Werner Kogler, Vizekanzler, Grünen-Chef
Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler will den Windkraftausbau forcieren.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien/Dubai – Vor dem Hintergrund der laufenden UN-Klimakonferenz in Dubai, der COP 28, macht Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Druck auf die Bundesländer. In der Ö1-Samstagsreihe "Im Journal zu Gast" betonte Kogler zwar die politischen Anstrengungen und Fortschritte Österreichs – vor allem auch dank der grünen Regierungsbeteiligung –, räumte aber auch ein, dass "nach wie vor eine Lücke offen ist". Nämlich mit Blick auf die Erfüllung der Klimaziele. "Momentan geht der Trend in die richtige Richtung", sagte der Vizekanzler: "Es ist irrsinnig viel geschehen in den letzten Jahren."

Aber auf die Frage "Wo müssen wir hin?", die Kogler selbst in den Raum stellte, antwortete er: "Wir brauchen den Windausbau, und wir werden die Bundesländer, die hier säumig sind, nicht mehr in Ruhe lassen und anständig Druck machen bei den Landeshauptleuten und Landesregierungen." Als konkretes Beispiel für den Ausbau der Windkraft führte er an: "Wenn wir grünen Stahl produzieren wollen in Österreich, wo wir bestens auf Kurs sind mit der Voest, weil die entsprechenden Förderungen massiv angelaufen sind, dann brauchen wir auch den grünen Strom. Also wird's auch in Oberösterreich mehr Windkraft brauchen. Das ist ein ganz logischer Vorgang. Und da ist alles angerichtet, dass wir in diese Richtung antreten können."

Und mit Blick auf die privaten Haushalte ist Kogler ebenfalls optimistisch, "dass wir relativ rasch aus Öl und Gas herauskommen und auf Fernwärme anschließen, die ja massiv gefördert wird, mehr als je zuvor. Also das schaut mal ganz gut aus." Allerdings kam dann erneut das "Aber": "Aber ja, es fehlen noch ein paar Prozent auf das große Ziel, das wir 2030/2040 haben."

Widerständige Windbundesländer

Das Thema Windkraft ist politisch schwierig. Oberösterreich gilt als wichtiges "Windbundesland", hat aber auch politische und gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Ausbau der Windkraft bremsen oder blockieren, was gesamtösterreichisch betrachtet große Folgen hat. Denn insgesamt könnte laut der IG Windkraft Österreich ein Drittel des Stromverbrauchs in Österreich durch Windkraft abgedeckt werden, das müsste aber vor allem in den dafür besonders prädestinierten Bundesländern geschehen, wie Hans Winkelmeier vom Energiewerkstatt-Verein vor der COP 28 sagte: "Zu den wichtigsten Windbundesländern zählen Niederösterreich, die Steiermark, das Burgenland, Kärnten und Oberösterreich."

Laut IG Windkraft hat Niederösterreich 45 Prozent des österreichischen Windpotenzials und kann bis 2030 400 neue Windräder errichten – und damit seine Eigenversorgung mit günstigem Strom gewährleisten. Die Steiermark könnte demnach 250 Windräder errichten, das Burgenland 200, Kärnten 140 und in Salzburg 50. Oberösterreich hat zwar mit 400 Windrädern ein hohes Potenzial, "jedoch hemmen hier die derzeitigen Rahmenbedingungen den Ausbau", heißt es dazu von der Windbranche. Dort rechnet man daher bis 2030 mit maximal 80 Windrädern ob der Enns.

Vogelschutz und Siedlungsschutz blockieren

Dazu kommt, dass laut Umweltanwaltschaft Oberösterreich 90 Prozent der Gesamtfläche des Bundeslandes nicht für Windkraft geeignet seien. Es geht um Vogelschutz und Siedlungsschutz. Denn in Oberösterreich beträgt der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen bewohnten Objekten und Windkraftanlagen 1.000 Meter, was den Bau von neuen Windrädern praktisch unmöglich macht.

Dagegen hat sich erst im Sommer auch die Wirtschaftskammer Oberösterreich ausgesprochen und Änderungen gefordert. Diese Regelungen sollten gelockert werden, sagte WKOÖ-Vizeräsident Clemens Malina-Altzinger im Juli: "Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, dann müssen wir jetzt ins Tun kommen." Er forderte mit Blick in Richtung ÖVP-FPÖ-Landesregierung massive Investitionen in erneuerbare Energie und eine Überarbeitung des Windkraft-Plans für Oberösterreich. Gemäß einer Studie des Energieinstituts der Johannes Kepler Universität Linz seien bis zu 340 Windräder in Oberösterreich möglich.

Energiewende als Standortpolitik

Der grüne Umweltlandesrat Stefan Kaineder hatte sich damals erfreut gezeigt über die windkraftfreundliche Stimme der oberösterreichischen Wirtschaftsvertreter und erklärt, dass die Energiewende "selbstverständlich Standortpolitik" sei: "Wer also Windkraft blockiert, setzt den Standort Oberösterreich aufs Spiel."

