Abgasfackel in Böhlen brennt mit riesiger Rauchsäule
Das Verbrennen von Erdgas, Erdöl und Kohle treibt die globale Erhitzung seit Beginn der Industrialisierung an.
IMAGO/Christian Grube/ArcheoPix

Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse. Um die globale Erhitzung und damit massive Dürren, Überschwemmungen und andere Katastrophen einzudämmen, einigten sich die meisten Staaten auf das Pariser Klimaabkommen. Das heißt: weniger als 1,5 Grad Celsius dauerhafte Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Doch das verbleibende Emissionsbudget ist bald aufgebraucht.

Das zeigt nach dem kürzlich erschienenen "Emissions Gap Report" des UN-Umweltprogramms nun auch der alljährliche Bericht zum Global Carbon Budget, der am Dienstag auf der Weltklimakonferenz COP 28 präsentiert wird. Mehr als 120 Fachleute haben daran gearbeitet, österreichische Expertise floss vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien ein. Der Report wurde im Fachblatt "Earth System Science Data" veröffentlicht. "Wir laufen weiterhin in die falsche Richtung, aber jetzt langsamer", resümiert Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München, die an der Arbeit beteiligt war.

Video: COP28-Präsident, Minister und Öl-Konzernchef: Sultan Ahmed al-Dschaber.
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Die neuen Zahlen untermauern das, was der Weltklimarat IPCC in seinen großen Berichten zusammenfasst, mit aktuellen Daten. Interaktive Grafiken dazu finden sich nicht nur in diesem Artikel, sondern auch auf der Website "Global Carbon Atlas", die wie die Studie auf das Global Carbon Project zurückgeht. Der Prognose zufolge dürften 2023 insgesamt 36,8 Milliarden Tonnen CO2 aus fossilen Quellen in der Luft landen. So hoch war der Wert noch nie. Eigentlich wären es sogar 37,6 Gigatonnen (Gt), wenn Zement nicht einen kleinen Teil ausgleichen würde. Der Baustoff reagiert mit Kohlenstoffdioxid und nimmt so einen kleinen Teil auf. Die Herstellung verursacht aber ebenfalls Emissionen.

Hoffnung trotz Hochplateaus

Den größten Teil macht Kohleverbrennung aus, gefolgt von Erdöl und Erdgas. Mit den Emissionen aus der Landnutzung, also Forst- und Landwirtschaft, ergeben sich für dieses Jahr 40,9 Gt CO2, die in die Atmosphäre kommen. Seit zehn Jahren stagnieren menschengemachte CO2-Emissionen "auf einem sehr gefährlichen, sehr hohen Niveau", sagt Studienautorin Judith Hauck vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Längst müssten sie massiv sinken. Auch wenn dies keine gute Nachricht sei: Hoffnung gibt ihr die Tatsache, dass die Werte nicht weiter steigen. Die Einschätzung vor gut einem Jahr konnte geringfügig nach unten korrigiert werden.

Das Land, das die meisten fossilen Emissionen direkt verursacht, ist China. Im Vergleich zum Vorjahr sind dort die Emissionen um vier Prozent gestiegen, der globale Anstieg lag hingegen bei 1,1 Prozent. Das führen die Expertinnen und Experten auf den Aufholkurs nach der Covid-19-Pandemie zurück, die Menschen sind wieder mobiler geworden. In Indien dürfte es 2023 sogar ein Wachstum des CO2-Ausstoßes um mehr als acht Prozent geben. Mittlerweile liegen die fossilen Emissionen Indiens über denen der Europäischen Union.

Beim Pro-Kopf-Ausstoß überholte China mit acht Tonnen den EU-Durchschnitt von 6,2 t. Die Kohlenstoffemissionen in den USA sind mit knapp 15 t wesentlich höher, Indien liegt bei nur zwei Tonnen. Immerhin gelang in Europa ein Rückgang der generellen CO2-Emissionen um 7,4 Prozent, in den USA um drei Prozent.

Besonders viele Emissionen entstehen in den Tropen, vor allem beim Abholzen der Wälder. "Dass die Tropen hier dominieren, spiegelt natürlich nicht vollständig die Verantwortlichkeitsfrage wider", sagt Geografin Pongratz. Die freigemachten Flächen dienen dem Anbau von Produkten, die insbesondere in den Globalen Norden exportiert werden.

