Die Meldung ist inhaltlich knapp gehalten, birgt aber das Potenzial für bahnbrechende Entwicklungen: Die steirische Raiffeisenlandesbank (RLB), so war in einer Ankündigung zu lesen, möchte sich im kommenden Jahr "für einen Ausbau des öffentlich zugänglichen und niederschwelligen lokalen medizinischen Angebots engagieren".

Pläne wie diese befeuern Ängste, wie sie derzeit die Ärztekammer lautstark anspricht. Eben warnte die Standesvertretung in einer Resolution vor der "Ökonomisierung" der medizinischen Versorgung: Die Gesundheitsreform der türkis-grünen Regierung, die diese Woche im Nationalrat beschlossen werden soll, öffne internationalen Konzernen die Tore.

Ist das Raiffeisen-Engagement ein Vorbote? Wie der Privatkonzern genau in den Gesundheitsmarkt einsteigen will, bleibt auch nach einer STANDARD-Anfrage vage. Man sei noch in der Planungsphase, heißt es, Varianten würden ausgelotet, Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Die Rede ist vom Aufbau von "Gesundheitszentren" wie Primärversorgungseinrichtungen (PVE): Diese multidisziplinären Institutionen beherbergen neben Allgemeinmedizinern weitere Angebote – etwa Gesundheits- und Krankenpflege, Physio- und Psychotherapie, Sozialarbeit und Geburtshilfe.

Wo Patientinnen und Patienten behandelt werden sollen, ist politisch hochumstritten: Die Ärztekammer warnt davor, dass gewinnorientierte Konzerne künftig leichter Ambulatorien gründen können.
PremiQaMed Group/Johannes Zinner

Auch der steirische Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) weiß noch nichts Konkretes. Zumindest sei mit Vertretern der Raiffeisenlandesbank bereits ein Gesprächstermin vereinbart, "da diese ein aktiver Partner bei der Realisierung von Gesundheitszentren in den Regionen sein will". Es solle ein Weg gefunden werden, wie private Investoren à la Raiffeisen eingebunden werden könnten.

Er rätsle ebenfalls über die Vorhaben, sagt der steirische Ärztekammerpräsident Michael Sacherer: "Wir wissen nicht, was Raiffeisen konkret will. Es gab bisher keine Gespräche. Immobilien für Ärztezentren zur Verfügung stellen kann jeder, der über geeignete Immobilien verfügt. Das ist nichts Neues."

Doch darüber hinaus gebe es Grenzen, merkt Sacherer an und verweist auf ein Posting von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) auf X, vormals Twitter. Als die Raiffeisen-Pläne bekannt wurden, stellte der Regierungsvertreter klar: Nur Angehörige von Gesundheitsberufen dürften PVEs gründen – Konzerne gehören nicht dazu.

Man wolle sich natürlich an die Gesetze halten, versicherte Raiffeisen in der Folge via Austria Presse Agentur: Es gehe um die Unterstützung von PVEs, nicht um deren Gründung.

Einfallstor für Heuschrecken?

Womöglich findet Raiffeisen aber noch andere Einstiegsmöglichkeiten. Denn einen Weg räumt die Gesundheitsreform tatsächlich frei. Weil die Ärztekammer ihre bisherigen Einspruchsrechte verliert, können nicht nur die Gesundheitskasse (ÖGK), sondern auch private Betreiber künftig leichter Ambulatorien gründen, um dort Ärzte mit Krankenkassenvertrag arbeiten zu lassen.

Der Ausbau dieser Art bettenloser Krankenanstalten soll laut dem Kalkül der Reform helfen, Versorgungslücken zu schließen und den Ärztemangel zu bekämpfen. Denn junge Mediziner arbeiten oft lieber als Angestellte im Team statt als Einzelunternehmer in der eigenen Ordination. Bislang, so die Kritik, seien derartige Alternativen oft am Veto der Kammer gescheitert, die eingesessene Ordinationsinhaber vor neuer Konkurrenz schützen wolle.

Die Standesvertreter hingegen sehen genau da das Einfallstor für "Heuschrecken" im Gesundheitssystem. Freiberufliche Ärztinnen und Ärzte drohten vom Markt verdrängt zu werden, "weil sie mit der Kapitalkraft der Konzerne nicht mithalten können", argumentiert Generalsekretär Thomas Holzgruber. Außerdem drohe eine schlechtere Versorgung: Patientinnen und Patienten könnten künftig gewisse Leistungen vorenthalten werden, weil diese für die profitorientierten Betreiber keinen Gewinn brächten.

Unverständnis für Kritik

Bei Verteidigern der Gesundheitsreform stößt diese Argumentation auf Kopfschütteln. Sie verweisen auf einen Passus im Gesetz, wonach PVEs, Gruppenpraxen und Einzelordinationen beim Ausbau Vorrang haben. Außerdem sei die Verdrängungsangst auch deshalb unbegründet, weil Verträge für Kassenärzte nur nach einer Bedarfsprüfung vergeben werden.

So viele offene Stellen habe man nicht zu verteilen, dass sich ein Einstieg für große Konzerne im kleinen Österreich rechnen würde, heißt es aus der Zentrale der für die ärztliche Versorgung außerhalb der Spitäler zuständigen ÖGK. Und habe nicht gerade die Kammer immer wieder beklagt, wie mickrig ärztliche Leistungen in den Kassenverträgen abgegolten würden?

Für Qualitätssicherung sei ohnedies gesorgt: Die ÖGK habe selbst das größte Interesse daran, Kassenverträge nur an vertrauenswürdige Partner zu vergeben, die umfassende Versorgung garantieren. Schließlich werde die Kasse als Erste für Mängel verantwortlich gemacht.

Keine Kooperation mit Raiffeisen

Josef Harb, als Chef der steirischen Filiale der ÖGK von den Raiffeisen-Plänen womöglich unmittelbar betroffen, legt noch ein Stück nach. Mit seiner Seite habe von der Bank noch niemand gesprochen, auch ihm fehlten folglich die Informationen, schickt er voraus: "Meine erste Interpretation war, dass Raiffeisen versucht, freiwerdende Immobilien nutzbringend anzubringen." Möglicherweise stecke aber auch mehr dahinter, und der Konzern wolle in der Gesundheitsversorgung "einen Fuß in die Tür setzen und den Weg für eine Privatisierung auch österreichweit aufmachen".

Doch eines könne er bereits jetzt, ehe sich die Nebel gelichtet haben, garantieren, fügt Harb an: "In der ÖAK hat niemand ein Interesse, mit Raiffeisen zu kooperieren, das ist nicht unser Partner." Es entspreche nicht dem öffentlichen Anspruch, mit potenziellen Immobilieninvestoren Gesundheitseinrichtungen zu betreiben: "Mit uns wird es eine Privatisierung nicht so schnell geben."

Eines wolle er zu den Warnungen vor einer Ökonomisierung aber schon noch anmerken: Wenn die Ärztekammer vor Heuschrecken warne, dürfe man nicht vergessen, "dass auch unter den Ärzten eine Gewinnorientierung nicht ganz fremd ist". (Walter Müller, Gerald John, 7.12.2023)