Kogler deutete also nicht zufällig in Richtung Linz und wiederholte im Ö1-Interview noch einmal: "Am allermeisten brauchen wir den Wind." Allerdings hat er auch in Wien in der türkis-grünen Regierung noch Einiges zu tun in Sachen Klimaschutz. Ein sogenanntes Klimaschutzgesetz lässt nämlich schon lang auf sich warten. Wird es kommen? Auf ein Ja wollte sich Kogler nicht festnageln lassen, meinte aber: "Auch beim Informationsfreiheitsgesetz hat auch niemand mehr geglaubt, dass es noch kommt." Er sei jedenfalls "zuversichtlich".

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte derweil bei der Weltklimakonferenz in Dubai eine Rede zum globalen Megathema gehalten.

Olaf Scholz
Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Klimakonferenz in Dubai.
EPA/MARTIN DIVISEK

Dabei hat der deutsche Regierungschef einen globalen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas eingemahnt. "Wir müssen jetzt alle die feste Entschlossenheit an den Tag legen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen – zuallererst aus der Kohle. Dafür können wir bei dieser Klimakonferenz die Segel setzen", sagte der SPD-Politiker in seiner Rede am Samstag.

Weiter sagte Scholz, noch sei es möglich, die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen in dieser Dekade so weit zu senken, dass das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird. "Aber die Wissenschaft sagt uns ganz klar: Wir müssen uns dafür sehr beeilen - aller geopolitischen Spannungen zum Trotz", sagte er mit Blick die Kriege im Gazastreifen und der Ukraine, die auch auf der Klimakonferenz ein großes Thema sind.

Der Klimawandel bleibe "die große, weltumspannende Herausforderung unserer Zeit", betonte Scholz. Es gebe aber schon alle nötigen Mittel, um dieser Herausforderung zu begegnen. "Die Technologien sind da: Windkraft, Photovoltaik, elektrische Antriebe, grüner Wasserstoff." Deutschland treibe diese Entwicklungen mit Nachdruck voran. "Als erfolgreiches Industrieland wollen wir 2045 klimaneutral leben und arbeiten", sagte er.

Oxfam kritisiert Scholz-Rede

Scholz appelliert an die knapp 200 Staaten, die in Dubai bis Mitte Dezember beraten, bei der Energiewende mitzuziehen. "Machen wir den Ausbau Erneuerbarer Energien zur energiepolitischen Priorität Nummer eins - weltweit!" Er schlug konkret eine Einigung auf zwei verbindliche Ziele vor, die schon in den Industriestaaten der G20 Konsens sind: Zum einen die Verdreifachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und zum anderen eine Verdoppelung der Energieeffizienz - beides bis 2030.

Der Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Oxfam, Jan Kowalzig, sagte zu der auf Deutsch gehaltene Rede, diese sei "rhetorisch makellos, aber mitreißend geht anders". So inspiriere man eine Klimakonferenz nicht. Und zum angemahnten Ausstieg aus den fossilen Energien passe die Politik der Bundesregierung leider nicht: So arbeite die Bundesregierung mit der Errichtung neuer fossiler Infrastruktur für den Import von Flüssiggas gegen das Pariser Abkommen und höhle parallel dazu das Klimaschutzgesetz aus. "Das hat der Bundeskanzler wohlweislich verschwiegen."

Österreich "noch kein Vorreiter"

Für die österreichische Bundesregierung ist gerade Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für drei Tage vor Ort bei der COP 28. Er verteidigte im Ö1-"Morgenjournal" Österreichs Anstrengungen für den Klimaschutz. "Österreich investiert pro Jahr 400 bis 500 Millionen Euro weltweit für Klimaschutzmaßnahmen, vieles über die Weltbank, über die europäische Investitionsbank."

Für Greenepeace-Vertreterin Jasmin Duregger reicht das aber bei weitem nicht. Sie kritisierte, dass Deutschland pro Kopf dreimal mehr als Österreich für Klimaschutzmaßnahmen leiste. Dazu komme: "Österreich ist sicher noch kein Vorreiter beim Ausstieg aus fossiler Energie." Denn bis zu 5,7 Milliarden Euro werden jährlich als Subventionen für fossile Energie ausgeschüttet, nämlich für Pendlerpauschale, Dienstwagen etc.

Diesen Aspekt kritisiert auch die österreichische Jugendvertreterin Jasmin Lang, die eine Umkehrung der Ausgaben für Klimaschutz und jener für fossile Subventionen fordert. Derzeit fließen rund 350 Millionen Euro an österreichischem Steuergeld in Klimaschutzmaßnahmen, aber mehr als fünf Milliarden noch immer in fossile Energien: "Dieses Verhältnis muss umgedreht werden." Langfristig müssten fossile Subventionen überhaupt abgeschafft werden

Finanzminister Brunner versprach vor Ort in Dubai den langsamen Ausstieg aus fossilen Subventionen, blieb zeitlich aber vage: "Die werden wir natürlich sukzessive zurückfahren", jeder ausgegebene Steuer-Euro werde daraufhin überprüft, welche Auswirkungen er auf den "Kampf gegen den Klimawandel" habe, sagte Brunner. (red, APA, 2.12.2023)