweise bekannt, mit der er den Abfahrtsrennsport zuletzt dominiert hatte. Bei den Olympischen Spielen in Innsbruck sollte er nun als Favorit auf Abfahrtsgold liefern. Bis zu 60.000 Fans waren an jenem Tag zum Patscherkofel gepilgert.

In der Vorsaison hatte der Kärntner acht von neun einschlägigen Rennen für sich entschieden, in der Olympiasaison kam er immerhin als vierfacher Saisonsieger in die Tiroler Landeshauptstadt. Doch die Vorzeichen waren nicht besonders. Im Training lief es für Klammer nicht nach Wunsch, zudem zog er sich den Ärger von Firmenboss Josef Fischer zu, weil er für das Rennen aller Rennen nicht den revolutionären Lochski seines Ausrüsters anschnallen wollte. Klammer griff letztlich auf seinen vertrauten RC4 zurück, mit dem er viele Siege eingefahren hatte.

Im Goldrausch

Sein größter Konkurrent um Gold war der Schweizer Bernhard Russi, der bei Olympia 1972 in Sapporo triumphiert hatte, das historische Double anstrebte und mit der günstigen Startnummer drei (Klammers Lieblingsnummer) die Bestzeit aufgestellt hatte. Klammer kam in seinem knallgelben Rennanzug mit Startnummer 15 und fing den Schweizer trotz eines Fehlers und Rückstands bei der Zwischenzeit letztlich noch um 33 Hundertstel ab und beglückte die skiverrückte Nation. Er hatte dem immensen Druck standgehalten, der sich über die Monate kontinuierlich aufgebaut hatte.

"Jawohl, Bestzeit", schrie Edi Finger seinerzeit in das TV-Mikro. "Beim Wegfahren habe ich gewusst, ich gewinne", sagte Klammer nachher. "Ohne Olympiasieg wäre es eine schöne, aber nicht diese Karriere gewesen. Er war der Tupfen auf dem "I". Das Drehbuch war einfach gut geschrieben", sagte Klammer einmal. "Ohne Patscherkofel wäre ich nicht die Person, die ich heute bin." Der Bergbauernbub aus Mooswald in Kärnten war plötzlich "Kaiser". Bis heute zehrt er von diesem Erfolg.

Am Sonntag feiert Klammer seinen 70er. Und wie schon beim 40er, 50er und 60er lädt er Weggefährten und Pisten-Prominenz zu einem Legenden-Rennen in Bad Kleinkirchheim. "Alle zehn Jahre ist ein guter Abstand und Anlass, dass man größer feiert", so Klammer, der dem Skisport weiter eng verbunden ist.

Im Fernsehen wird der Jubilar mit dem ewigen Spitzbubenlächeln am 7. Dezember (11.10 Uhr/ORF 1) einmal mehr gewürdigt. Zahlreiche Größen des Skisports wie Annemarie Moser-Pröll, Russi, Gustav Thöni, Werner Grissmann, David Zwilling, Fritz Strobl, Stephan Eberharter und Matthias Mayer haben ihre Teilnahme an der Party und am Legendenrennen angekündigt. Die Wertschätzung freue ihn ungemein, sagte Klammer. "Dass so viele auch Jahre später noch immer kommen, ist besonders schön. Es sind viele Freundschaften übriggeblieben."

Einfach cool runterfahren spielt's für Klammer auch mit 70 nicht. "Den Rennfahrer bringt man nicht weg. Ich versuche nach wie vor, der Schnellste zu sein, halt nicht mehr so verbissen." Wer weiß, vielleicht kommentiert er seine Fahrt dann wie seinerzeit: "Heit hot's mi wieda von ob'n bis unt'n obegebeitelt."

25 Abfahrtssiege

In Bad Kleinkirchheim begann gewissermaßen Klammers Karriere, als er ebendort 1971 eine Europacup-Abfahrt gewann. Die Risikobereitschaft, die er nach dem verhängnisvollen Ski-Unfall seines seither querschnittsgelähmten Bruders Klaus (1977) zwischenzeitlich verlor, brachte ihn oft in akute Sturzgefahr. Sie bescherte ihm aber auch 25 bis heute unerreichte Weltcupsiege in der Abfahrt. Er wird die Nummer eins in der Königsdisziplin noch länger bleiben. Der Südtiroler Dominik Paris hält als erfolgreichster aktiver Fahrer bei 17 ersten Plätzen, der Norweger Aleksander Aamodt Kilde bei zwölf.

Fünfmal kleines Kristall

Auch Klammers fünf Siege in der Abfahrt-Disziplinwertung sind Rekord. Gesamtweltcupsieger, wie etwa der Schweizer Marco Odermatt ("der wird uns Österreichern noch länger lästig sein"), war er nie. Für Klammer dennoch kein Makel einer glanzvollen Karriere. "Meine Karriere war eine runde Geschichte. Der Gesamtweltcup wäre ein Bonus gewesen, die Umstände haben nicht gepasst." 1975 hätte er ihn ohne Streichresultate wohl gewonnen (nur fünf seiner acht Abfahrtssiege wurden gewertet), oder wenn ihm in der Megeve-Abfahrt nicht eine Bindung aufgegangen wäre.

Fast 39 Jahre ist Klammers letzter Schwung im Weltcup her, es war im März 1985 in Aspen. Der Rennanzug vom Olympiasieg passt ihm schon länger nicht mehr. "Die Proportionen haben sich verschoben, aber das Gewicht ist gleich geblieben." Er sei gesund und mache das, was ihm Spaß bereite, betonte der seit Jahrzehnten in Wien wohnende Kärntner. "Ich wohne in Wien, aber daham bin ich in Kärnten."

Klammer ist mittlerweile dreifacher Opa. "Da bin ich wieder Skilehrer." Auf 60 Skitage im Jahr wie vor Corona komme er zwar nicht mehr, "aber 30 bis 40 schaffe ich eigentlich immer". Auch aufgrund seiner Tätigkeit als Head-Botschafter. Österreichs dreifacher Sportler des Jahres ist weiter sportlich aktiv. Skifahren, Golfen und Radfahren stehen dabei im Mittelpunkt. "Die Fitness ist ganz okay." Nun aber wird einmal gebührend gefeiert. "Das wird eine Riesengaude." Weniger lustig könnte es danach werden: "Die Erholungsphasen dauern deutlich länger als früher." (honz, APA, 3.12.2023)