Das hat Konsequenzen für das 1,5-Grad-Ziel. Die Schwelle wird mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit schon innerhalb von sieben Jahren übertroffen, wenn das derzeitige Emissionsniveau so bleibt. Dann könnte es in 15 Jahren schon um 1,7 Grad wärmer sein als vor der Industrialisierung. Prinzipiell gab es in der Erdgeschichte immer wieder Klimaerwärmungen. Doch die derzeitige Erhitzung verläuft so rasch, dass sie für das Leben auf dem Planeten und vor allem für die menschliche Zivilisation enorme Probleme verursacht. Daran sind zum großen Teil die Treibhausgase schuld, die wir in die Luft blasen.

Darüber hinaus lieferte eine kürzlich im Fachjournal "Science" veröffentlichte Forschungsarbeit Hinweise darauf, dass auch das Gas CO2 ein potenteres Treibhausgas wird, wenn mehr davon ausgestoßen wird. Die Erhitzung kann sich auf diese Weise also selbst verstärken. Im Gegensatz dazu heizt Methan die Atmosphäre mehr als 20-mal stärker auf, hält sich aber nur etwa zwölf Jahre. Einmal ausgestoßen, bleibt Kohlenstoffdioxid hingegen auf natürliche Weise mehr als 100 Jahre lang in der Luft.

Jedes Zehntelgrad bringt gravierende Veränderungen: Warme Luft kann mehr Wasser tragen und so für stärkere Regenfälle sorgen, Hitzewellen und Dürre kommen wesentlich häufiger vor. Zudem schwächeln natürliche Kohlenstoffsenken. Ozeane und Wälder gleichen etwa die Hälfte der Emissionen aus und verhindern stärkere Erwärmung. Aber durch die Klimakrise werden sie weniger leistungsfähig: Die Landsenke wäre ohne Klimawandel um 20 Prozent größer, die Ozeansenke um sieben Prozent. Fachleute gehen zwar davon aus, dass die 1,5-Grad-Marke übertroffen wird. Gleichzeitig ist die Hoffnung groß, später durch Aufforstung und künstliche CO2-Speicherung wieder so viel Kohlenstoff einzuspeichern, dass die Erwärmung zurückgeht.

Für 2023 prognostiziert die Studie 419 ppm CO2 in der Atmosphäre.

Ein weiter Weg

Bis dahin wird es dauern: Die Technologien holen derzeit nicht einmal ein Millionstel der CO2-Emissionen aus der Luft. Hier "stehen wir quasi noch bei null", sagt Nachhaltigkeitsforscher Jan Christoph Minx vom Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, der nicht an der Studie beteiligt war. Die Methoden werden künftig aber extrem wichtig für die Klimaneutralität. Daher müsse man diesen Bereich stark vorantreiben.

Minx ist optimistisch: Wenn global die Trendwende geschafft werde, können Innovationen vieles einfacher machen. "Wir haben im Bereich der Solartechnik gesehen: Die Aufskalierungsraten haben die Modelle Jahr für Jahr überholt." Klar sei aber auch, dass CO2-Entnahmetechniken enorm teuer seien und viele Menschen dies unterschätzten. "Die günstigsten Optionen sind vor allem im Klimaschutz zu finden."

Pongratz, die die Klimakonferenz besucht, gibt zu: "Das Setting hier in Dubai ist natürlich nicht das günstigste, um große Fortschritte zu erwarten." Dennoch sei es unbedingt notwendig, den Dialog mit verschiedenen Interessenvertretungen aufrechtzuerhalten.

In der österreichischen Bevölkerung ist die Skepsis groß: Einer Umfrage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zufolge glauben 87 Prozent, dass die COP 28 keine konkreten Ergebnisse bringt. Die meisten finden, es sollte mehr Maßnahmen geben, an Tempo 100 würden sich 39 Prozent "nicht beteiligen". Genauso viele denken, dass man bei global drei Grad mehr noch gut leben könne (hier lesen Sie mehr zur Umfrage). Fachleute sehen das anders und prognostizieren: Eine solche Zukunft ginge für Milliarden Menschen mit sehr harten Lebensbedingungen und viel häufigeren Katastrophen einher. (Julia Sica, Infografik: Robin Kohrs, 5.12.2023)