Baustelle in Wien.
Das hohe Zinsniveau setzt vor allem der Bauwirtschaft zu. Können Entwickler ihre Kredite nicht mehr bedienen, sind auch Banken betroffen.
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Österreichs Finanzmarkt steht aus Sicht der Finanzmarktaufsicht (FMA) vor "beträchtlichen Herausforderungen". Man habe die multiplen Schocks der vergangenen Jahre zwar gut bewältigt, doch nun bahnten sich mehrere Bedrohungen gleichzeitig an, heißt es in einer aktuellen Risikoanalyse. Das betrifft nicht nur, aber vor allem den österreichischen Immobilienmarkt, der wegen der höheren Zinsen unter Druck kommt. Aufgrund der starken Kreditfinanzierung des Sektors schlägt das Risiko zunehmend auch auf die Banken durch.

Keine akute Bedrohung sieht die Aufsicht durch den ins Straucheln geratenen Immobilienkonzern Signa. Man habe "frühzeitig" reagiert und in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) das "Klumpenrisiko" bei den österreichischen Banken deutlich reduziert, erklärte FMA-Vorstand Helmut Ettl. Das Risiko sei mittlerweile auf unterschiedliche europäische Staaten verteilt. "In Österreich müssen keine großen Korrekturen mehr vorgenommen wurden. Das ist stemmbar."

Risiken durch Immobilienmarkt

Insgesamt bleiben die Risiken für die österreichischen Banken durch den Immobilienmarkt groß. "Das zeigen die nackten Zahlen", sagte der zweite FMA-Vorstand Eduard Müller. Die Hypothekarkredite – also jene Kredite, die mit Immobilien besichert sind – betragen in Österreich insgesamt rund 300 Milliarden Euro. Das sind 28 Prozent der Bilanzsumme der österreichischen Banken.

Das Problem: Ein großer Teil dieser Kredite ist variabel verzinst. Bei den Gewerbeimmobilien betrifft das 85 Prozent. Können die Kreditnehmer aufgrund der höheren Zinsen ihre Raten nicht mehr stemmen, droht ein Kreditausfall. Zwar können die Banken für gewöhnlich auf die Immobilien zugreifen. Weil deren Wert derzeit sinkt, besteht aber ein "Verwertungsrisiko".

Aufgrund der angespannten Marktlage fordert die FMA die Banken nun zu einem "proaktiven Risikomanagement" auf. Laut Ettl sollen die österreichischen Institute bei der Ausschüttung der im vergangenen Jahr hohen Gewinne zudem "besonnen" vorgehen und das Geld stattdessen in den eigenen Kapitalstock investieren.

Kein Rütteln an Vergabekriterien

Im Bereich private Immobilien verteidigt die FMA einmal mehr die strengeren Vergaberichtlinien für Wohnbaukredite. Zur Erinnerung: Die KIM-Verordnung, die seit Sommer 2022 in Kraft ist, sieht eine Beleihungsquote von 90 Prozent vor, was einer Eigenkapitalquote von rund 20 Prozent entspricht. Die Kreditrate darf zudem nicht mehr als 40 Prozent des monatlich verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen, die Laufzeit 35 Jahre nicht übersteigen.

Die strengen Vorschriften brauche es, um dem Finanzmarkt Stabilität zu verleihen und systemische Risiken zu vermeiden. Kurz: um die Ausfallswahrscheinlichkeit von Krediten zu senken. Österreichische Immobilien waren laut den Daten der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren deutlich überbewertet (siehe Grafik unten).

Zwar sei die Überbewertung am österreichischen Immobilienmarkt bereits zurückgegangen, das Risiko sei aber noch nicht gebannt. "Wenn man sich die Statistiken ansieht, muss man nicht mehr über die Notwendigkeit solcher Maßnahmen diskutieren", sagte Müller.

Zudem sei der Rückgang bei den Kreditvergaben nicht auf die strengeren Vergaberichtlinien zurückzuführen, sondern schlicht auf die höheren Zinsen. Das lasse sich etwa daraus ableiten, dass der Rückgang der Neukreditvergabe in Österreich, Deutschland und der gesamten Eurozone parallel verläuft. Zudem schöpft jede zweite Bank ihre Ausnahmekontingente nicht aus.

Insgesamt hat sich Österreichs Finanzmarkt laut Ettl trotz der Risikolage als "stabil und krisenfest" bewährt. Nun kommen aber mehrere Herausforderungen gleichzeitig ins Spiel. Neben den höheren Zinsen sind das etwa die Umbrüche durch die Klimakrise und den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz. (Jakob Pflügl, 6.12.2023)