Goldbarren und Goldmünzen
Gold wird nicht weggeschmissen, sondern recycelt und gehortet. "Das macht es für Produzenten unmöglich, durch eine Senkung der Förderung den Preis in die Höhe zu treiben", sagt Historiker Bernd-Stefan Grewe.
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Die Sehnsucht nach Gold hat manche Menschen reich gemacht und andere ins Verderben gestürzt. Nicht nur die europäischen Eroberer des 16. Jahrhunderts haben Kriege und Schlachten geführt, um an das gelbe Metall zu kommen. Manche bezahlten ihre Gier mit dem Leben.

Als der spanische Konquistador Hernán Cortés 1520 aus der Hauptstadt der Azteken mit erbeutetem Gold fliehen wollte, gelang dies nur unter schweren Verlusten. Viele seiner Männer ertranken bei der Flucht, vom schweren Gold hinabgezogen, im Texcoco-See, der die Hauptstadt umschloss.

Rekordhoch

Die Lust am Gold ist immer noch da, wird heute aber meistens friedlicher gestillt – mithilfe von Warenbörsen, Termingeschäften oder Goldfonds. An den Finanzmärkten war Gold am 4. Dezember so teuer wie nie zuvor. Da war der Kurs auf 2.135 Dollar (1.963 Euro) pro Feinunze geschnellt. Eine Feinunze wiegt 31,1 Gramm.

Analysten nennen für den hohen Goldpreis vor allem drei Gründe. Erstens rechnet der Markt gerade damit, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen doch früher als gedacht senken könnte. Vor zwei Wochen hatte Fed-Gouverneur Christopher Waller sinniert: Wenn die US-Inflation über mehrere Monate hinweg sinke, "dann könnten wir mit der Senkung des Leitzinses beginnen". Fallen die Zinsen, wird Gold attraktiver.

Zweitens treiben geopolitische Krisen die Anleger traditionell zu Handelsobjekten wie Gold. Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober ist der Goldkurs von knapp mehr als 1.800 Dollar je Feinunze auf mehr als 2.000 Dollar gestiegen.

Drittens setzten institutionelle Investoren im September, als der Goldpreis noch schwächelte, auf sogenannte Short-Positionen. Sie spekulierten darauf, dass der Trend anhalten könnte, und deckten sich mit Short-Positionen ein, um auf fallende Preise zu wetten. Nachdem der Goldpreis aber gestiegen war, lösten viele Investoren ihre Short-Positionen auf.

Mensch und Mythos

Aber warum fasziniert Gold, egal ob in Kirchen oder an Börsen, die Menschen eigentlich so? Weshalb gilt das gelbe Metall als wertvoll, wo es doch abgesehen von ein paar Ausnahmen in Elektronik und Medizin kaum praktischen Nutzen hat?

Ein paar Gründe:

Gold war der Menschheit schon früh etwas wert. Im heutigen Bulgarien haben Archäologen in Gräbern, die mehr als 6000 Jahre alt sind, Schmuck aus Gold gefunden. Der ägyptische Pharao Tutanchamun wurde mit einer goldenen Totenmaske bestattet, die zwölf Kilogramm wog. Schon damals gab das Gold der Macht eine Form.

Ära des Goldstandards

Ab dem 19. Jahrhundert war Gold dann eng mit den Währungssystemen der Industriestaaten verknüpft. Der sogenannte Goldstandard etablierte sich: Die Münzen und Scheine in einer Währung sollten durch die Goldvorräte eines Staates gedeckt sein. Beim klassischen Goldstandard konnte man sein Papiergeld zur Bank tragen und zu einem festen Kurs in Goldmünzen umtauschen.

Im Jahr 1944 schlossen sich 44 Staaten zum System von Bretton Woods zusammen. Alle Länder, die mitmachten, setzten ihre Währung in festen Bezug zum US-Dollar – und damit zum Preis des Goldes. Denn das Tauschverhältnis zwischen Gold und der US-Währung wurde bei 35 Dollar je Feinunze festgesetzt. "Dieses System musste irgendwann platzen. Natürlich kann man auf diese Weise nicht die Geldmengen erhöhen und zum Beispiel mehr Dollarnoten drucken. Das führt bei einer wachsenden Wirtschaft zu einem Problem", sagt der deutsche Historiker Bernd-Stefan Grewe, der das Buch "Gold. Eine Weltgeschichte" geschrieben hat, zum STANDARD.

Im Jahr 1973 brach das Bretton-Woods-System endgültig zusammen. Die Wechselkurse unterliegen nun dem freien Spiel der Kräfte.

Toilette von Maurizio Cattelan aus 18-karätigem Gold, ein 103 Kilo schwerer Lokus. Im Jahr 2019 wurde das Klo gestohlen.

