Soll es eine Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit für Asylwerber geben? Seit einigen Tagen wird über diese Frage wieder gestritten. Das Innenministerium hat den Ländern grünes Licht gegeben, um eine solche Arbeitspflicht umzusetzen. Der oberösterreichische Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) hat am Wochenende angekündigt, dass Oberösterreich damit 2024 starten möchte. Die Wiener Stadtregierung ist dagegen, und Juristen sind skeptisch, ob sich ein solches Modell umsetzen ließe.

Für diese Debatte hilfreich ist natürlich, sie auf Basis von Fakten zu führen. Hier liefert nun das Wiener Forschungsinstitut Wiiw gleich mehrere Publikationen zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. In einer dieser Studien haben sich die Ökonomen Stefan Jestl and Maryna Tverdostup mit Daten der Sozialversicherungen angesehen, wie weit es jenen Flüchtlingen, die zwischen 2014 und 2016 nach Österreich kamen, gelungen ist, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Vor allem 2015 und 2016 kamen viele Geflüchtete nach Österreich, pro Kopf wurden deutlich mehr Asylanträge gestellt als etwa in Deutschland. Allein 90.000 Asylanträge waren es 2015, auch wenn viele der Menschen nicht in Österreich geblieben sind.

Die beiden Ökonomen haben für ihre Studie zwei Gruppen verglichen: einmal Flüchtlinge im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Die meisten dieser Menschen, rund drei Viertel, stammen aus Afghanistan, Syrien, Iran und Irak. Ihnen gegenübergestellt wurde eine Kontrollgruppe, die vor allem aus Einwanderergruppen aus nichteuropäischen Staaten besteht, die den erwähnten Fluchtländern zumindest ökonomisch ähneln.

Dabei zeigt sich, dass es für Flüchtlinge extrem lange dauert, in Österreich einen ersten Arbeitsplatz, ob nun Voll- oder Teilzeit oder geringfügig, zu bekommen: Im Schnitt sind es 1090 Tage. Bei der Kontrollgruppe ist es nicht einmal halb so lange, nämlich 450 Tage.

Woran es liegt? Daran, dass Asylwerber de facto in Österreich so gut wie nicht arbeiten dürfen in den ersten beiden Jahren nach ihrer Ankunft, solange sie nämlich im Asylverfahren stecken. Dieses dauerte im Schnitt im Zeitraum um 2017 mehr als 16 Monate. Für die Kontrollgruppe gelten solche Einschränkungen allerdings nicht.

Nachdem sie Asylstatus erhalten, zeigt sich, dass die Beschäftigungsquote der Flüchtlinge rasch zu steigen und zur Kontrollgruppe aufzuschließen beginnt. Nach fünf Jahren sind etwas mehr als sechzig Prozent der Flüchtlinge in Beschäftigung. Trotz Aufholprozesses: Zu den Einwanderern aus der Kontrollgruppe können Flüchtlinge bis zum Frühjahr 2021, dem Zeitpunkt, an dem die Beobachtungen der Studie enden, nicht ganz aufschließen.

Auf einen Blick
Jobchancen im Vergleich.
STANDARD

Das liegt zu einem guten Teil an einer Gruppe: Frauen. Gerade ein Drittel der Frauen, die zwischen 2014 und 2016 nach Österreich kamen, haben bis Mai 2021 jemals gearbeitet. Bei Männern liegt dieser Wert bei fast 80 Prozent. Verantwortlich für den Geschlechterunterschied dürfte ein Mix an Ursachen sein: Neben kulturellen Wertvorstellungen und Traditionen ist auch das Vorhandensein von Kleinkindern im Haushalt ein Indikator dafür, dass Frauen weniger arbeiten. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sagt zudem, dass bei vielen Geflüchteten ein aufgeschobener Kinderwunsch ein Faktor ist, der ihre Integration in den Arbeitsmarkt erschwert. In der Kontrollgruppe ist der Anteil an Frauen, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen, deutlich höher, er liegt bei 69 Prozent.

Jedenfalls zeigt sich: Wenn sie denn einmal dürfen, steigt die Beschäftigungsquote der männlichen Geflüchteten ganz ohne Arbeitspflicht stark an. Wer darüber hinaus ansetzen will, müsste das bei Frauen tun mit verstärkten Integrationsmöglichkeiten. Das ist auch ein Fazit der Studie: dass es verstärkte aktive Arbeitsmarktpolitik für Geflüchtete braucht.

Das AMS selbst hatte 2018 ein Sonderbudget für Geflüchtete, das von der türkis-blauen Regierung allerdings gestrichen wurde. Im Budget für 2024 ist wieder Geld extra vorgesehen für die Integration Geflüchteter, und zwar 75 Millionen Euro, 2025 sind es noch einmal 75 Millionen. Wie diese Mittel eingesetzt werden, ist noch nicht bekannt.

Zudem gibt es zumindest ein Indiz dafür, dass die lange Zeit, in der Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, deren spätere Integration in den Arbeitsmarkt erschwert: Wer länger nicht arbeitet und inaktiv ist, ist später tendenziell weniger stabil in Beschäftigung. Ob der spätere Arbeitsmarktzugang auch dafür sorgt, dass Flüchtlinge dann insgesamt weniger in Jobs kommen, etwa weil sie Fähigkeiten durch lange Inaktivität verlernen? Dazu liefert die Studie keine Daten.

Interessant sind noch einige weitere Details aus der Studie. Sie zeigt etwa, dass Geflüchtete mit höherer Qualifikation sich paradoxerweise schwerer tun, am Arbeitsmarkt unterzukommen. Zwischen 2014 und 2021 fanden gut 66 Prozent aus der Gruppe mit niedrigsten Qualifikationen Arbeit, bei Menschen mit hoher Qualifikation waren es nur 61 Prozent. Niedrig qualifizierte Geflüchtete kommen tendenziell schneller in den Arbeitsmarkt. Dass jemand laut Studie Arbeit findet, heißt übrigens nicht, dass später der Job nicht wieder verloren geht. Diese Zahlen beziehen sich darauf, dass eine Arbeitsaufnahme überhaupt stattfand.

Jobmesse für Geflüchtete.
IMAGO

Ein möglicher Grund dafür, dass sich Flüchtlinge mit höheren Qualifikationen schwerer tun, Arbeit zu finden, könnte sein, dass für Jobs mit höheren Anforderungen die Kriterien, etwa was die Sprachbeherrschung betrifft, strenger sind – weshalb den Sprung hier dann weniger Menschen schaffen. Ein anderer möglicher Faktor ist die lange Zeit, die verstreicht, um sich die im Ausland erworbenen Qualifikationen nostrifizieren zu lassen. Die meisten Geflüchteten komme im Dienstleistungssektor unter, etwa im Gastgewerbe und Tourismus, viele sind auch im Handel beschäftigt.

Etwa ein Drittel der ersten Arbeitsplätze sind Vollzeitstellen, ein großer Anteil der ersten bezahlten Beschäftigungen sind auch geringfügige Jobs. Interessant ist, dass sich Flüchtlinge schwerer tun mit der Arbeitsaufnahme in Regionen, wo sich mehr von ihnen aufhalten. Bei der Kontrollgruppe ist das umgekehrt: Dort scheinen vorhandene soziale Netzwerke eher dafür zu sorgen, dass weitere Migranten leichter in Beschäftigung kommen. Bei Flüchtlingen ist das nicht der Fall. (András Szigetvari, 12.12.2023)