Video: Schmid widersprach Ex-Kanzler Kurz im Prozess
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Thomas Schmid huschte zunächst so schnell in den Gerichtssaal, dass ihn keine einzige Linse einfangen konnte. Dabei hatte er, der potenzielle Kronzeuge, am Montag für großen Rummel im Wiener Straflandesgericht gesorgt. Wie würde er sich verhalten, wenn ihm Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), den er in seinem Geständnis schwer belastet hat, persönlich gegenübersitzt?

Würde er nervös und fahrig wirken oder sich mit einem souveränen Auftritt für den Kronzeugenstatus empfehlen?

Thomas Schmid (links) im Prozess gegen Sebastian Kurz.
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Der Montag war jedenfalls ein weiterer Looping in der Achterbahnfahrt, die das Leben von Thomas Schmid in den vergangenen fünf Jahren genommen hat. 2018, unter Türkis-Blau und Kanzler Kurz, war er der mächtigste Beamte im Finanzministerium; ausgestattet mit Geheimwissen und vielen offenen Gefallen, die er einfordern konnte.

Ein Jahr später war er Chef der Staatsholding Öbag und damit Herr über Staatsbeteiligungen im Wert von mehr als 20 Milliarden Euro. Jahresgehalt: mindestens 400.000 Euro, exklusive Boni.

Dann kam die große Wende: Hausdurchsuchung, Chats, Ermittlungen. Im Sommer 2021 waren die vielen peinlichen Chats doch zu peinlich. Schmid trat zurück, im Oktober 2021 dann auch Kurz, nachdem ÖVP-Zentrale und Kanzleramt im Zuge der Umfragenaffäre durchsucht worden waren.

Der Wunsch zur Kronzeugenschaft

Zunächst schwieg Schmid vor der Staatsanwaltschaft beharrlich, im Frühling 2022 kam die Kehrtwende. "Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren", sagte er zu den Ermittlern. Um einen Schlussstrich ziehen zu können, müsse er zur Aufarbeitung beitragen.

Am Montag erhielt Schmid nun erstmals die Chance, das vor Gericht zu tun. Im Prozess gegen Ex-Kanzler Kurz ist Schmid eine der Schlüsselfiguren: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem früheren ÖVP-Chef und seinem einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli vor, falsch über ihre Rolle in Personalentscheidungen bei der Öbag ausgesagt zu haben. Im Ibiza-U-Ausschuss im Juni 2020 hätten die beiden ihre eigene Beteiligung heruntergespielt und Unkenntnis über Vereinbarungen vorgetäuscht, heißt es sinngemäß in der Anklage.

So verwies Kurz vor dem U-Ausschuss darauf, dass Finanzminister Hartwig Löger Aufsichtsratsmitglieder nominiere und die dann den Vorstand auswählten. Er sei nur involviert im Sinne von informiert gewesen. Für die WKStA habe Kurz hingegen "faktisch" die Entscheidungsgewalt innegehabt, auch wenn formell Löger zuständig gewesen sei.

Diese Sichtweise wurde durch die Aussage von Thomas Schmid deutlich bestärkt. Im "System Kurz" sei es denkunmöglich gewesen, jemanden für einen wichtigen Posten zu nominieren, "der nicht mit Kurz abgestimmt war", führte Schmid als Zeuge unter Wahrheitspflicht aus.

Wichtige Personalentscheidungen seien "sehr engmaschig abgestimmt" worden, Kurz und sein Umfeld hätten "sich nicht nur informieren lassen, sondern mitgeredet".

Der Schmid-Schiefer-Deal

Auch bei einem zweiten Anklagepunkt belastete Schmid den Ex-Kanzler, der "schon ein guter Chef" gewesen sei, schwer. So habe Kurz entgegen seiner Aussage im U-Ausschuss durchaus wissen müssen, was die sogenannte Schmid-Schiefer-Vereinbarung gewesen sei. Schmid und sein blaues Pendant, FPÖ-Verhandler Arnold Schiefer, hätten immer wieder über Personalthemen gesprochen; etwa über die Regelung, dass die ÖVP zwei Drittel, die FPÖ ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder nominieren dürfe – auch bei der Öbag beziehungsweise im entsprechenden Nominierungskomitee. Deshalb habe es dann "Irritationen" und "Pallawatsch" gegeben, Schmid sei zu Kurz ins Kanzleramt zitiert worden, weil die ausgemachte Aufteilung "gar nicht" gehe. Im U-Ausschuss sagte Kurz, befragt zum Schmid-Schiefer-Deal, er habe "keine Ahnung, was die vereinbart" hätten.

Schiefer
FPÖ-Verhandler Arnold Schiefer.
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Prinzipiell sei Kurz für ihn ein "guter Chef" gewesen, meinte Schmid vor Gericht. Der Kanzler habe immer wieder gelobt, er habe auch das Gefühl gehabt, dessen Backing zu haben. Chatnachrichten wie "Kriegst eh alles, was du willst" habe Schmid nicht als Kritik verstanden, sondern als unterstützend – Kurz hatte in seiner Einvernahme gemeint, er habe Schmid mit der Nachricht mäßigen wollen.

Auch andere Widersprüche offenbarten sich: Kurz meinte, er habe "nicht angestrebt", dass Schmid Öbag-Chef werde; der sprach von "Rückendeckung". Kurz gab an, der erste Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern sei keine Idee des Bundeskanzleramts gewesen; Schmid blieb dabei, dass der Name dem Finanzministerium vom Kanzleramt mitgeteilt worden sei.

Viele Fragen des Richters

Kein leichter Job also für Richter Michael Radasztics, der sich deshalb auch viel Zeit lässt: Nach fünf Stunden – inklusive einstündiger Mittagspause – befragte immer noch Radasztics selbst Schmid.

Da sowohl die Staatsanwälte der WKStA als auch die beiden Verteidiger Otto Dietrich (für Sebastian Kurz) und Werner Suppan (für Bernhard Bonelli) ein Fragerecht haben, zeichnete sich rasch ab, dass dieser Gerichtstag ein längerer werden würde. Da Schmid eigens aus seinem neuen Wohnort in den Niederlanden angereist war, wollte der Richter die Befragung jedenfalls zu Ende bringen.

Kurz und Schmid
Kurz und Schmid.
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Das brachte gleich ein Kuriosum: So beantragte die Verteidigung erfolgreich, Schmid vor der WKStA befragen zu können – und somit zeitlich auch vor dem ersten Redaktionsschluss der allermeisten Medien.

Seine erste Fragerunde nutzte Kurz' Verteidiger Dietrich damit, die Glaubwürdigkeit von WKStA und Schmid anzugreifen. Er fragte etwa, ob Schmid bei seiner Einvernahme unter Druck gesetzt worden sei, und munkelte, dass die Unterschriften unter dem Geständnis "unterschiedlich" aussahen. Dann legte er eidesstattliche Erklärungen zweier Manager vor, bei denen sich Schmid im Sommer 2023 beworben haben soll. Ihnen gegenüber habe Schmid angegeben, von der WKStA "unter Druck" gesetzt worden zu sein; er tätige sinngemäß Aussagen, die "außerhalb seiner Wahrnehmung" lägen. Schmid habe gesagt, die Staatsanwälte "glücklich" machen zu wollen. Die Identität der beiden wurde genannt, der Richter meinte, man müsse die Männer persönlich als Zeugen anhören, wenn das Thema tiefer erörtert werden sollte. Am Freitag wird fortgesetzt. (Fabian Schmid, Renate Graber, 11.12.2023)