Johannes Rauch
Für Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist die Gesundheitsreform ein Prestigeprojekt. Die Opposition ist weniger begeistert.
APA/EVA MANHART

Der Nationalrat ist am Mittwoch in seine letzte Plenarwoche in diesem Jahr gestartet. Im Fokus stand dabei der dann am Abend erzielte Beschluss eines lange gehegten – und von zahlreichen Widerständen begleiteten – Großprojekts des grünen Gesundheitsressorts: die Gesundheitsreform. Etwas "Großartiges" sei gelungen, sagte die grüne Klubchefin Sigrid Maurer. Die Reform wurde in seiner Gesamtheit mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen, die SPÖ stimmte in Teilbereichen mit.

Die Reform soll mehr Geld ins System spülen, insbesondere für den niedergelassenen Bereich und in die Spitalsambulanzen. Die Gründung von Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten sowie Ambulatorien soll vereinfacht werden. Die Ärztekammer wird in Teilbereichen entmachtet und verliert etwa beim Stellenplan ihr Vetorecht. Das Projekt war dann auch gleich Thema der aktuellen Stunde in der Nationalratssitzung. Während die Opposition die türkis-grüne Reform teils scharf kritisierte, rückten Regierungsvertreter wenig überraschend aus, um sie gegen die Anwürfe zu verteidigen.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) betonte, dass die Zahl der Primärversorgungseinheiten bereits steige. Es gehe ihm mit der Reform darum, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung auch für alle ohne Zusatzversicherung und erhöhte finanzielle Möglichkeiten abzusichern. Die Schaffung von mehr Kassenstellen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sei Voraussetzung dafür.

Österreich habe ein sehr gutes Gesundheitssystem, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Aber es leide unter den enormen Kostensteigerungen der vergangenen Jahre. Mit den nun vorliegenden Reformen werde man die Versorgung auch für die Zukunft gut sicherstellen können, gab sich der Finanzminister überzeugt. Brunner verwies darauf, dass durch den Finanzausgleich in den kommenden fünf Jahren insgesamt 14 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege zur Verfügung stehen würden. Das seien im Vergleich zum vorhergehenden Bundesfinanzrahmen "zusätzliche Gesundheitsausgaben von fünf Milliarden Euro".

FPÖ ortet "Griff ins Klo"

Der geschäftsführende SPÖ-Klubchef Philip Kucher kritisierte dagegen, die Mittel der Reform würden nicht ausreichen – und zwar weder für den Gesundheits- noch für den Pflegebereich. Bei der Reform der Kassen sei eine Patientenmilliarde versprochen worden, die es bis heute nicht gebe. Deshalb müssten die Menschen weiter lange suchen, um etwa einen Kinderarzt oder eine Kinderärztin zu finden. Die SPÖ fordert eine gesetzliche Garantie für einen Facharzttermin innerhalb von 14 Tagen.

FPÖ und Neos kritisierten nicht nur die Reform der Regierung, sondern auch die Oppositionskolleginnen und -kollegen von der SPÖ. Der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sprach sich – auch an die Sozialdemokratie gerichtet – dagegen aus, noch mehr Geld in das System zu pumpen. Auch mehr Bürokratie hielt er für kontraproduktiv. Das türkis-grüne Projekt bezeichnete er als "Pseudoreform", mit der eine Milliarde Euro an Länder und Sozialversicherung fließen würden, und bezeichnete sie als "Griff ins Klo".

Später am Abend ließ sich dann Rauch zu einer Replik hinreißen: "Ins Klo greife ich gar nicht, weil da drin ist es braun." Der freiheitliche Abgeordnete Peter Wurm reagierte wiederum darauf und sprach von einem "unterirdischen Klo-Vergleich" Rauchs.

Fiona Fiedler, Gesundheitssprecherin der Neos, relativierte die roten Sorgen vor einer "Zweiklassenmedizin". Ein Drittel der Menschen habe eine Zusatzversicherung und könne sich daher besser aussuchen, wo sie behandelt werden. Der Rest frequentiere Spitalsambulanzen und "verstopfe" so weiter das System. Dass die SPÖ dafür mehr Geld fordere, sei schon mehr als ein schlechter Witz, befand Fiedler.

Warnung der Ärztekammer

Die Ärztekammer warnte hingegen weiterhin davor, dass die Gesundheitsreform ein Eintrittstor für internationale Konzerne biete. Diese hätten in anderen Ländern bereits die Versorgung im ambulanten Bereich übernommen. Durch die Reform bestehe die akute Gefahr, dass freiberufliche Ärztinnen und Ärzte "mit der Kapitalkraft der Konzerne nicht mithalten werden können", sagte Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart.

Vereinbart wurde am Mittwoch im Nationalrat auch eine Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker, die Rechnungshof-Präsidentin und die Volksanwälte. Abgesegnet wurde zudem der Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst, der Bundesbeamten und Vertragsbediensteten rund 9,2 Prozent mehr bringt.

Auch der Pflegefonds wurde deutlich aufdotiert. Im kommenden Jahr sollen 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung stehen – und damit nach Angaben der Regierung rund doppelt so viel Geld wie in diesem Jahr.

Der Nationalrat setzte am Mittwoch dann auch noch Anreize für längeres Arbeiten: Mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen wurde damit etwa ein höherer Pensionszuschlag für jene Menschen, die über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten. Rauch zeigte sich, diesmal in seiner Funktion als Sozialminister, überzeugt davon, dass es dafür künftig vermehrten Bedarf geben werde. Dieser jährliche Bonus soll von 4,2 auf 5,1 Prozent erhöht werden und kann dann maximal drei Jahre lang bezogen werden.

Der Jahres-Kehraus im Parlament wird am Donnerstag und Freitag mit weiteren zwei Plenartagen und zahlreichen geplanten Beschlüssen fortgesetzt. (Martin Tschiderer, David Krutzler, 13.12.2023)