Ende 2006 kündigte sich in der Erdatmosphäre eine besorgniserregende Trendumkehr an. Nach Jahren der scheinbaren Stabilisierung stieg die Konzentration des starken Treibhausgases Methan plötzlich wieder stark an – weshalb, war zunächst unklar. In den Folgejahren und bis heute ist eine weitere Beschleunigung des Methanzuwachses in der Luft zu beobachten, und inzwischen sieht es ganz danach aus, als wären biologische Quellen dafür verantwortlich. "Das ist keine gute Nachricht", sagt der britische Atmosphärenwissenschafter Euan Nisbet, der seit Jahrzehnten zu Methan forscht.

Sumpf, Feuchtgebiete, Tropen
Mehr Niederschläge und steigende Temperaturen beschleunigen Wachstum und Abbauprozesse in tropischen Feuchtgebieten – und kurbeln die Methanproduktion an.
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Methan (CH4) verschwindet zwar viel schneller wieder aus der Atmosphäre, weshalb es auf lange Sicht eine weitaus geringere Rolle bei der Erderhitzung spielt als CO2. Kurzfristig ist es allerdings erheblich klimaschädlicher. Etwa 45 Prozent der bisherigen Erderwärmung von 1,11 Grad Celsius seit Beginn des industriellen Zeitalters gehen auf das Konto von Methan.

Scheinbare Stabilisierung

Im 19. und 20. Jahrhundert hatte vor allem die fossile Industrie den Methanausstoß massiv angekurbelt: Von etwa 700 Methanteilchen pro Milliarde Luftmoleküle (ppb) vor Beginn des industriellen Zeitalters war der Methananteil bis Ende der 1980er-Jahre schon auf 1700 ppb gestiegen. Auch Landwirtschaft und Mülldeponien entwickelten sich zu erheblichen Methanemittenten und ließen die atmosphärische Konzentration weiter steigen.

Rund um die Jahrtausendwende schien sich die Wachstumskurve jedoch abzuflachen, die Konzentration des Gases schien sich zu stabilisieren – auf sehr hohem Niveau zwar, aber immerhin. "Es sah so aus, als wäre ein Gleichgewicht zwischen Methanquellen und Methansenken erreicht worden", sagt Nisbet. Doch seit Ende 2006 steigen die Emissionen wieder schnell, heute liegt die Methankonzentration schon bei rund 1920 ppm.

Methan entsteht überall, wo Biomasse unter Luftabschluss verrottet. Freigesetzt wird es sowohl durch natürliche Prozesse als auch durch menschliche Aktivitäten. Das Gas entweicht etwa aus Sümpfen, Feuchtgebieten und tauenden Permafrostböden. Noch stärker fallen aber die Landwirtschaft, die Nutzung fossiler Brennstoffe und Mülldeponien ins Gewicht.

Tropen als Treiber

Woher das viele zusätzliche Methan seit 2006 kommt, wird durch Isotopenanalysen erforscht. Methan besteht aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen. Die Signatur des Kohlenstoffatoms kann Aufschluss über die Emissionsquelle geben: Methan aus fossilen Brennstoffen hat einen höheren Anteil des Kohlenstoffisotops C-13, während Emissionen aus biologischen Abbauprozessen reicher an "leichterem" C-12 sind.

Sumpf, Wasserpflanzen
Hotspots der beschleunigten Methanemissionen liegen in Afrika und Südamerika.
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Die Messungen seit 2006 deuten auf einen Umbruch hin. Zwar lässt sich weiterhin auch ein Anstieg durch die fossile Industrie feststellen, doch ein viel größerer Teil des zusätzlichen Ausstoßes von Methan stammt nun aus biologischen Quellen. Viehwirtschaft und wachsende Mülldeponien allein können den Anstieg aber nicht erklären, sagt Nisbet. Ein erheblicher Teil kommt offenbar aus der Natur: aus Feuchtgebieten, Mooren und Sümpfen.

