Sportlichkeit trifft praktisches Talent: Der V8 im RS6 Avant Performance leistet 630 PS.
Foto: Andreas Riedmann

Sagen wir einmal so: Es gibt Leute, für die ist genug nicht genug, für die gibt es dann den Audi RS6 Avant Performance. Der hat an sich genügend Platz, weil er ein geräumiger Kombi ist, aber er hat jedenfalls mehr als genügend PS, nämlich doch 630. Das ist also für diejenigen, die es ganz, ganz eilig haben und dringend etwas zustellen müssen, die richtige Motorisierung.

Allein der NoVA-Zuschlag beträgt 7350 Euro extra, die NoVA selbst liegt bei 36 Prozent. Das wird Menschen, die 180.000 Euro für ein Auto ausgeben, auch nicht schrecken. Dafür bekommt man keinen Porsche/Maserati/Ferrari, sondern einen Kombi. Immerhin einen sehr schnellen, da entkommt auch überzeugten Sportwagenfahrern auf der anderen Spur ein anerkennendes Nicken.

Es sind also acht Zylinder und vier Liter Hubraum, die für ein gesteigertes Wohlbefinden sorgen sollen, darin enthalten sind vergleichsweise bescheidene elf PS aus einem Elektromotor, das ist quasi das ökologische Umhängemäntelchen, der Audi hat nämlich einen (Mild-)Hybridantrieb.

Die Auskenner auf der Autobahn halten also anerkennend den emporgestreckten Daumen raus, und freilich gibt es auch diejenigen, die den Scheibenwischer machen. Richtig erklären kann man den Wagen tatsächlich schwer.

Die schmutzigen Gummistiefel wird man dem nobel ausgekleideten Kofferraum nicht zumuten, es sei denn, man ordert eine Gummimatte dazu.
Foto: Andreas Riedmann

Diese Kraft zu bändigen und kanalisieren verlangt Respekt ab. Der Allradantrieb ist so notwendig wie sinnvoll. Von unüberlegten, vielleicht allzu leidenschaftlich angelegten Manövern kann ich nur abraten. Es sind eben doch 630 PS, und wenn die allzu spontan in Szene gesetzt werden, entwickeln sich sehr abrupt Kräfte, deren Zielrichtung nicht immer punktgenau vorausgesagt werden kann.

Der Grenzbereich ist schwierig auszuloten, er liegt in einer Grauzone verborgen, deren Ende man nicht kennenlernen will. Man mag nicht wissen, wann man den Grenzbereich betritt, wie sich das anfühlt und was passiert, wenn man ihn verlässt.

Das war vielleicht auch der Grund, warum bei der gut gesicherten, präparierten, beaufsichtigten und befestigten (echt!) Auffahrt zum Castelmonte der Golf R nur schwer auf Distanz zu halten war. Mit 630 PS geht man doch eine Spur behutsamer um, wenn man den Wert des Wagens und die eigene Sicherheit bedenkt. Und wenn das jetzt wie eine Ausrede klingt: egal. Über das Alter sind wir hinaus.

Der Trick mit dem Knick: Wenn man nichts zum Verzurren dabei hat, kann man auch den Raumtrenner verwenden. Sinnvoll, da man sich ausmalen kann, dass das Gepäck in diesem Kombi doch mitunter ganz schön in Schwung kommt.
Foto: Andreas Riedmann

Ich sag es nur dazu: Für ein "gesteigertes Sounderlebnis" gibt es die zweiflutige RS-Sportabgasanlage mit schwarz glänzenden ovalen Endrohrblenden, das können vor allem jene genießen und auskosten, an denen man vorbeifährt. Im RS6-Handzettel steht ehrlicherweise auch "umweltfreundlicher Antrieb: nein", und soweit wir das ausgetestet haben, liegt der angegebene Papierwert von 12,3 l / 100 km nicht weit von der Realität entfernt: Sparsam sind elf Liter möglich, üblich werden 13 sein.

Anders als bei vergleichbar sportlich angelegten Fahrzeugen sind beim RS6 aber auch der Komfort und die Gemütlichkeit hoch angeschrieben, den Spagat kriegt Audi erstaunlich souverän hin.

Insgesamt ist das ein Auto, das uns ein wenig ratlos zurücklässt: beeindruckend in der Leistung und in der Präzision, aber doch etwas überschießend in der Leistung, das lässt sich in der Praxis nicht annähernd umsetzen. Aber wie bei vielen Autos in dieser Kategorie geht es nicht unbedingt ums Umsetzen und Tun, sondern ums Können und Haben, also mehr um den Konjunktiv. Und den beherrscht der Audi RS6 perfekt. (Michael Völker, 12.12.2023)

Zweite Meinung

Ja, was soll man sagen? 630 PS. Abgesehen vom RS e-tron GT ist er der stärkste Audi der Palette, sogar vor dem R8, und dabei muss man bedenken, dass der Elektroaudi seine volle Macht nur aus dem Stand entfalten kann. Abgesehen vom nagelneuen 5er BMW von Alpina, der den Audi haarscharf übertrumpft, ist er auch der stärkste Kombi überhaupt, wenn man eine etwas strengere Definition von "Kombi" verwendet, die einen Ferrari FF oder einen Porsche Panamera exkludiert. Der RS6 zeigt, wie sehr Audi den Kombi schätzt, es ist ein absurdes Fahrzeug, und ich bin ein Riesenfan. (Felix Pisecker, 12.12.2023)