Im Video wird ein Cybertruck mit Kaliber .45 ACP beschossen. Die Türen aus drei Millimeter Edelstahl halten dem Beschuss stand. Das war aber auch zu erwarten.
Tesla

Die Patronenhülsen fliegen, Mündungsfeuer blitzt auf, der Dreck spritzt: Nein, hier wird nicht der neueste Teil von "Terminator" gedreht, es handelt sich um ein Werbevideo von Tesla. Der Elektroautobauer aus den USA hat jüngst ein Faible für Waffen entwickelt.

Doch worauf wird in den Tesla-Videos eigentlich geschossen? Ziel ist das neueste Produkt des Unternehmens selbst. Mit dem Cybertruck (oder Cyberbeast in der teuersten Variante) hat man ein Fahrzeug typischen US-Zuschnitts gebaut. Und Tesla will jetzt beweisen: Unser Pick-up ist kugelsicher, deshalb gibt es Dauerfeuer aus allen Rohren.

Doch ist das Elektroauto wirklich so gut gepanzert, wie sein Hersteller behauptet? Nein, denn es handelt sich um einen potenziell tödlichen Marketingschmäh. In den Ballervideos wird mit allen Mitteln getrickst.

Spektakuläre Szenen

"Tough": Dieses Wort benutzt Elon Musk immer wieder, wenn er vom Cybertruck spricht. Zäh und ausdauernd, dieses Bild versucht der Milliardär vom Cybertruck zu vermitteln. Und wenige Fahrzeuge sind so zäh wie ein Panzer, also muss auch der Cybertruck ähnliche Eigenschaften haben. Deshalb spricht man beim Cybertruck auch nicht von einer Karosserie, sondern von einem "Exoskelett".

"Wir haben es (das Exoskelett, Anm.) zwar nicht designt, um kugelsicher zu sein, aber wenn sich herausstellt, dass es das ist, dann ist das die Kirsche auf der Torte", freut sich ein Tesla-Ingenieur in dem Werbevideo. Anschließend werden die Waffen gezeigt: Eine Glock 26 (9 mm), eine Thompson-Maschinenpistole alias "Tommygun", eine MP-5 sowie eine Schrotflinte M4 von Benelli liegen auf dem Tisch. Aus diesen Waffen wird gleich auf die Karosserie des Cybertrucks geschossen.

Cybertruck Bullet Test
1.8mm Thick Stainless Super Alloy https://www.tesla.com/cybertruck
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Wer den von Elon Musk abgehaltenen Delivery Event des Cybertrucks gesehen hat, kennt die nun folgenden Szenen schon: Ein Mann, Typ Ex-Spezialeinheit, legt mit der Tommygun an und feuert sein Stangenmagazin leer. In spektakulären Zeitlupenaufnahmen sieht man, wie die Geschoße auf den Stahl treffen und diesen verformen. Fast so, als hätte man einen Stein in einen ruhigen See geworfen. Doch das "Exoskelett" hält stand, die Projektile verformen sich und prallen ab. Zurück bleibt lediglich eine kleine Delle.

Durchschlag im Türspalt: "Das ist heftig"

"Alles intakt", freut sich der Ingenieur. Unter den Umstehenden bricht Jubel aus, als er die Tür öffnet und im Inneren des Cybertrucks keine Beschädigungen zu sehen sind. Dass ein Projektil offensichtlich durch einen Spalt zwischen der hinteren Tür und der Karosserie eingedrungen ist, wird mit "Das ist heftig" kurz kommentiert. Trotzdem: Schulterklopfen.

Die Bilder sind spektakulär. Dennoch wird zu leichtfertig mit dem Begriff "kugelsicher" umgegangen.
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Die Szene wiederholt sich: Der Schütze schießt neunmal mit der Glock auf die andere Seite des Cybertrucks. Wieder Zeitlupe, spektakuläre Abpraller, aber kein Durchschlag, nur ein kleiner Riss an jener Stelle, wo zwei Kugeln eingeschlagen haben. Der Cybertruck hält immer noch stand. Auch beim vollautomatischen Feuer aus der MP-5 ist das Ergebnis ähnlich. Kein Projektil vermochte die scheinbar unbezwingbare Hülle des Cybertrucks zu durchdringen, so zumindest der Grundton des Videos. Anschließend folgt noch Beschuss aus der Schrotflinte, wieder Zeitlupe, Abpraller und ein begeisterter Ingenieur.