Fast alles alte Gold noch da

Die Länder mit der größten Goldproduktion sind heute China (330 Tonnen), Australien und Russland (je 320 Tonnen), ermittelte der Analyst CEIC Data für das Jahr 2022. Eine der Besonderheiten des Metalls: Gold wird nicht weggeschmissen, sondern in aller Regel gehortet und recycelt. "Das macht es für Produzenten unmöglich, durch eine Senkung der Förderung den Goldpreis in die Höhe zu treiben", sagt Grewe. Die Besitzer würden ihr gehortetes Gold dann teuer verkaufen können und damit mehr vom Metall auf den Markt bringen.

Rohstoff für Zukunftsbranchen

Einen praktischen Nutzen hat Gold heute, weil es in kleinen Mengen in Computern und Smartphones verbaut wird. Gold ist korrosionsbeständig und leitet gut. Winzigste Goldpartikel (in Nanogröße) finden sich sogar in Corona-Antigentests. Die weitaus größte Menge des geförderten Goldes wird wohl aber auch künftig in der Schmuckindustrie verarbeitet werden. So seien im Vorjahr 2.195 Tonnen in die Schmuckbranche gegangen, 309 Tonnen seien von der Tech-Branche und 1.082 Tonnen von den Zentralbanken – Tendenz steigend – gekauft worden, besagen Zahlen des Lobbyverbands World Gold Council.

Seit der Jahrtausendwende hat Gold auch als Spekulationsobjekt eine Renaissance erlebt. Das hat unter anderem mit der hohen Staatsverschuldung der USA und der Schwäche des Dollars zu tun, schreibt Grewe in seinem Buch. Weil der Goldkurs überwiegend in Dollar notiert ist, ließ die Schwäche der US-Währung den Goldkurs steigen. Die Finanzkrise von 2007 bis 2009 sowie neue goldbasierte Fonds, sogenannte Gold ETFs (Exchange-Traded Funds), die mit real vorhandenem Gold hinterlegt sind, taten ihr Übriges, dass das gelbe Metall auf dem Markt wieder glänzte.

"Gold ist zu einem Spekulationsobjekt geworden, dessen Kurs mit der realen Goldmenge nichts mehr zu tun hat. In die Terminwarengeschäfte von beispielsweise Schmuckproduzenten und Minengesellschaften steigen Anleger ein, die gar kein Gold besitzen wollen. Sie spekulieren nur auf die Richtung des Goldkurses", erklärt Grewe.

Goldnugget in einem australischen Museum
Goldnugget in einem australischen Museum. Australien gilt derzeit als zweitgrößter Goldproduzent der Welt.
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Gold als Inflationsschutz

Wie aber entwickelt sich der Wert des Goldes langfristig tatsächlich? Das Edelmetall gilt ja als sicherer Hafen bei hoher Inflation. Ob der Goldpreis die Inflation übersteigt oder ihr hinterherhumpelt, hängt indes vom Beobachtungszeitraum ab.

Der US-Finanzanalyst Morningstar empfahl Gold in einer Analyse von 2021 nur dann zum Inflationsschutz, wenn man es wirklich lange halten kann. So hätten amerikanische Goldinvestoren zum Beispiel von 1980 bis 1984 durchschnittlich zehn Prozent verloren, während die jährliche Inflation rund 6,5 Prozent betrug. (1980 lag Gold bei einem historischen Hoch von 850 Dollar.) Ebenso brachte Gold von 1988 bis 1991 einen Verlust von 7,6 Prozent, während die US-Inflation durchschnittlich 4,6 Prozent betrug. Besser sah es von 1973 bis 1979 aus, als die jährliche Inflation in den USA 8,8 Prozent ausmachte, Gold aber um 35 Prozent stieg.

"Über sehr lange Zeiträume sollte Gold seinen Wert gegenüber der Inflation halten, aber kurzfristig kann es eine gute oder weniger gute Absicherung sein", bilanzierte Morningstar-Analystin Amy Arnott.

Glänzende Aussichten

Selbst wenn der Goldpreis nach unten geht, "kann Gold noch immer in schöne Formen gehämmert und um den Hals getragen werden, um die Nachbarn zu beeindrucken – was man von fast wertlosen Aktien nicht behaupten kann", formulierte der "Economist" einmal, weshalb Gold wohl immer einiges wert sein wird. Nichts deutet darauf hin, dass Gold in 100 oder 200 Jahren der Menschheit nichts mehr wert sein könnte.

Auch wenn sich die langfristige Rolle des Goldes nicht vorhersagen lasse, sagt Historiker Grewe: "Seine über mehrere Jahrtausende reichende Geschichte lässt begründet vermuten, dass sich auch künftige Generationen vom Gold faszinieren lassen." (Lukas Kapeller, 13.12.2023)