New York – Das Ergebnis war diesmal noch eindeutiger als beim letzten Mal. 153 Staaten stimmten in der Uno-Generalversammlung am Dienstagabend für einen Waffenstillstand in Gaza, nur zehn waren dagegen. Unter ihnen: Österreich. Wien konnte sich damit auch nach rund eineinhalb Monate andauernden Krieges im Gazastreifen nicht mit einer Resolution anfreunden, in der ein Ende der Kämpfe in dem Küstenstreifen am Mittelmeer gefordert wird.

Diesmal stimmten etwas weniger Staaten als noch vor eineinhalb Monaten gegen ein Schweigen der Waffen. Österreich war aber erneut unter ihnen.
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Sie war diesmal kürzer, aber im Inhalt noch etwas deutlicher formuliert als jene, über die am 27. Oktober abgestimmt worden war. Damals war von "humanitarian truce" die Rede gewesen, diesmal war ein "humanitarian ceasefire" Inhalt des Papiers. Beide sind etwas unscharf aus dem Englischen zu übersetzen, allerdings wurde Ersteres im Allgemeinen als Abstimmung über eine Waffenruhe verstanden, die nunmehrige Abstimmung als eine über einen Waffenstillstand.

Wien hatte eigenen Vorschlag

Schon beim ersten Votum, das so wie das neue völkerrechtlich nicht bindend war, hatte Wien sein Nein mit einer fehlenden Verurteilung der Hamas in dem Text begründet. Damals war vor der Abstimmung ein Abänderungsantrag Kanadas gescheitert, wonach "die Terrorangriffe der Hamas gegen Israel vom 7. Oktober 2023 eindeutig verurteilt" werden sollten, ebenso wie die Geiselnahmen. In der Resolution, die Dienstagabend angenommen wurde, sieht Österreich den gleichen Makel. Auch sie erwähnt in ihrer recht knappen Formulierung die Hamas nicht, stattdessen ruft sie nur "alle Parteien" dazu auf, ihre Verpflichtungen nach dem Völkerrecht wahrzunehmen, und verlangt darüber hinaus "die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln".

Diesmal aber war Österreich im Vorfeld selbst aktiv geworden und hatte einen eigenen Abänderungsantrag eingebracht, über den gemeinsam mit einem Antrag aus den USA im Vorfeld des eigentlichen Votums abgestimmt wurde. In allen drei Fällen wäre eine Zweidrittelmehrheit zur Aufnahme in den Resolutionstext nötig gewesen, und in beiden Fällen blieb diese aus.

Weniger Ablehnung

Konkret hatten die USA eine Verurteilung der Hamas in den Textentwurf eingebracht, wonach die Staaten via Resolution "die schrecklichen Terrorattacken der Hamas, die am 7. Oktober in Israel stattfanden, und Geiselnahmen" verurteilen. Dieser Antrag erhielt 84 Ja-Stimmen (darunter jene Österreichs und die aller anderen EU-Staaten), 62 Gegenstimmen (darunter viele muslimische Staaten, aber auch etwa Russland und China) und 25 Enthaltungen.

UN-Vollversammlung fordert humanitäre Waffenruhe für Gaza
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Österreich hatte sich in seinem Antrag noch konkreter auf die Geiselnahmen bezogen. Wien wollte in den Resolutionsentwurf bei der Erwähnung der Geiseln die Zeile "die von der Hamas und anderen Gruppen gefangen gehalten werden" einfügen, und darüber hinaus das Wort "sofortig" vor die Forderung nach einem Zugang für humanitäre Helfer zu den Geiseln setzen. Dem schlossen sich 89 Staaten an, 61 lehnten die Forderung ab, 20 enthielten sich. Anders als im Falle des US-Antrags ergibt dies zwar eine knappe Mehrheit, nicht aber die erforderlichen zwei Drittel.

Abgestimmt wurde infolge also nur über den ursprünglichen Entwurf, den neben Österreich dann insgesamt neun weitere Staaten ablehnten: Israel selbst, die USA, der EU-Staat Tschechien sowie Guatemala, Liberia, Mikronesien, Nauru, Papua-Neuguinea und Paraguay. Bei der ersten Abstimmung im Oktober hatten noch 14 Länder mit Nein gestimmt. Geändert hat sich diesmal auch das Stimmverhalten zweier EU-Länder: Kroatien, das im Oktober noch gegen die Waffenruhe war, votierte dieses Mal für den Waffenstillstand. Ungarn, das ebenfalls vor eineinhalb Monaten noch eine Nein-Stimme abgegeben hatte, enthielt sich dieses Mal. Nicht mehr mit Nein stimmten diesmal auch Fiji sowie die Marshallinseln.

"Es ist beschämend, dass die Uno-Generalversammlung abermals nicht den Mut aufgebracht hat, die Hamas beim Namen zu nennen", heißt es nach der Abstimmung in New York aus dem österreichischen Außenministerium. "Über zwei Monate nach dem barbarischen Terrorangriff der Hamas auf Israel ist das Schweigen der Weltgemeinschaft ohrenbetäubend." Dass in der UN der politische Wille fehle, diese grausame Realität zu benennen, sei ein Schlag ins Gesicht aller Opfer und ihrer Angehörigen. Auch sei Israel erneut nicht das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung im Angesicht des Terrors zugestanden worden.

Kritik von der SPÖ

"Österreich tritt für humanitäre Pausen ein, damit alle verbliebenen Geiseln freigelassen werden können und weitere dringend benötigte humanitäre Hilfe die palästinensische Zivilbevölkerung erreicht. Ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand würde der Hamas nur mehr Raum geben, ihren Terror zu intensivieren."

Außenminister Alexander Schallenberg, der derzeit auf Afrikareise weilt, kommentierte das Geschehen auf Nachfrage des STANDARD so: "Wir wollten das Wording, ohne dieses enthalten wir uns nicht. Es wäre, wie über den Ukraine-Krieg zu sprechen und den Aggressor Russland nicht zu erwähnen. Das geht sich nicht aus."

Kritik gab es an Wiens Haltung von der SPÖ. Petra Bayr, SPÖ-Sprecherin für Außenpolitik, forderte von Österreich "ein Bekenntnis zur Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts im Nahostkonflikt, wie es in der UN-Generalversammlung gestern – gegen die Stimme Österreichs – beschlossen wurde". Die SPÖ werde einen entsprechenden Antrag auch in der Nationalratssitzung am Mittwoch einbringen. (Manuel Escher, 13.12.2023, Mitarbeit: Ricarda Opis, Andreas Danzer aus Lomé)