Mitte Juli wurde ein Obdachloser auf einer Parkbank am Handelskai im Bezirk Brigittenau tot gefunden. Es war der erste von drei Angriffen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Jener mutmaßliche Täter, der im Sommer dieses Jahres zwei Obdachlose getötet und eine obdachlose Frau schwer verletzt haben soll, hat gestanden. Wie die Wiener Landespolizeidirektion am Dienstag auf einer Pressekonferenz bestätigte, legte ein 17-Jähriger am Montagnachmittag auf einer Polizeiinspektion ein Geständnis ab. In der "Kronen Zeitung" – das Blatt hatte zuerst vom Geständnis des Jugendlichen berichtet – war zunächst von einem 16-Jährigen die Rede gewesen.

Nach dem Geständnis wurde auch die mutmaßliche Tatwaffe im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellt. Der Jugendliche hatte sie laut Polizeiangaben in seinem Kinderzimmer im Haus seines Vaters versteckt. Nach seiner Festnahme hatte die Familie Anwalt Manfred Arbacher-Stöger beauftragt, das Mandat zu übernehmen.

Das Motiv für die Taten sei der Polizei zufolge zum einen in den zerrütteten Familienverhältnissen zu suchen. "Er hat ein Ventil für seine Aggressionen gesucht und nach Aufmerksamkeit gesucht", so die Polizei Wien. Zum anderen habe sich seine private Situation im Februar dieses Jahres verschlechtert. Der Tatverdächtige brach die Schule ab, und seine Drogensucht habe sich verschlimmert – Drogen konsumiert er laut eigenen Angaben seit seinem 16. Lebensjahr.

Leicht verfügbar, ungestört, wehrlos

Ab dem 12. Juli dürfte er dann gezielt nach Menschen Ausschau gehalten haben, die erstens leicht verfügbar, zweitens ungestört und drittens wehrlos waren. Der 17-Jährige habe nach Opfern gesucht, die diese Kriterien erfüllten, und auch gezielte Vorbereitungen getroffen. So habe er sich bewusst vermummt und die vermeintliche Tatwaffe am Knöchel versteckt. "Es kam dem Täter nicht auf die Obdachlosigkeit der Opfer an", betonte der Leiter des Ermittlungsdienstes. Für den 17-jährigen österreichischen Staatsbürger gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Dass der Jugendliche versucht habe, sein "Leben wieder in ordentliche Bahnen zu lenken", nennt die Polizei auch als Grund, wieso es nach den drei Angriffen im Sommer keine weiteren Taten mehr gegeben habe. Er habe eine Lehre im Gastgewerbe begonnen und eine Freundin gefunden. Die Polizei zitiert den Jugendlichen, wonach innere Unruhe und Aggression dann nicht mehr gegeben waren.

Nicht polizeiauffällig

Konkret geht es um folgende drei Angriffe auf Obdachlose im Sommer dieses Jahres in Wien: Mitte Juli wurde ein 56-Jähriger erstochen auf einer Parkbank am Handelskai im Bezirk Brigittenau gefunden. Ende Juli wurde in der Venediger Au in der Leopoldstadt eine 51-Jährige durch Stiche und Schnitte schwer verletzt. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht, das sie mittlerweile wieder verlassen konnte. Knapp zwei Wochen später wurde in der Nacht auf den 9. August eine Messerattacke in der Josefstadt beim Hernalser Gürtel 22 verübt, wobei ein 55-Jähriger seinen Verletzungen erlag.

"Er konnte nicht mehr mit der Last leben, wollte sich die Schuld von der Seele reden und hat auch die Öffentlichkeitsfahndung ganz bewusst erlebt", zählt die Polizei als mögliche Gründe für das umfassende Geständnis am Montag auf. Bis dahin war der Jugendliche nicht polizeiauffällig. Erst im September sei er laut der Polizei aufgrund seiner Drogensucht und eines Streits mit seiner Mutter erstmals aufgefallen. "Bis zum gestrigen Tag ist der Tatverdächtige nicht im Fokus unserer Ermittlungen gestanden. Es ist auch kein Hinweis auf ihn eingegangen", so die Polizei.

Video: Obdachlose in Wien getötet - 17-Jähriger gestand blutige Übergriffe.
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Nach den Angriffen im Sommer versprach die Polizei noch im August einen Lohn von 10.000 Euro für hilfreiche Informationen. Ab Mitte Oktober wurde der mutmaßliche Täter dann auch mittels Fahndungsvideo gesucht. Die Polizei veröffentlichte ein Foto und ein Video eines Mannes, das in der Nähe des dritten Tatorts im Bereich Hernalser Gürtel aufgenommen worden war und dem zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung folgten. Der Jugendliche bestätigte in seiner Einvernahme, dass er auf der Videoaufnahme zu sehen ist.

Große Erleichterung

Betreuungseinrichtungen für Obdachlose reagierten im Sommer mit erhöhten Schlafplatzangeboten und öffneten Tagquartiere auch in der Nacht. Am Dienstag zeigte sich nun Caritas-Direktor Klaus Schwertner via X, vormals Twitter, über die Festnahme erleichtert. "Große Erleichterung bei den Streetworkteams der Caritas Austria und vor allem bei den obdachlosen Menschen, die nach wie vor im Freien in Wien schlafen. Der mutmaßliche Täter wurde gefasst. Danke an die Polizei Wien."

"In erster Linie sind wir erleichtert, dass sich der Täter jetzt gestellt hat. Weiterhin bleiben aber obdach- und wohnungslose Menschen in Wien eine marginalisierte Gruppe, das Leben auf der Straße ist nach wie vor mit Gefahren verbunden", sagte auch Markus Hollendohner, Leiter der Wohnungslosenhilfe im Fonds Soziales Wien (FSW) gegenüber der APA. "Wir haben den Schutzschirm für obdachlose Menschen nie geschlossen, er bleibt auch weiterhin aufrecht."

Und Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) betonte: "Der Stadt war es ein Anliegen, rasch zu helfen und Schutz anzubieten. Dass sich der Täter jetzt gestellt hat, ist beruhigend. Nichtsdestotrotz zeigt es, dass wir weiter auf obdach- und wohnungslose Menschen in unserer Stadt schauen müssen. Hass auf Menschen in Not hat in unserer Stadt keinen Platz." (awie, 12.12.2023)