Die Hotspots liegen in den Tropen, vor allem in Afrika, erklärt der Wissenschafter. "Es ist zu befürchten, dass wir bereits gefährliche Rückkopplungseffekte sehen. Durch den Klimawandel kommt es immer öfter zu Überflutungen, es wird wärmer und feuchter, Pflanzenwachstum und biologische Abbauprozesse beschleunigen sich, und die Methanbildung läuft aus dem Ruder." Auch aus den borealen Nadelwäldern Kanadas und Sibiriens sei bereits zunehmender Methanausstoß zu verzeichnen.

Könnte sich das zu einem galoppierenden Effekt entwickeln? Das ist in der Erdgeschichte immer wieder vorgekommen: am Ende von Eiszeiten. In einer kürzlich im Fachblatt Global Biochemical Cycles erschienen Studie verglich ein Forschungsteam um Nisbet solche vergangenen Ereignisse mit den aktuellen atmosphärischen Entwicklungen. Nach jeder Eiszeit erwärmte sich die Erdoberfläche innerhalb einiger Jahrtausende um mehrere Grad Celsius.

Eiszeitliche Vergleiche

Häufig setzte erst eine schleichende Erwärmung, dann eine abrupte Phase des extrem schnellen Klimawandels ein, gefolgt von einem langen Zeitraum, in dem schließlich die großen Eismassen abschmolzen, sagt Nisbet. "Während der abrupten Phasen kam es zu einem plötzlichen, starken Anstieg der Methankonzentration in der Atmosphäre. Das Abschmelzen des Eises dauerte Jahrtausende, aber die Veränderungen in der Atmosphäre oft nur Jahrzehnte."

Sumpf, Vogel, Tropen
Auch am Ende der Eiszeiten kurbelten die Tropen die Methankonzentration in der Atmosphäre stark an.
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Nachvollziehen lässt sich das mithilfe eingeschlossener Luftbläschen in uralten Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis. Diese Klimaarchive erlauben Rückblicke weit in die atmosphärische Vergangenheit, die Entwicklungen lassen sich auch sehr genau datieren. Zuletzt, so zeigen die Bohrkerne, setzte eine abrupte Wärmephase mit rapidem Methananstieg über mehrere Jahrzehnte am Ende der letzten Kaltzeit vor rund 11.700 Jahren ein. "Das passierte durch die Ausdehnung tropischer Feuchtgebiete", sagt Nisbet. "Wenn wir uns jetzt die heutige Situation ansehen und mit den Archivdaten dieser historischen Ereignisse vergleichen, sind die Parallelen erschreckend – und die Unterschiede noch erschreckender."

Drohender Kipppunkt

Am Ende jeder Eiszeit kam es zu enormen Umbrüchen im gesamten Klimasystem, die den Planeten in eine Warmzeit überführten. "Heute befinden wir uns aber bereits in einer Warmzeit", sagt Nisbet. Die Klimaveränderungen sind längst unübersehbar: Die atlantischen Meeresströmungen verlangsamen sich, die Tropen weiten sich aus, der hohe Norden und der Süden erwärmen sich rasant, die Erwärmung der Ozeane bricht Rekorde, Extremwetterlagen nehmen zu.

Die Methankonzentration am Ende der letzten Eiszeit verdoppelte sich binnen Dekaden auf 700 ppb. Heute nähern wir uns dem Wert von 2000 ppb. "Es ist möglich, dass ein Kippereignis bereits stattgefunden hat oder im Gange ist, aber es ist auch sehr wichtig zu sagen: Wir wissen es nicht", sagt Nisbet. "Methan ist so etwas wie Atem des Planeten. Es ist eine Art Stellvertreter für den Zustand der gesamten Biosphäre und des Wettersystems, es sendet uns ein Signal. Das Problem ist, dass wir dieses Signal noch immer nicht ganz verstehen." (David Rennert, 9.12.2023)