Wenig Freude soll FPÖ-Chef Herbert Kickl zuletzt mit geplanten und getätigten Auslandsreisen des Mandatars Axel Kassegger gehabt haben.
APA/EVA MANHART

Seit Monaten bereitet die FPÖ ihr "Projekt Volkskanzler", das den Freiheitlichen im kommenden Jahr den Weg zum Wahlsieg und ins Kanzleramt ebnen soll, akribisch hinter den Kulissen vor. Auf dem Weg zur blauen Machtergreifung überlässt die Partei – die in der Vergangenheit spätestens in Regierungsverantwortung immer über sich selbst gestolpert war – diesmal wirklich nichts dem Zufall.

Wie sehr die blauen Vorbereitungsarbeiten im Hinblick auf die Nationalratswahl bereits bis ins kleinste Detail laufen, zeigt auch eine Mail, die unlängst an alle blauen Landesparteien und Vorfeldorganisationen ergangen sein soll und die dem STANDARD vorliegt.

"Liebe Freunde! Im Auftrag von BPO KO (Bundesparteiobmann Klubobmann, Anm.) Herbert Kickl darf ich Euch folgende Information zukommen lassen", heißt es darin einleitend. "Angesichts der nahenden Nationalratswahl ist es zur Abstimmung erforderlich, dass wir eine zentrale Übersicht über sämtliche Auslandsreisen unserer Abgeordneten und Funktionäre (inklusive Kontakte und Zweck der Reisen) haben", ist darin zu lesen.

Abgeordnete und Funktionäre in Bund und Ländern müssen demnach geplante Auslandsreisen künftig gegenüber der Abgeordneten Susanne Fürst, Sprecherin für Außen- und Neutralitätspolitik, offenlegen. Diese sei laut Mail damit beauftragt worden, "als Schlüsselstelle für die Koordination und Pflege der Auslandskontakte unserer Partei zu fungieren". Deshalb werden Abgeordnete und Funktionäre dazu angehalten, Fürst "über etwaige Auslandsreisen vorab mit Mail zu informieren".

Mission mit Nachspiel

Vor dem Hintergrund, dass Reisen der FPÖ in der Vergangenheit oftmals für Aufsehen gesorgt und mitunter auch diplomatische Eklats produziert hatten, kommt diese blaue Order wohl nicht von ungefähr. Hört man sich in der Partei um, ist immer wieder von zwei aktuellen Anlässen zu hören, weshalb Kickl künftig einen Überblick über sämtliche Reiseaktivitäten seiner Abgeordneten und Funktionäre haben will – um diese gegebenenfalls rechtzeitig verhindern zu können. In beiden Anlassfällen spielt der blaue Nationalratsabgeordnete Axel Kassegger eine zentrale Rolle.

Zum einen wäre da die Taliban-Mission. Erst Ende September hatte die Reise früherer FPÖ-Politiker zu den terroristischen Taliban für Empörung gesorgt. Die ehemaligen Abgeordneten Andreas Mölzer und Johannes Hübner hatten sich damals nach Afghanistan begeben, um hochrangige Vertreter der terroristischen Taliban zu treffen.

Die FPÖ distanzierte sich prompt von der Visite. Kickl zeigte sich erbost und nannte den Besuch bei den Taliban "eine unglaubliche Dummheit". Außerdem stellte er einen Parteiausschluss der beiden in den Raum – zu einem solchen ist es dem Vernehmen nach bislang aber nicht gekommen. Auf eine entsprechende Frage des STANDARD hin verweist die FPÖ-Pressestelle lediglich darauf, dass es ein Gespräch zwischen Kickl und Hübner gegeben habe.

Nicht ohne Konsequenzen blieb die Mission für Kassegger. Der aktive Mandatar hatte ursprünglich ebenfalls geplant, an der Reise teilzunehmen. Als das publik wurde, musste er auf Druck der Parteispitze seine Rolle als außenpolitischer Sprecher abgeben. Kassegger sprach im Nachhinein davon, dass die geplante Reise nach Afghanistan "ein riesengroßer Fehler von mir" gewesen sei. Als seine Nachfolgerin in der Sprecherrolle wurde Ende Oktober schließlich Fürst gewählt, die nun ein Auge auf alle Auslandsreisen haben soll.

Abgeordnete und Funktionäre müssen künftig die Mandatarin Susanne Fürst über geplante Auslandsreisen vorab informieren.
imago images/SEPA.Media

Zum anderen soll Kassegger außerdem erst vor wenigen Wochen als Präsident des Freiheitlichen Bildungsinstituts – er war Kickl im Herbst 2021 in dieser Funktion nachfolgt – nach Afrika gereist sein, übrigens nicht zum ersten Mal. Eine Anfrage des STANDARD, wohin es genau ging und wen er dort getroffen hat, ließ Kassegger unbeantwortet.

Dass Vertreterinnen und Vertreter des Freiheitlichen Bildungsinstituts ins Ausland reisen, ist an sich nichts Ungewöhnliches – "internationale Bildungsarbeit" gehört zu den Aufgaben der Parteiakademie. Dem Vernehmen nach soll die unlängst unternommene Reise nach Afrika aber nicht mit der Parteispitze akkordiert gewesen sein und diese – aus welchen Gründen, war nicht in Erfahrung zu bringen – keine Freude damit gehabt haben.

FPÖ eine "Kontrollpartei"

Manchen Vertreterinnen und Vertretern der FPÖ schmeckt die jüngste blaue Order in Sachen Auslandsreisen jedenfalls gar nicht. Sowohl im Bund als auch in den Ländern gibt es Stimmen, die sich eine gewisse Autonomie bewahren wollen. Sie haben nun das Gefühl, um Erlaubnis fragen beziehungsweise um Genehmigung ansuchen zu müssen, wenn sie ins Ausland reisen wollen.

Ein Blauer meint gar, dass die FPÖ immer mehr "zur Überwachungs- und Kontrollpartei" werde. Als Beispiel dafür nennt er im STANDARD-Gespräch auch eine Regelung, die Teil der Compliance-Richtlinien ist, die im Sommer 2022 präsentiert wurden und seit Jahresbeginn in Kraft sind. Demnach müssen alle Mitglieder der Bundesparteileitung sämtliche Vereinsmitgliedschaften offenlegen. "Die Partei will nun sogar wissen, wenn man Mitglied in einem Schachklub, Minigolfverein oder im Fitnesscenter ist", moniert er.

Ein mit der Ausarbeitung der Compliance-Richtlinien befasster Freiheitlicher erklärt diese Regelung auf Nachfrage des STANDARD damit, dass in der Vergangenheit "Mitgliedschaften in manchen Vereinen nicht ganz unumstritten waren" und auch "immer wieder zu Problemen geführt" hätten. Deshalb wolle man eben einen Überblick haben, wer in welchem Verein Mitglied ist. (Sandra Schieder, 12.12.2023)