Er ist eine Schlüsselfigur in den vielen Ermittlungsverfahren rund um die ÖVP – und er will Kronzeuge werden: der frühere Öbag-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Im Strafprozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) spielt er überhaupt die zentrale Rolle. Dem einstigen ÖVP-Chef wird ja vorgeworfen, im Ibiza-U-Ausschuss falsch über seine Rolle in Öbag-Personalentscheidungen ausgesagt zu haben, also im Zusammenhang mit Vorstands- und Aufsichtsratsbestellungen.

Video: Ex-Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid distanzierte sich im Prozess von Kurz und widersprach dessen Aussagen großteils. Die Befragung am Straflandesgericht wurde aufgrund der Länge vertagt.
APA/bes

Am Montag war Schmid als Zeuge geladen, um seine Wahrnehmungen rund um diese Vorgänge darzulegen. Richter Michael Radasztics nahm sich dafür viel Zeit: Mehrere Stunden lang befragte er Schmid, dann war Kurz' Verteidiger Otto Dietrich an der Reihe. Die Verteidigung hatte erfolgreich eine Umreihung beantragt, um vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dranzukommen. Der Verhandlungstag zog sich bis in den frühen Abend, letztlich wurde Schmid für Freitag erneut geladen. Klar ist schon jetzt: Schmid belastet Sebastian Kurz weiterhin schwer.

Schmid und Anwalt Roland Kier (links) nach der Befragung.
EPA/CHRISTIAN BRUNA

1. Vetorecht und Personalverwaltung

Kurz und seinem mitangeklagten Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli wird vorgeworfen, sie hätten ihre Rolle rund um die Öbag-Personalien heruntergespielt. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Schmids Aussage stützte hier die Argumentation der Anklage eindeutig. Kurz habe ein "Vetorecht" bei wichtigen Personalentscheidungen gehabt, sagte Schmid aus. Als das Finanzministerium eigenständig einen Wirtschaftsprüfer als Öbag-Aufsichtsratschef vorschlug, sei dessen Bestellung in letzter Minute auf Order des Kanzleramts abgesagt worden. Unter Kurz sei die Personalverwaltung im Kanzleramt "zentralisiert" gewesen. Manager Helmut Kern, der dann tatsächlich Öbag-Aufsichtsratschef wurde, sei auf Empfehlung des Kanzleramts, konkret von Bonelli, gekommen.

2. Pallawatsch um Schiefer-Deal

Im U-Ausschuss sagte Kurz aus, er habe "keine Ahnung, was die da vereinbart haben". Gemeint waren FPÖ-Verhandler Arnold Schiefer und Schmid, die rund um die Regierungsbildung 2017 türkis-blaue Personalfragen ausdiskutiert hatten. Auch hier widersprach Schmid Kurz eindeutig: Der "Schmid-Schiefer-Deal" – der aufschlüsselte, wie viele Posten FPÖ beziehungsweise ÖVP nominieren durften – habe für mächtig "Pallawatsch" gesorgt, Kurz habe sich über diese Vereinbarung aufgeregt und sie kippen wollen.

3. Siegfried Wolf

Der russlandfreundliche Unternehmer Siegfried Wolf war Sebastian Kurz' erste Wahl für den Aufsichtsratsvorsitz in der Staatsholding Öbag. Dass Wolf das dann nicht wurde, wertet der angeklagte Ex-Kanzler als Beweis dafür, dass er bei den Besetzungen eben nicht viel mitzureden hatte. Auch das stellte Zeuge Schmid anders dar: Es sei angesichts der Russland-Sanktionen gegen Wolfs Geschäftspartner Oleg Deripaska stets geplant gewesen, dass der Unternehmer erst später nachrücken solle. Bis dahin sollte es eine Interimslösung geben. Der vom Finanzministerium vorgeschlagene Wirtschaftsprüfer etwa wäre damit auch einverstanden gewesen. Kurz hatte in seiner Aussage angedeutet, dass Schmid als Alleinvorstand und Wolf als Aufsichtsratschef nicht kompatibel gewesen wären. Wolf wäre mit ihm wohl "Schlitten gefahren". Das bestritt Schmid in seiner Aussage gar nicht, fügte allerdings hinzu, dass es die Frage sei, "wohin er mit mir Schlitten gefahren wäre".

