Hauskatze Stieglitz
Eine Hauskatze hat einen Stieglitz erbeutet. Der Distelfink ist eine von rund 1.000 Vogelarten weltweit, die nachweislich von Katzen gejagt und getötet werden. Zumindest eine ganz besondere Singvogelart wurde von Felis catus bereits ausgerottet.
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In Australien, wo sie erst vor wenigen Jahrhunderten vom Menschen eingeschleppt wurden, ist die Situation besonders verheerend. Wie eine Studie aus dem Jahr 2020 ermittelte, töten Hauskatzen dort jährlich nicht weniger als knapp 300 Millionen Tiere in freier Wildbahn. Sehr viel ärger wird es, wenn man die streunenden Hauskatzen bei diesen Schätzungen dazunimmt: In dem Fall ist von nicht weniger als drei Milliarden tierischer Katzenopfer die Rede. Schlimm daran ist, dass sich darunter nicht wenige Tierarten befinden, die vom Aussterben bedroht sind – oder durch die freilebenden Katzen ausgerottet wurden.

Australien ist aber kein Einzelfall. Ähnlich katastrophal wirkte sich die Einführung von Katzen auf alle möglichen Inseln aus, deren endemische Arten diesen besonders raffinierten Bioinvasoren nahezu schutzlos ausgeliefert waren und sind. Wie aber sieht die globale Biodiversitätsbilanz für Hauskatzen aus, die entweder streunend leben oder Zugang zur freien Natur haben? Es ist zwar bekannt, dass Katzen, die vor rund 9.000 Jahren domestiziert wurden, generalistische Raubtiere mit beträchtlichen ökologischen Auswirkungen sind. Aber das Ausmaß ihres Nahrungsspektrums wurde bisher noch nicht auf globaler Ebene quantifiziert.

Über 2.000 Arten betroffen

Das hat der Ökologe Christopher Lepczyk (Auburn University im US-Bundesstaat Alabama) mit einem Team in Form einer Metastudie zu ermitteln versucht. Dafür haben die Forschenden rund 500 einschlägige Untersuchungen ausgewertet und eine Datenbank der von den Katzen erbeuteten Tierarten erstellt. Insgesamt kamen die Forschenden um Lepczyk auf 2.083 verschiedene Arten, die von Katzen verzehrt wurden, darunter 981 Vogel-, 463 Reptilien-, 431 Säugetier-, 119 Insekten- und 57 Amphibienarten sowie 33 Arten aus anderen Tiergruppen. Katzen gehören damit weltweit zu den Top 100 der Biodiversitätsgefährder.

Mindestens 347 der von den Katzen erbeuteten Arten sind vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben, schreiben die beteiligten Ökologinnen und Ökologen im Fachblatt "Nature Communications". Dazu gehören unter anderem der Schwarzschwanz-Beutelmarder, der stark bedroht in Westaustralien lebt, die Grüne Meeresschildkröte (gefährdet) oder der Newell-Sturmtaucher auf Hawaii (stark gefährdet).

Der Stephenschlüpfer wiederum, der auf einer neuseeländischen Insel lebte und die letzte flugunfähige Singvogelart der Welt darstellte, wurde angeblich durch eine einzige Katze namens Tibbles bereits Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Elf der Opfer dieser Katze Katze liegen heute – "zerrupft und zerzaust", wie sie eben von Tibbles ihrem Herrchen gebracht wurden – in verschiedenen Museen der Welt.

Stephenschlüpfer Hauskatze Neuseeland
Der unzerrupfte Stephenschlüpfer sah ähnlich wie ein Zaunkönig aus, ohne mit ihm verwandt gewesen zu sein. Dass er nicht fliegen konnte, erleichterte Tibbles das Töten ganz erheblich.
gemeinfrei

Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass die tatsächliche Anzahl der von freilebenden Hauskatzen verzehrten Arten noch nicht bekannt ist. Sie vermuten aber, dass ihre Schätzungen der insgesamt verzehrten Arten konservativ sind und mit weiteren Studien weiter ansteigen werden. Zudem weisen sie darauf hin, dass Katzen nicht nur durch ihren Ernährungsstil die Biodiversität bedrohen. Sie übertragen Krankheiten auf Wildtiere. Zudem beeinflussen und verdrängen sie unzählige Arten, wie das Team um Lepczyk erklärt.

Österreichische Opferbilanz

Wie sieht es in Österreich mit Stubentigern im Freigang aus? Laut der Vogelschutz- und Vogelkundeorganisation Birdlife Austria sind Hauskatzen hierzulande in siedlungsnaher Landschaft zahlenmäßig der bedeutsamste mittelgroße Beutegreifer. Wohl aufgrund der evolutionären Anpassung an den mit der Hauskatze vergleichbaren Räuber Wildkatze seien in Mitteleuropa aber keine Aussterbeereignisse von Tierarten durch Hauskatzen verursacht worden.

Nichtsdestotrotz stehe außer Frage, dass allein aufgrund der hohen Anzahl von mehr als einer Million an Freigängerkatzen in Österreich jedes Jahr Millionen Vogelindividuen Katzen zum Opfer fallen. Besonders gefährdet seien Vogelarten, die in Siedlungen oder im Siedlungsumfeld brüten und sich viel auf dem Boden aufhalten wie Amseln, Hausrotschwänze, Girlitze, Bluthänflinge oder Grünlinge.

Birdlife Austria empfiehlt deshalb unter anderem die Kastration beziehungsweise Sterilisation der Haustiere, Einschränkungen des Freigangs und ausreichendes proteinreiches Futter insbesondere vor Einbruch der Dämmerung. Zudem können Warneinrichtungen wie farblich auffällige Halsbänder oder Glöckchen den Jagderfolg schmälern.

Maßnahmen gegen Katzen

Die Autorinnen und Autoren der Studie in "Nature Communications" sprechen sich ebenfalls für mehr Initiativen zur Reduzierung der Auswirkungen freilebender Katzen aus. In Australien und Neuseeland hat die Ausbreitung insbesondere der streunenden Hauskatzen bereits vor Jahren zu ungewöhnlichen Gegenmaßnahmen geführt. Die Martu, westaustralische Aborigines, die zum Teil noch als Jäger und Sammler leben, jagen und verspeisen mittlerweile aus Hauskatzen – und verringern damit die Auswirkungen der Katzen auf die australische Fauna.

In der neuseeländischen Region Canterbury wiederum gehen zwischen 15. April und Ende Juni Schulkinder auf Katzenjagd. Wer die meisten Kadaver von streunenden Samtpfötern abgibt, erhält einen Geldpreis in Höhe von 250 neuseeländischen Dollar (umgerechnet rund 150 Euro). Außerdem wird ein Kindermotorrad im Wert von 4.600 Dollar verlost. Teilnehmen darf, wer das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Heuer wurde die Katzenjagd allerdings vorzeitig abgebrochen, weil zu Beginn des Wettbewerbs auch eine gechippte und kastrierte Hauskatze angeschossen wurde und starb. (tasch, 14.12.2023)