Spiegelnde Oberfläche eines Sees, auf dessen anderer Seite sich beschneite Bäume und ein qualmendes Kraftwerk befinden
Trotz klirrender Kälte kommende Woche könnte dieser Winter weltweit der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn werden.
IMAGO/Peter Hartenfelser

Wer sich mit Wetter und Klima auskennt, weiß: Manchmal muss man scheinbare Widersprüchlichkeiten aushalten. Das zeigen uns die Daten zur aktuellen Klimakrise. Selbst wenn es in manchen Regionen sogar etwas kälter wird, heizt sich der Planet im Durchschnitt auf, und das in enormem Tempo, wenn man auf vergangene Jahrzehnte zurückblickt. Schon wenige Grade Celsius können gewaltige Folgen haben. Weil der Jetstream langsamer wird, halten sich Wetterlagen länger, es kommt zu mehr Dürren und Überschwemmungen.

Das Kurzvideo der "Klimaspirale" zeigt, wie sich die monatlichen Temperaturen seit 1850 verändert haben.

Die Erde wird wärmer, auch wenn wir gerade frieren. Der derzeitige Kälteeinbruch sorgt in ganz Europa für Schnee und tiefe Temperaturen, und das dürfte mindestens noch in der kommenden Woche so bleiben. Wetterprognosen über Wochen hinweg sind mit starken Unsicherheiten behaftet, doch die Einschätzung des europäischen Wetterdienstes ECMWF (hier in einer interaktiven Grafik) prognostiziert nach der kalten kommenden Woche wieder etwas höhere Temperaturen in Zentraleuropa, weiße Weihnachten sind im Tiefland fraglich.

Etwas, das wir aus den vergangenen Jahren kennen: Nach dem ersten Schnee Ende November dauert es bis in den Jänner hinein, bis er sich wieder blicken lässt. Insbesondere ab der letzten Dezemberwoche soll es dem ECMWF-Modell zufolge wieder wärmer werden als Ende November. Es scheint also, als werde es in Europa vielleicht nicht so mild wie im vergangenen Winter, aber dennoch wärmer als im Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre.

Winter der Rekorde?

Auf globaler Skala dürfte es ebenfalls überdurchschnittlich warm werden. In einer neuen Veröffentlichung im Fachjournal "Advances in Atmospheric Sciences" ist sogar von einem potenziell Rekorde brechenden Winter die Rede. Das Forschungsteam der chinesischen Akademie der Wissenschaften sieht eine Fortsetzung des Trends, der bereits mit einem sehr warmen Sommer und Herbst das Jahr 2023 wohl zum heißesten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen machte, womöglich sogar mit den höchsten Temperaturen seit 100.000 Jahren.

Dafür sorgt auch das Klimaphänomen El Niño, das "Christkind", das häufig kurz vor Weihnachten besonders ausgeprägt beobachtet wurde und daher diesen Namen trägt. Die Konsequenzen sehen in unterschiedlichen Regionen anders aus, generell sind El-Niño-Jahre aber überdurchschnittlich warm. So war es auch 2016, als El Niño zuletzt auftrat. Noch mindestens bis April 2024 dürfte es die mittlere globale Temperatur in die Höhe treiben.

Europa, das sich klimawandelbedingt doppelt so schnell erhitzt wie der Rest der Erde, bekommt von El Niño weniger ab als andere Weltregionen. Das von der Forschungsgruppe für den Winter prognostizierte mäßige bis starke El-Niño-Ereignis dürfte im Ostpazifik auftreten. Damit beeinflusst es vor allem weite Teile Amerikas, aber auch manche Regionen der mittleren und niedrigen Breiten auf dem eurasischen Doppelkontinent in Richtung eines außergewöhnlich warmen Winters. "Es besteht eine 95-prozentige Chance, dass die globale durchschnittliche Oberflächentemperatur im Winter 2023/24 einen neuen historischen Rekord aufstellen wird", heißt es in einer begleitenden Aussendung.

Die andere Seite: Mögliche Kühleffekte

Deutlich wird dies dem Modell zufolge vor allem in China. Dort erwarten die Fachleute doppelt so hohe Temperaturen wie üblich. Daher könnte durchaus die bisher höchste Wintertemperatur im Land seit 1991 erreicht werden.

Doch es gibt auch Einflussfaktoren, die die Prognose verändern können. Dazu gehören beispielsweise Waldbrände, die für den australischen Sommer erwartet werden. Auch hier erscheint es vielleicht erst widersprüchlich, dass Feuer für globale Abkühlung sorgt. Doch bei großen Bränden gelangen mit dem Ruß Aerosole in die Atmosphäre, die einerseits Kondensationskeime sind und damit das Entstehen von Wolken provozieren. Vulkanausbrüche auf der Südhalbkugel reflektieren in der höhergelegenen Stratosphäre Sonnenstrahlen und haben daher ebenfalls eine kühlende Wirkung. Ein kühler Südlicher Ozean rund um die Antarktis wurde bereits mit dem verstärkten Auftreten des Gegenphänomens von El Niño in Verbindung gebracht, nämlich La Niña. Die La-Niña-Ereignisse der Vorjahre sorgten dafür, dass die globale Erhitzung verzögert wurde.

Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass die sogenannte plötzliche Stratosphärenerwärmung bei uns für Schnee sorgt. Diese winterliche Störung kann auftreten, indem Wärme vom Atlantik in die hohe Atmosphärenschicht gelangt. In der Folge ist es möglich, dass sich Winde und Temperaturen weiter unten verändern und kalte Luft aus dem Osten die Temperatur in Europa senkt. Den vorsichtigen Vermutungen von Fachleuten zufolge könnte sich dieses Phänomen eher gegen Ende des Winters 2023/24 öfter als sonst ereignen. Wenn Schnee und Eis ausbleiben, hat das zumindest den Vorteil, dass das Energiesparen leichter ist. (Julia Sica, 2.12.2023)