Geht es nach seinem größten politischen Rivalen, dann ist klar, wer oder was Donald Tusk ist: "Sie sind ein deutscher Agent, einfach ein deutscher Agent!", rief ihm am Montag im polnischen Parlament Jarosław Kaczyński zu, der Chef der abgewählten Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Donald Tusk ist wieder polnischer Regierungschef.
Donald Tusk ist wieder polnischer Regierungschef.
REUTERS/ALEKSANDRA SZMIGIEL

Die Szene verkörpert wie keine andere den Umbruch, den Polen dieser Tage durchlebt: Der liberale Tusk war soeben zum neuen Premierminister designiert worden. Und es war der nationalkonservative Kaczyński, der mit dem Machtverlust nicht klarkam, nach Tusks Dankesrede noch einmal unaufgefordert zum Rednerpult ging und dem neuen Regierungschef trotzig ein paar Beleidigungen hinterherrief.

Tusk, der auch deutsche Vorfahren hat, kann es egal sein. Er ist Ähnliches aus der Ecke Kaczyńskis gewohnt. Und er weiß, woher der Wind weht, wenn er sich als Vertreter fremder Interessen beschimpfen lassen muss: Der 66-Jährige ist ein Mann, der Übung darin hat, über den Tellerrand Polens hinauszublicken. Während Kaczyński ihn abwechselnd als Handlanger Berlins, Brüssels oder sogar Moskaus darstellte, sammelte Tusk jede Menge europapolitische Erfahrung, die der studierte Historiker in sein Amt mitnimmt.

Engagement gegen kommunistisches Regime

Bereits in den 1970er-Jahren engagierte sich Tusk als Student gegen das damalige kommunistische Regime. Später arbeitete er in Danzig als Journalist für eine Zeitschrift und wurde im Verlag Vorsitzender des Betriebskomitees der oppositionellen Gewerkschaft Solidarność. Nach der demokratischen Wende des Jahres 1989 war Tusk Mitbegründer einer liberalen Partei, hatte für mehrere Jahre ein Mandat im Senat inne und danach im Sejm, dem Abgeordnetenhaus des Parlaments.

Als Chef der liberalen Bürgerplattform (PO) wurde der verheiratete Vater zweier Kinder 2007 zum ersten Mal Premierminister. Sieben Jahre später kam dann der Ruf aus Brüssel: Tusk wurde für fünf Jahre Präsident des Europäischen Rates und kümmerte sich als solcher um den komplizierten Interessenausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten der EU. Gleich im Anschluss wechselte er ins Amt des Chefs der Europäischen Volkspartei (EVP), das er bis Mitte 2022 bekleidete.

Seit seiner Rückkehr nach Polen blies der nationalkonservativen PiS der frische europäische Wind heftiger um die Ohren als je zuvor. Nun hat er sie aus der Regierung geweht. (Gerald Schubert, 12.12.2023)