Trickserei im Beschusstest

Natürlich handelt es sich um ein Werbevideo, das nach einem Test unter Livebedingungen aussehen soll. Dass in der Werbung geflunkert wird, ist auch nicht neu. Schließlich hat Elon Musk selbst den Cybertruck als sportlicher als jeden Sportwagen und stabiler als jeden anderen Truck beworben.

Doch die Behauptung, der Cybertruck halte selbst Dauerfeuer stand, ist Unsinn und kann im Extremfall Leben kosten. Denn was in dem Video nicht dazugesagt wird: Die verwendeten Waffen und die aus ihnen verschossene Munition können gar keinen dickwandigen Edelstahl durchdringen, dafür sind sie auch nicht gemacht.

Eine Thompson-Maschinenpistole wird mit .45 ACP geladen. Dabei handelt es sich um ein relativ großes und schweres Kaliber, aber die Patrone selbst hat nur eine vergleichsweise geringe Treibladung. Dem Geschoß wird eine gute Mannstoppwirkung nachgesagt, es verfügt aber über keine besonders hohe Durchschlagskraft. Kurz: Dass der bis zu drei Millimeter dicke Edelstahl des Cybertrucks nicht durchschlagen wird, war von vornherein anzunehmen.

Leichtere Munition als üblich

Ähnliches gilt für die 9-mm-Munition, die aus der Glock und der MP-5 abgefeuert wird: Das Geschoß aus der 9x19 (oder 9 mm Para oder Luger) ist zwar etwas schneller als jenes aus der Tommygun und hat damit eine geringfügig höhere Aufprallenergie, ist aber auch nicht gemacht, um Stahl zu durchschlagen. Außerdem hat Tesla getrickst: Üblicherweise wird bei 9-mm-Munition ein Geschoßgewicht von 124 Grains (also etwa 8,03 Gramm) verwendet. Im Video kommt aber leichtere Munition mit 115 Grains, also 7,45 Gramm, zum Einsatz.

"Wenn er vollständig gehärtet ist, sind drei Millimeter Edelstahl 301 mehr als ausreichend, um jedes 9-mm-Luger-Geschoß zu stoppen, das ich mir vorstellen kann. Abgesehen von exotischen Dingen wie speziellen panzerbrechenden Geschoßen, die man nicht in Waffengeschäften finden wird", sagte Iain Harrison, Chefredakteur des Waffenmagazins "Recoil" sowie ehemaliger Offizier der britischen Armee.

Auch die Schrotflintenmunition ist nicht gemacht, um gegen Fahrzeuge eingesetzt zu werden: Eigentlich handelt es sich dabei um Jagdmunition für größeres Wild, dass man damit einen Cybertruck "erlegt", war von vornherein ausgeschlossen.

Kaliber sagt zu wenig aus

Dazu kommt, dass stärkere Patronen wie 5,56 × 45 mm Nato oder übliche Jagdgewehrmunition im Kaliber .308 keinerlei Schwierigkeiten haben dürften, die "Panzerung" des Cybertrucks zu durchschlagen. Das liegt an der deutlich höheren Geschoßenergie. Landläufig wird gerne das Kaliber herangezogen, wenn man Munition vergleichen will. Dabei handelt es sich aber nur um den Durchmesser des Geschoßes selbst. Faktoren wie die Länge der Patrone oder die Menge der Treibladung und Geschoßgewicht werden dabei noch nicht berücksichtigt. So mag eine 9-mm-Patrone zwar ein deutlich höheres Kaliber haben als 5,56-mm-Munition, Geschoßenergie und Durchschlagskraft sind bei Letzterer aber ungleich höher.

Die Vermarktung als "kugelsicher" müsste also eher so lauten: Der Cybertruck ist gegen Beschuss geschützt, wenn 9 mm oder schwächere Munition eingesetzt wird und nur die Türen selbst und nicht die Fenster beschossen werden. Selbst Elon Musk scheint mittlerweile zurückzurudern und redet nicht mehr vom insgesamt kugelsicheren Cybertruck. Jüngst schränkte der Milliardär ein, dass nur die Seitenteile aus Stahl vor Beschuss geschützt seien. Eine spätere Version werde dann auch zumindest eine kugelsichere Windschutzscheibe haben, hieß es.

In dem Beschusstest sind übrigens auch keine Fenster zu sehen. Diese werden zwar nachher noch als intakt präsentiert. Aber dass auch sie kugelsicher sind, davon ist nicht mehr Rede. Oder, anders formuliert: Ein paar Zentimeter höher gezielt, und die Passagiere wären jetzt tot. (Peter Zellinger, 9.12.2023)