Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP)
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) tut sich mit allen möglichen Koalitionspartnern schwer, sagt er.
AP/Lorenzo Zambello

Bozen/Innsbruck – Mehr als einen Monat nach ihrer empfindlichen Niederlage bei der Südtiroler Landtagswahl am 22. Oktober macht die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) nun langsam, aber sicher Nägel mit Köpfen. Der Parteiausschuss beschloss am Samstag mehrheitlich, ein Mitte-rechts-Bündnis mit vier weiteren Partnern zu verhandeln: den Freiheitlichen, den Fratelli d'Italia, der Lega und La Civica. Südtirol dürfte daher künftig von einer Fünferkoalition regiert werden.

Kommt es zu einem positiven Abschluss der Verhandlungen, hat das neuen Bündnis 19 von 35 Mandaten im Südtiroler Landtag und verfügt damit über eine komfortable Mehrheit. Nun würden Einladungen zu Verhandlungen ausgesprochen werden, so die SVP-Spitze. Diese sollen am Montag starten. Dabei soll dann zunächst einmal die weitere Vorgangsweise hinsichtlich des Verhandlungsprozederes bzw. technische Dinge geklärt werden, kündigten Landeshauptmann Arno Kompatscher und SVP-Obmann Philipp Achammer bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des Ausschusses am Parteisitz in Bozen an. Wann die Verhandlungen abgeschlossen sein sollten, wollten die beiden SVP-Oberen nicht sagen. Zuletzt waren Sondierungsgespräche geführt worden.

Zweckehe statt Liebeshochzeit

41 von 59 Granden im Parteiausschuss votierten nach vierstündiger Beratung auf italienischer Seite für Verhandlungen mit Fratelli d`Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Lega und La Civica. 17 votierten für eine Mitte-Links-variante mit Oartito Democratico (PD) und La Civica. Ein SVP-Spitzenproponent enthielt sich der Stimme.

Bezüglich des deutschsprachigen Partners gab es im SVP-Parteiausschuss 42 Stimmen für Koalitionsverhandlungen mit den Südtiroler Freiheitlichen. 17 SVP-Politiker sprachen sich für solche mit dem Team K aus.

Von vornherein war klar: Die "Sammelpartei" braucht somit zwei weitere Koalitionspartner, um auf eine Landtagsmehrheit zu kommen bzw. jedenfalls auch einen deutschsprachigen Partner. Ein Novum in der Südtiroler Geschichte. Zuletzt regierte man nur mit der Lega. Dass eine italienischsprachige Partei bzw. deren Proponenten in einer Landesregierung vertreten sind, ist ohnehin zwingend vorgeschrieben.

Obmann Achammer sprach nach der Sitzung von einer "Zweckehe und keiner Liebeshochzeit", sollte die Koalition zustandekommen. Der Obmann unterstrich, dass von den möglichen Partnern keine Vorbedingungen gestellt werden dürfen. Es gebe auch kein Abrücken von den Grundsätzen der SVP. Zudem bestehe noch "keine Garantie", dass die Koalition in dieser Zusammensetzung auch wirklich zustande komme.

Kompatscher erklärte, dass man sich mit allen möglichen potenziellen Partnern schwer tue. Die geplante Hereinnahme der Bürgerliste La Civica begründete der Landeschef unter anderem damit, dass diese eine "Partei der Mitte" sei.

Kritik von den Grünen

Zuletzt war es nach einer ersten Sondierungsrunde zu einer Pause bei den Gesprächen gekommen, da Fratelli d'Italia und Lega zwei Vertreter in der Landesregierung gefordert hatten. Daraufhin wurde die Frage debattiert, ob dies bei einer eventuell auf elf Mitglieder aufgestockten Regierung möglich sei, ohne auf einen Vertreter der ladinischen Sprachgruppe zu verzichten.

Dazu lagen nunmehr zwei Gutachten vor, die jeweils genau das Gegenteil aussagten. Der Unterschied lag in der Berechnungsgrundlage. Am Mittwoch sorgte die Staatsadvokatur in Trient für Klarheit: Es ist machbar.

Kompatscher stellte am Samstag klar, dass noch keine Entscheidung gefallen sei, aus wie vielen Mitgliedern die neue Landesregierung bestehen soll. Dies werde erst zusammen mit den Partnern beraten und beschlossen.

Ein "Dammbruch" sowie eine "Koalition der Verlierer" - so bewerteten indes die Grünen in Südtirol das sich abzeichnende Regierungsbündnis. "Eine Regierung mit den nationalistischen Rechtspopulisten Melonis treibt Südtirol noch weiter nach rechts als es in den letzten fünf Jahren passiert ist", kommentierten die drei Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Madeleine Rohrer und Zeno Oberkofler. Kompatscher habe es in der Hand gehabt und bewusst eine politische Richtungsentscheidung getroffen: "Mit seiner Entscheidung enttäuscht er viele Menschen, die ihn in der Hoffnung auf eine progressive, europafreundliche und wertegeleitete Koalition unterstützt haben."

SVP verlor mehr als sieben Prozent

Bei der Landtagswahl hatte die SVP eine empfindliche Niederlage erlitten und war nur noch auf 34,5 Prozent (2018: 41,9 Prozent) und 13 von 35 Mandaten im Landesparlament gekommen. Hinter der SVP den zweiten Platz eroberte das Team K, nach dem Überraschungserfolg bei der letzten Wahl. Die Gruppierung landete bei 11,1 Prozent und vier Mandaten. Einer der deutlichen Gewinner dieser Wahl war die Oppositionspartei Süd-Tiroler Freiheit. Sie kam bei 10,9 Prozent auf dem dritten Platz zu liegen (2018: 6 Prozent) und zählt damit vier statt bisher zwei Mandate.

Auch die Grünen reüssierten. Sie erreichten neun Prozent (2018: 6,8 Prozent) und konnten ihre drei Mandate halten. Fratelli d'Italia konnte deutlich zulegen, fuhr sechs Prozent der Stimmen in Südtirol einfuhr (2018: 1,7 Prozent) und kam auf zwei Mandate. Die Liste "JWA" des Coronamaßnahmen-Kritikers und ehemaligen Schützenkommandaten Jürgen Wirth Anderlan schaffte eine beachtlichen Erfolg. Sie kam auf Anhieb auf 5,9 Prozent (zwei Mandate). Die Südtiroler Freiheitlichen schnitten mit 4,9 Prozent hingegen eher enttäuschend ab. 2018 hatten sie noch 6,2 Prozent erreicht.

Die Lega, Partei von Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini, verlor deutlich und kam nur mehr auf drei Prozent bzw. ein Mandat (2018: 11,1 Prozent). Der wahrscheinliche neue SVP-Koalitionspartner La Civica kam ebenfalls auf ein Mandat bzw. 2,6 Prozent. (APA, 2.12.2023)