"L'albero urlante" ("The Screaming Tree"), Apulien, Italien
Stuart Franklin

Natur und Naturwissenschaft spielen in Stuart Franklins Leben seit jeher eine große Rolle. Bevor der britische Fotojournalist die Katastrophe im Heysel-Stadion in Brüssel und das Massaker am Tian'anmen-Platz in Peking dokumentierte, Reportagen für den "National Geographic" knipste und die legendäre Agentur Magnum Photos leitete (2006–2009), promovierte er an der Universität von Oxford in Geografie.

Ancien Olive Tree, Sant Jordi, Spanien
Ancien Olive Tree, Sant Jordi, Spanien
Stuart Franklin

Nach seinem zweiten, 1999 erschienenen Bildband "The Life of Trees" stehen nun erneut Bäume im Mittelpunkt seines fotografischen Schaffens – ebenso wie das Thema der Erinnerung, das Franklin bereits in seinen Büchern "Narcissuss" und "Analogies" verarbeitete. Fotografien daraus werden ebenfalls im Rahmen der Ausstellung in der Leica-Galerie Wien zu sehen sein.

Burnt Olive Trees 2, Puglia, Italien
Burnt Olive Trees 2, Apulien, Italien
Stuart Franklin

"Für mich verschmelzen Landschaft und Erinnerung zu einem Instrument, die Welt zu sehen und zu dokumentieren. Hier liegt der Fokus auf Bäumen. Ihre Präsenz (oder ihre Abwesenheit) dort draußen kann nur in den seltensten Fällen von der Geschichte der Menschheit und ihrem Eingriff in die Natur getrennt werden", sagt Franklin über "Traces".

Spurensuche zwischen Kirgisistan und Wales

Franklins Faszination für Bäume und Wälder wurde Mitte der Neunziger geweckt, als er für den "National Geographic" an einer Fotostory über großflächige Rodungen in Malaysia und die damit verbundene Vertreibung indigener Volksgruppen arbeitete. Die Bäume zu betrachten, zwischen denen die Pecan und Iban gelebt hatten, hieß für Franklin, einen Blick auf die Geschichte dieser Menschen sowie auf die destruktive Agrarpolitik zu werfen, der sie zum Opfer gefallen waren.

Preah Pilalay, Angkor Wat, Kambodscha
Preah Pilalay, Angkor Wat, Kambodscha
Stuart Franklin

Landschaften können Franklin zufolge nur subjektiv erfahren werden, die Interpretationen, Lesarten und damit verknüpften Erinnerungen (ob persönlich oder kollektiv) variieren je nach Betrachter. In "Traces" erkundet Franklin diesen subjektiven Blick am Beispiel Bäume. Seine Reise führte ihn von den Walnusswäldern Kirgisistans zu den gewundenen Baumwurzeln von Angkor Wat, von verkohlten Olivenbäumen in Italien zu einigen der ältesten Bäume in England und Wales. "In jedem Moment richten die Fotografien den Blick hinaus auf die erhabene und manchmal unheimliche Landschaft und nach innen auf die Erinnerungen, die die seltsamen, krummen Formen hervorrufen und wieder einfangen", sagt Franklin über den Reiz der Werke von "Traces". (red, 11.12.2023)