4. Backing, Freund und "guter Chef"

Seine Beziehung zu Sebastian Kurz beschrieb Schmid als durchaus freundschaftlich, wobei es zwischen Arbeit und privaten Kontakten keine klare Trennlinie gegeben habe. Auch wenn man gemeinsam auf Wanderungen gewesen sei, sei es um den Job und die Politik gegangen, sagte Schmid sinngemäß aus. Kurz sei ein "guter Chef" gewesen, der regelmäßig gelobt habe. Er selbst habe sich immer von ihm unterstützt gefühlt. Die berühmte Nachricht von Kurz – "kriegst eh alles was du willst" – habe er durchaus positiv interpretiert. Er habe das "Backing" vom Kanzler gehabt, der ihn als "engen Vertrauten" in der Öbag haben wollte. Kurz hat diese seine Nachricht vor Gericht ja ganz anders interpretiert: Er habe Schmid mäßigen wollen, weil der den "Hals nicht voll bekommen" habe.

5. Angriffe auf Schmids Glaubwürdigkeit

Schon im Vorfeld der Zeugenaussage von Schmid hatte das Team von Kurz lanciert, dass man in der Verhandlung eine Bombe platzen lassen werde. Auf seinem Weg in den Gerichtssaal meinte Kurz, man werde "zeigen, mit welchen Methoden hier gearbeitet" werde. Was damit gemeint war: Der Rechtsanwalt von Kurz, Otto Dietrich, legte bei der Befragung von Schmid eidesstattliche Erklärungen zweier Geschäftsleute vor. Daraus soll hervorgehen, dass Schmid sich im August in Amsterdam um einen Job beworben habe; dabei habe er erzählt, "dass er von den Staatsanwälten unter enormen Druck gesetzt wurde". Er sei "gut zu den Menschen, die gut zu mir sind”, soll Schmid unter Hinweis auf den von ihm angestrebten Kronzeugenstatus gemeint haben. All das sei in dieser Form nicht relevant für das Verfahren, meinte der Richter und gab dem Anwalt die Unterlagen wieder zurück. Im Sinne der Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung müsste er die beiden Geschäftsleute als Zeugen beantragen.

Zudem thematisierte der Anwalt eine Passage aus Schmids Geständnis vor der WKStA. Die sei wort- und satzzeichenident mit dem Text einer Hausdurchsuchungsanordnung der WKStA, die neun Monate davor rausgegangen war. So etwas sei ihm in seiner ganzen Berufslaufbahn noch nicht vorgekommen, merkte Dietrich an. Der Presseberater von Kurz, Viktor Niedermayr, schickte prompt eine Aussendung an die prozessbegleitenden Medienleute dazu aus: "So bildet sich eine Kronzeugen-Allianz. Ganz nach dem Motto: Die WKStA diktiert und Schmid serviert", wie es darin hieß. Die WKStA hatte derartige Vorwürfe noch in der Verhandlung zurückgewiesen, nicht zuletzt insinuierten diese strafrechtlich relevantes Verhalten. Schmid blieb bei seiner Befragung dazu ruhig und erklärte sinngemäß, dass er sich mit seinem Anwalt auf seine Einvernahme bei der WKStA vorbereitet habe und dabei mitunter auch Anleihen bei im Akt liegenden Unterlagen genommen habe.

Am Freitag ist die WKStA mit ihren Fragen dran – Schmid wird diese Woche also noch etliche Stunden vor Gericht verbringen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 12.12.2023)