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Nach Wien gastiert das Picasso-Plakat jetzt bei einer "Totalauflösung" in Linz. Exakt das gleiche Werk wurde 2015 bei Arnold (Frankfurt) für 3900 Euro (exkl. Aufgeld) versteigert.
Privat, Screenshot Artprice, STANDARD Bildbearbeitung

So diskret, wie man es in einem gewissen Immobiliensegment erwarten würde, läuft die Auflösung eines noblen Haushalts bisweilen auch in Döbling nicht. Etwa Anfang November, als über Inserate im Kurier und in der Presse die "Totalauflösung in einer herrschaftlichen Villa in 1190 Wien, Hohe Warte 5" durch den "Auktionator Peter Lindenfeld" einer gewissen Akkurat Verwertungs GmbH (Frankfurt) beworben wurde. Zu den "zum sofortigen Freiverkauf" feilgebotenen Objekten gehörten "hochwertige Möbel", Bronzen, "wertvolle Orientteppiche" sowie "teils handsignierte" Lithografien von Künstlern wie "Chagall, Picasso, Miro, Dalí, Hundertwasser ...".

Die Adresse ist nicht nur Bewohnern in der Umgebung bekannt. Denn das als Villa Andrássy geläufige Domizil wurde einst nach Entwürfen (1863) des Architekten Theophil von Hansen erbaut. Seit 1981 steht sie unter Denkmalschutz, befindet sich in Privatbesitz und ist deshalb öffentlich nicht zugänglich.

Irritierte Kunden

Wie dem Inserat zu entnehmen war, stünde auch die "hochexklusive Villa mit Kamin, Indoor-Swimmingpool und idyllischem Grundstück" zum Verkauf. Folglich bot sich die seltene Gelegenheit einer Besichtigung. Und das Ambiente hinterließ durchaus Eindruck, wie STANDARD-Leserinnen und -Leser schildern, wenngleich auch kein ausschließlich positives.

In einem Fall verhinderte die Tochter einer 70-jährigen Interessentin in letzter Minute den Kauf eines "wertvollen" Picasso. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, vor allem weil ihre Mutter unter Zeitdruck gesetzt worden sei. Er habe sich "durch den Prunk" und "den geschickten Verkäufer verführen lassen", zwei Bilder zu erwerben, was er "im Nachhinein bedaure", schrieb wiederum Student Matthias O. an die Redaktion. In seiner Skepsis habe er dann im Internet recherchiert und sei auf Berichte gestoßen, die das tatsächliche Geschäftsmodell offenlegten. Demnach würde dieser deutsche Unternehmer leerstehende Villen gezielt mit mitgebrachtem Inventar bespielen, um diese Ware im Kontext einer Totalauflösung aufzuwerten und überteuert zu verkaufen.

Vermeintliche Schnäppchen

Ein Vorwurf, den Lindenfeld im STANDARD-Gespräch zu entkräften versucht. Das Inserat werde von seiner Klientel schon verstanden. Die Qualität seiner Ware will er auch nicht beanstandet wissen, es sei ja für alle "der deutschen Sprache Mächtigen" alles gekennzeichnet. Matthias O. kaufte je eine kleine "Farbreproduktion" von Picasso und Klimt. Statt der veranschlagten 660 und 695 Euro bezahlte er 700 Euro für beide. Ein Schnäppchen quasi. Oder auch nicht. Wie Lindenfeld erklärt, handle es sich dabei um Reproduktionen, die aus Büchern („z. B. Werkverzeichnissen“) oder Zeitschriften geschnitten und gerahmt wurden. Ähnliches gilt für die Motive aus Chagalls Serie Arabische Nächte.

Reine Deko-Ware, die man unkundigen Konsumenten wohl als "Fundstück für Kunstliebhaber mit kleinerem Budget" unterjubeln kann: zumal in einer Villa in Döbling, zu deren prominentem Eigentümer der begleitende Kurier-Artikel "Kunst ohne Krempel" einen Hinweis lieferte: Die Gastro Livingstone Betriebs GmbH, als deren Geschäftsführer Robert Glock fungiert, Sohn des österreichischen Waffenproduzenten Gaston Glock.

Abverkauf in Glocks 20-Millionen-Villa

Ein Name, der für ein Milliardenvermögen steht und mit hochwertiger Villenausstattung assoziiert wird. Auf STANDARD-Anfrage reagiert Robert Glock unwirsch: "Seit wann glauben Sie an Geschichten, die in Ta­geszeitungen stehen und nicht recherchiert wurden?", die Villa sei kurzfristig für Veranstaltungen vergeben worden, es bestehe ein "langfristiger Mietvertrag".

War­um die Villa dann auf Willhaben zum Verkauf angeboten wurde und einigen Besuchern ein Kaufpreis von 18 oder 20 Millionen Euro genannt wurde? Im Hinblick auf einen "in jüngster Vergangenheit noch geplant gewesenen Verkauf der Liegenschaft" verweist Glock auf Nachfrage an seinen Makler, über den auch "die Kurzzeitvermietung der Liegenschaft" erfolgt sei: "Avantgarde Properties" war zu keinem Gespräch bereit.

Wie das System funktioniert, war dieser Tage in Linz in Erfahrung zu bringen, wo Peter Lindenfeld mit seiner Ware in einer "exklusive(n) Villa (...) Dießenleitenweg 39" sein Verkaufslager aufschlug. Er habe vor einiger Zeit eine Anfrage zu einer hochwertigen Immobilie erhalten, und innert vier Tagen sei hier alles in die leerstehende Villa eingeräumt worden, schildert Makler Diether Raffelsberger (Mangoni Immobilien) beeindruckt. Wie viel die Eigentümer für diese Form der Zwischennutzung bekommen, wisse er nicht. Lindenfeld will es nicht sagen.

Totalauflösung Picasso Linol
"Toros en Vallauris", ein Plakatentwurf von Pablo Picasso aus dem Jahr 1955: ein "handsignierter farbiger Linolschnitt" für den Peter Lindenfeld als "Rarität" 48.000 Euro veranschlagt
Privat

"Klassische Irreführung"

Auch in Linz wird mit einer "Totalauflösung" geworben, bis auf das Datum und Adresse mit gleichlautendem Angebot. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht sei "diese Aufmachung eine klassische Irreführung", wie ein Rechtsanwalt dem STANDARD bestätigt. Denn der unvoreingenommene Durchschnittsbetrachter erwarte besondere Konditionen in der Art eines nur kurzfristig gültigen Preisvorteils.

Letzterer scheint bei einer Grafik von Picasso fraglich: Toros en Vallauris, ein Plakatentwurf von 1955, der bereits in Wien und jetzt in Linz angeboten wird – ein "handsignierter farbiger Linolschnitt", der Abzug IIX von XV mit einer Widmung. 48.000 Euro soll er kosten. Eine Rarität, die man sonst "in der 5th Avenue oder an den Champs-Élysées" fände, wie Lindenfeld betont. Oder beim Auktionshaus Arnold in Frankfurt, wo exakt dieses Werk 2015 für einen Hammerpreis von nur 3900 Euro versteigert wurde. (Olga Kronsteiner, 9.12.2023)