Läuft! Der FC Girona lacht nach 16 Runden von der Tabellenspitze.
IMAGO/Gongora

Barcelona – Der Meisterfrage konnte Gironas Trainer Michel dann doch nicht mehr aus dem Weg gehen. "Ich weiß nicht, ob wir die Fähigkeit haben, LaLiga zu gewinnen", sagte der 48-Jährige nach dem nächsten Coup seiner Überflieger – um dann doch mit Nachdruck eine Warnung an die prominente Konkurrenz zu schicken: "Aber wir sind in der Lage, jeden zu schlagen."

Spätestens seit Sonntag wissen das auch die Stars des FC Barcelona. Gegen den spanischen Meister setzte der FC Girona mit einem 4:2-Auswärtserfolg seine bemerkenswerte Saison fort, feierte den ersten Ligasieg überhaupt bei Barca. Nach dem Ausrutscher von Real Madrid bei Betis Sevilla (1:1) führt der etwas andere Außenseiter sogar wieder die Tabelle an, liegt zwei Zähler vor Real und je sieben vor Atletico und Barca.

"Wir genießen den Moment, wir befinden uns in einer sehr positiven Dynamik", sagte Miguel Angel Sanchez Munoz, kurz: Michel. Von 16 Partien hat Girona 13 gewonnen, bei zwei Remis gab es nur eine einzige Niederlage gegen Real. Dazu stellen die "Blanquivermells" mit 38 erzielten Treffern den besten Sturm der Liga. Für die meisten Treffer Gironas sorgten bisher der 26-jährige Ukrainer Artem Dowbyk (acht) und der 37-jährige Routinier Cristhian Stuani (sechs) aus Uruguay. "Sie haben es verdient", sagte Barca-Coach Xavi anerkennend.

Nicht so gut sieht es allerdings in der Defensive aus - trotz der Fertigkeiten des Niederländers Daley Blind, der im Jänner von den Bayern kam. Girona hat bereits 20 Gegentreffer kassiert und damit weit mehr als Real (zehn) und Atletico (14), aber nur knapp mehr als Barcelona (18).

Girona-Coach Michel bei der Ehrenrunde nach dem Sieg gegen Barcelona.
REUTERS/ALBERT GEA

Sein Team habe bislang "alle Spiele dominiert, außer das gegen Real", meinte Michel. Auch im Duell mit Barcelona ließen sich seine Schützlinge nicht vom Namen des Gegners einschüchtern, mit breiter Brust zog man dem großen Favoriten den Zahn. "Diese Spieler schreiben Geschichte. Das tun sie wirklich", schwärmte Gironas Trainer.

Kann es in der zweiten Saison nach dem Wiederaufstieg tatsächlich den ersten Meistertitel in La Liga geben? Auf dem Papier sind beim FC Girona alle Voraussetzungen für ein wahres Fußball-Märchen gegeben. Doch ein Blick in das Kleingedruckte verrät, dass dieser vermeintliche Außenseiter doch mit etwas anderen Mitteln arbeitet.

2017 erwarb die City Football Group, der auch Klubs wie Manchester City angehören, 44,3 Prozent des Vereins. Weitere 44,3 Prozent befinden sich im Besitz der Girona Football Group mit Pere Guardiola an der Spitze - er ist der jüngere Bruder von City-Teammanager Pep Guardiola. Punkto Budget agiert Girona eher im letzten Drittel, aber das Potenzial ist größer, als es die rund 60 Millionen Euro vermuten lassen.

Sie genießen den Moment.
REUTERS/ALBERT GEA

Das liegt wohl auch daran, dass Girona immer wieder auf seine guten Kontakte zurückgreifen konnte. Yangel Herrera sowie Aleix und Eric Garcia sind ehemalige Spieler von ManCity. Verteidiger Yan Couto ist derzeit vom englischen Triplegewinner geliehen. Gute Kaderplanung oder doch ein unfaires Spiel? Als Präsident des Verwaltungsrates und Miteigentümer betont Spielervermittler Pere Guardiola die Unabhängigkeit. Der Klub verwalte sich selbst, entgegnet Pere Guardiola den immer wieder gestellten Fragen. Der Erfolg sei das Ergebnis kontinuierlicher Arbeit. Michel lässt sich von dieser Diskussion derzeit nicht ablenken - nach dem nächsten spielerischen Ausrufezeichen ist sich dieser ohnehin sicher: "Der Fußballfan wird ein bisschen zum Girona-Fan. Girona wird wahrgenommen."

Die weiß-rote Dress ist allgegenwärtig in der etwas mehr als 100.000 Einwohnerinnen zählenden Stadt. 13.000 Mitglieder zählt der 1930 gegründete Verein, der 2017 erstmals ins Oberhaus aufstieg und auf Anhieb Zehnter wurde. Die Heimspiele werden im 12.000 Plätze umfassenden Estadi Municipal de Montilivi, ausgetragen. Es ist das kleinste Stadion der Primera Division. (sid, honz, 11.12.2023)