Fatou Diome
Stimme gegen die Einsamkeit: Fatou Diome.
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Sie ist eine wichtige Vertreterin der Frankophonie, die schillernde Fatou Diome, die mit ihrem internationalen Bestseller Der Bauch des Ozeans (2003) zum ersten Mal Migranten eine Stimme in der Literatur gegeben und damit unseren Blick auf Afrika, Kolonialismus und Rassismus verändert hat. Ihr Markenzeichen ist dabei ihre wunderbar bildhafte Sprache, ihr Humor, ihre Direktheit. In ihrem jüngsten Erzählband nimmt sie uns mit in ein eher trübes und nasskaltes Straßburg, wo sie, von ihrer kleinen Insel kommend, nach einer langen inneren und äußeren Odyssee seit über 25 Jahren lebt.

Kurze Ehe, harte Strafe

Schon ihre Biografie ist mehr als aufregend: Sie wird 1968 in dem senegalesischen Fischerdorf Niodior als uneheliches Kind geboren, was in einer archaisch-muslimischen Dorfgemeinschaft ein unauslöschlicher Makel ist, mit dem sie keinerlei Lebensrecht gehabt hätte, wären da nicht wunderbare Großeltern gewesen, die das Mädchen allen gesellschaftlichen Widerständen zum Trotz liebevoll aufgezogen haben.

Als sie einem netten Franzosen nach Straßburg folgt, lehnt dessen Familie eine schwarze Schwiegertochter ab: "Seine Familie wollte lieber ein Schneewittchen, die Ehe war kurz, die Strafe hart." Die Erfahrung, dass Europa kein Paradies ist, kein Eldorado für Einwanderer, hat Fatou Diome am eigenen Leib gemacht, aber für die Daheimgebliebenen fühlt sich alles ganz anders an, die alte Kolonialmacht scheint noch immer voller Verheißungen.

Lebensträume versus Wirklichkeit

In starken Bildern schildert Fatou Diome Lebensträume und setzt die raue Wirklichkeit dagegen. So entsteht ein buntes Kaleidoskop an Figuren, auch von Heimkehrern, die, obwohl in Frankreich aufgrund von Schwarzarbeit, Ausbeutung und Rassismus gescheitert, mit dem mitgebrachten Fernseher und elektrischen Haushaltsgeräten die Illusion, dass sich La France auf Chance reimt, aufrechterhalten.

Sie selbst hat sich schon mit 13 Jahren in die Literatur und ins Schreiben gerettet: "Ich suche mein Revier auf einer weißen Seite – ein Heft passt in jede Reisetasche." Optimistisch, ironisch und voller Witz, ganz wie ihr Lieblingsheld Candide von Voltaire, navigiert sie sich durch die nicht immer "beste aller Welten".

Beton des Exilmorgens

Fatou Diome tritt auch in der französischen Öffentlichkeit voller Selbstbewusstsein gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für die Dekolonisierung des Denkens ein. In dem gerade auf Deutsch erschienenen Band von acht Novellen mit dem Titel Was es braucht, das Leben zu lieben stellt sie uns eine Galerie unterschiedlichster Figuren vor, real oder erfunden, die ein Gefühl vereint, das der Einsamkeit, die vor allem im Alter "mehr schmerzt als die Arthrose". Da erleben wir die zarte Freundschaft einer heimwehkranken senegalesischen Autorin mit einem durch Kinderlähmung Versehrten, der ihr zum Schutzengel wird, ein Ekel von einem Ex-Profiboxer, der auch ein Versehrter ist, die Liebe zwischen zwei Menschen am Rande, die fast an übergroßer Schüchternheit scheitert, und wir hören der aus Libyen "von den Gestaden des Elends" mit ihrer kleinen Tochter geflohenen Samira zu, die für den Hirten im Roya-Tal betet, der für seine Gastfreundschaft vor Gericht gestellt wird.

Im "Beton des Exilmorgens" beklagt sie, dass unterlassene Hilfeleistung zu einer neuen, "vom Gesetzgeber geförderten Tugend" wird. Wir erfahren auch von den Nöten der Fischer im Land der Serer, die ihre Familien wegen Dürre, Versalzung der Reisfelder und Überfischung des Meeres nicht mehr ernähren können. Der Kontrast zwischen dem Rhythmus und der Farbigkeit ihrer Sprache und dem kleinbürgerlichen Alltagsgrau der Szenen, die sie beschreibt, könnte größer nicht sein. Und doch gibt es sonnige kleine Beziehungsinseln, Momente von Verstehen und Nähe.

Spielerischer Witz

Mit spielerischem Witz nimmt sie uns mit auf eine Reise zwischen den Kulturen und Zeiten, auf die Suche nach ein bisschen Glück und Geborgenheit, denn: Die Fantasie muss leuchten, um die Wolken des Alltags zu vertreiben. Am schönsten ist die letzte Geschichte über den Alten Mann und das Boot, inspiriert von ihrem Lieblingsbuch, Hemingways Der alte Mann und das Meer. Sie wird zu einer Hommage an den Großvater, der "mit Worten malen konnte" und ihr einst beigebracht hat, dass man rudern muss, wenn man als kleines Mädchen zum Fischen mitgenommen werden will, und dass man versuchen muss, seine Träume, die hinter dem Himmel versteckt sind, zu realisieren, denn: "Wer seine Träume vergisst, wächst nicht mehr."

Den Traum vom Schreiben hat sich Fatou Diome mit ihren Büchern erfüllt. Uns zeigt sie, dass "eine Stimme genügt, um die ganze Einsamkeit der Welt durch Lebensfreude zu ersetzen", denn "hier wie überall ist eine ausgestreckte Hand die größte Chance". (Barbara Machui, 7.12.2023)