Wolfgang Hollegha, einer der renommiertesten Vertreter der abstrakten Malerei in Österreich, feierte in 2019 seinen 90. Geburtstag.
Wolfgang Hollegha, einer der renommiertesten Vertreter der abstrakten Malerei in Österreich, starb im Alter von 94 Jahren.
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Es ist ein Blick in ein anderes Universum: Die dünn aufgetragenen Farbflecken, Tropfen und Verwischungen, finden sich auf meterhohen Leinwänden zu intensiven Verwachsungen zusammen: Schimmerndes Blau, fleckiges Gelb, spritziges Grün, kantiges Rot. Fast scheinen sie noch nicht getrocknet, fast noch im Begriff sich ihren festen Platz zu suchen. Ein paar wenige Farben reichten Wolfgang Hollegha dafür aus, Pinsel brauchte er keinen.

Viele seiner großformatigen Leinwände, die wie Fenster ins vermeintlich Unbekannte blicken, befinden sich in den Sammlungen großer Museen, darunter die Albertina, das Museum Liaunig oder das Belvedere. Ihr Erschaffer hatte maßgeblichen Einfluss auf die expressive Abstraktion in Österreich und trug diese als einer der Vorreiter in die Welt hinaus. Bis ins hohe Alter malte er unermüdlich.

1929 wurde er in Klagenfurt geboren, seine Eltern verstarben früh und er wuchs bei seiner Tante in der Steiermark auf. Nach der Matura in Graz studierte er in der Meisterklasse von Josef Dobrowsky an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Hier lernte er Malerkollegen wie Josef Mikl kennen und gründete 1956 gemeinsam mit Markus Prachensky und Arnulf Rainer die "Malergruppe St. Stephan". Diese entstand rund um die Galerie nächst St. Stephan des bedeutenden Kunstförderers Monsignore Otto Mauer, die zum bedeutenden Zentrum der österreichischen Informel avancierte.

Zahlreiche Preise und Auszeichnungen

Als der junger Maler 1958 den Guggenheim-Preis erhielt und ein Jahr später von dem US-amerikanischen Kunstkritiker Clement Greenberg zu einer Gruppenausstellung internationaler Künstlerstars der abstrakten Malerei wie Mark Rothko und Kenneth Noland New York eingeladen wurde, nahm Holleghas Karriere schnell an Fahrt auf. "Es ist wohl eine kunsthistorische Überraschung, dass Hollegha als einer der ganz wenigen europäischen Maler ein derartig selbstverständliches Naheverhältnis zur amerikanischen Malerei der Nachkriegszeit aufweist", schrieb der Kurator Günther Holler-Schuster anlässlich einer Ausstellung, die 2019 in der Galerie Welz zu Holleghas 90. Geburtstag eröffnete.

1960 hatte Hollegha seine erste Einzelschau in New York, 1964 nahm er an der Documenta III in Kassel teil, stellte zwei Mal im Guggenheim Museum aus und erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den Carnegie-Preis Pittsburgh sowie den Theodor-Körner-Preis. Doch trotz seines Erfolgs wollte Hollegha aber nicht in New York bleiben. "Ja, ich hätte erfolgreicher sein können, wäre ich in New York geblieben. Aber dort zu leben hat mich nie interessiert", sagte er später.

Wolfgang Hollegha Vernissage Wien, STRABAG Kunstforum, 04.09.2019
Wolfgang Hollegha bei einer Vernissage in Wien, im STRABAG Kunstforum im September 2019.
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Anfang der 1960er-Jahre zog er sich in einen 400 Jahre alten Bauernhof auf dem steirischen Rechberg zurück, nahe des Ortes, in dem er aufgewachsen war. Dort errichtete er sich am Waldrand ein 14 Meter hohes Sommeratelier, wo er bis zuletzt arbeitete. Hollegha brauchte die Natur um sich herum. "Wenn man durch den Wald geht, ist alles ein bisschen schief. Dieses Organische, Gewachsene, Verwortakelte inspiriert mich. Für mich ist das, was ich sehe, eine Art von Wahrheit.", erzählte er. Später wurde Hollegha Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien, unterrichtete von 1972 bis 1997 und leitete zuletzt die Meisterklasse für Malerei.

Inspiration in Gegenständen

In Holleghas Atelier standen überall kleine Schälchen voller Farbe, darin lagen Stoff-Fetzen und Bäusche: Er schüttete die Farbe langsam auf die Leinwände, wischte und tupfte sie zurecht. Der Prozess war ein überlegter und durchaus komplexer. Für jedes seiner Bilder wählte Hollegha sorgfältig acht bis zehn Farbtöne aus, das Gießen auf die Oberfläche erfolgte äußerst präzise. Die Vorbereitungen für große Werke konnte Wochen dauern.

Neben den Malutensilien befanden sich auch zahlreiche andere Objekte wie Körbe, Puppen oder Äste in seinem Atelier, die ihm als Motive galten. Trotz seiner abstrakten Formensprache, gingen all seine Bilder auf tatsächliche Gegenstände zurück. Als eine direkte Übersetzung trugen sie Titel wie "Blaue Mütze", "Eisentopf" oder "Holzstück". "Ich bin immer von der Natur ausgegangen, von dem, was ich sehe", hatte Hollegha gesagt. "Wenn ich das nicht hätte, wäre das, was ich mache, ein willkürliches Geschmiere."

In seiner einzigartigen Sprache blieb sich Hollegha stets treu, große Sprünge gab es in seinem Werk keine. Er hatte seine Form des Ausdrucks gefunden. Und übertrug das Vertraute in ein unbekanntes Universum – in sein Universum. Eigentlich war es unsere Welt, die er uns zeigte.

Am Samstag ist Wolfgang Hollegha im Alter von 94 Jahren verstorben. (Katharina Rustler, 2.12.2023)