Zug
Der Ausstand im Personenverkehr soll 24 Stunden dauern.
AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Berlin – Reisende und Pendler in Deutschland müssen sich auf den heuer mittlerweile vierten Warnstreik bei der Bahn einstellen: Die Lokführergewerkschaft GDL hat ihre Mitglieder aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Ein Warnstreik auf der Schiene in Deutschland hat bundesweit begonnen. Seit Donnerstagabend, 22.00 Uhr, wird der Personenverkehr der Deutschen Bahn bestreikt, wie ein Bahn-Sprecher auf Anfrage bestätigte. Die Lokführergewerkschaft GDL hat ihre Mitglieder aufgerufen, bis Freitagabend, 22.00 Uhr, die Arbeit niederzulegen. Im Güterverkehr hatte der Ausstand bereits um 18.00 Uhr begonnen.

ÖBB-Züge, die über das Deutsche Eck, also von Salzburg weiter nach Tirol oder Vorarlberg fahren, sind nicht betroffen, sagte ein ÖBB-Sprecher auf APA-Anfrage. Fernzüge nach München oder Frankfurt fahren nur bis Salzburg beziehungsweise Passau. Westbahn-Züge bis München verkehren.

Lokführer führen Ausstand durch

Dass der Verkehr übers Deutsche Eck wie auch der Nahverkehr im Grenzgebiet bei Salzburg und Tirol aufrechterhalten bleibt, liegt diesmal daran, dass nicht die Infrastruktur der Deutschen Bahn bestreikt wird, sondern allein die Lokführer einen Ausstand durchführen, erläuterte der ÖBB-Sprecher. Beim Fernverkehr werden die Austro-Lokführer allerdings in Salzburg beziehungsweise Passau von deutschen Kollegen abgelöst – normalerweise, nicht aber bei Streik. Züge der mehrheitlich privaten Westbahn, die im Streikzeitraum nach München fahren, sind laut Unternehmensangaben nicht vom Ausstand der deutscher Lokführer betroffen.

Beeinträchtigungen werden von der Deutschen Bahn schon vor Beginn des Warnstreiks erwartet, ebenso danach. Während des Ausstands gilt ein Notfahrplan mit stark reduziertem Angebot. "In den Auskunftsmedien auf bahn.de und in der App DB Navigator sind ab sofort alle Verbindungen des Notfahrplans abrufbar", teilte der deutsche Konzern mit. Zudem habe die Deutsche Bahn erneut eine Streikrufnummer eingerichtet. Unter 08000-996633 könnten sich betroffene Fahrgäste über ihre Verbindungen informieren.

Zugbindung aufgehoben

Der Ausstand am reisestarken Freitag durchkreuzt die Pläne tausender Fahrgäste. Sie können ihre für diesen Donnerstag oder Freitag geplante Reise verschieben und ihre Fahrkarte zu einem anderen Zeitpunkt nutzen. Die Zugbindung sei aufgehoben, teilte die Bahn mit. Reservierungen könnten kostenfrei storniert werden.

Zum Warnstreik aufgerufen sind die Beschäftigten der Deutschen Bahn einschließlich der S-Bahn-Betriebe in Berlin und Hamburg sowie der Eisenbahnunternehmen Transdev, AKN und City-Bahn Chemnitz sowie weiterer Unternehmen. Im Güterverkehr soll der Streik laut Mitteilung bereits um 18 Uhr am Donnerstagabend beginnen.

Die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer will mit der Aktion den Druck in der laufenden Tarifrunde erhöhen. Sie will so unter anderem der Forderung nach einer Arbeitszeitsenkung für Schichtarbeiter Nachdruck verleihen. "Die Arbeitgeberseite mauert allerorten und ist nicht bereit, den Beschäftigten die ihnen zustehende Wertschätzung und Anerkennung für die geleistete Arbeit zukommen zu lassen", kritisierte die Gewerkschaft.

Keine weiteren Warnstreiks bis 7. Jänner

Zumindest in einem Punkt können die Fahrgäste aber aufatmen: Bis 7. Jänner soll es keine weiteren Warnstreiks geben, die reisestarken Feiertage bleiben vom Arbeitskampf verschont. "Wir werden jetzt diese Streikaktion am Donnerstag und Freitag durchführen, und es ist für dieses Jahr die letzte", sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Mittwochabend gegenüber MDR. "Anschließend kommt die Urabstimmung und die Auszählung am 19. Dezember. Und es wird keine Arbeitskampfaktionen mehr geben, auch in der ersten Januarwoche nicht."

Der Zeitpunkt der Warnstreikankündigung am Mittwochabend stieß auf Unmut beim Fahrgastverband Pro Bahn. "Was wir kritisieren, ist die Kurzfristigkeit. Wir möchten, dass zwei Tage vorher bekanntgegeben wird, wann gestreikt wird, damit sich der Fahrgast darauf einstellen kann", sagte der Bundesvorsitzende Detlef Neuß.

Proteste in mehreren Städten

Proteste der Streikenden sind in Frankfurt, Köln und München geplant. Für ihre Forderungen starkmachen wollen sich GDL-Mitglieder außerdem in Potsdam, am Tagungsort der laufenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder. Für die Bahn gelte dasselbe wie für den öffentlichen Dienst, sagte Ulrich Silberbach, der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes. "Wer qualifizierte Fachkräfte gewinnen und halten will, muss attraktive und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen anbieten."

Die Deutsche Bahn kritisierte, die GDL vermiese Millionen unbeteiligten Menschen das zweite Adventwochenende. Ein Streik so kurz nach dem Wintereinbruch und so kurz vor dem Fahrplanwechsel sei verantwortungslos und egoistisch, hatte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler kritisiert. "Anstatt zu verhandeln und sich der Wirklichkeit zu stellen, streikt die Lokführergewerkschaft für unerfüllbare Forderungen. Das ist absolut unnötig."

Zuletzt hatte die GDL bei der Bahn am 15. und 16. November zum Warnstreik aufgerufen. Im März und April hatte die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) jeweils einen Tag lang zu Warnstreiks aufgerufen. In der ungewöhnlich hart geführten Tarifrunde der Lokführer läuft bereits auch eine Urabstimmung über unbefristete Streiks. (APA, 7.12.2023)