Fünf Nachtclubs, drei Restaurants, ein Hotel und Kunsthandel. Der Wiener Gastronom Martin Ho versteht sich in der Kunst der Inszenierung. Innerhalb weniger Jahre baute er ein kleines Imperium mit 250 Beschäftigten und 15 Millionen Euro Umsatz auf.

Extravagant, protzig und schrill geben sich seine Gäste. Als schillernde Kultfigur pflegte er sich viele Jahre lang selbst zu verkaufen. In die Schlagzeilen brachte ihn seine Freundschaft zu Ex-ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Verschaffte ihm die Nähe zur Regierung Insiderwissen rund um den Zeitpunkt der Lockdowns und die Senkung der Mehrwertsteuer während der Pandemie? Ho wies Informationsvorsprünge stets scharf zurück. In sozialen Medien eilte ihm dennoch der Ruf des "Horakels" voraus.

Martin Ho treibt die internationale Expansion voran. Aus operativen Geschäften in Österreich zog er sich zurück.
Martin Ho treibt die internationale Expansion voran. Aus operativen Geschäften in Österreich zog er sich zurück.
Andreas Tischler / picturedesk.c

Zwischen 2020 und 2022 mehrten sich Vorwürfe gegen seine Unternehmensgruppe Dots: Der Szenewirt soll Corona-Förderungen möglicherweise falsch abgerechnet haben. Mitarbeitende warfen ihm vor, rechtswidrig Hilfen für Kurzarbeit beantragt und erhalten zu haben. Ho selbst stellte das vehement in Abrede. Im März 2022 startete die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen wegen des Verdachts auf schweren Betrug.

Anfang dieser Woche wurde das Verfahren eingestellt, bestätigt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Anfrage des STANDARD: Im Rahmen des Beweisverfahrens sei kein Vorsatz des Betrugs festgestellt worden. Ho nannte die Vorwürfe politisch motiviert. Es sei jedoch kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt worden, ließ er am Donnerstag wissen. "Es ist beruhigend, dass Gerechtigkeit gegen politischen Willen siegt."

"Unbezahlte Gehälter"

Zur Ruhe kommt der prominente Gastronom, dessen Lokale zeitweise auch Drogenfahnder ins Visier nahmen, nicht. Es geht um zahlreiche ausstehende Löhne. Die Arbeiterkammer prüft eine Betrugsanzeige.

Allein heuer wandten sich 78 Beschäftigte seiner Dots-Gruppe an die Arbeitnehmervertreter, da ihre Gehälter nicht, nur teilweise oder zu spät bezahlt wurden, zieht Ludwig Dvorák, Leiter der Abteilung Rechtsschutz, Bilanz. 37 Fälle wurden außergerichtlich gelöst. 41 Fälle führten vor Gericht, 31 Verfahren sind noch anhängig. Es gehe um offene Forderungen in Höhe von 100.000 Euro.

Gegen Gesellschaften, die bis vor kurzem noch in Hos Einflussbereich fielen, laufen Exekutionsverfahren. Kurz vor Weihnachten sollten diverse Möbel und Bilder versteigert werden. Vieles davon lasse sich jedoch für die ausstehenden Löhne nicht verwerten, da die Betriebsmittel im Eigentum anderer Unternehmen stünden, sagt Dvorák.

"Löhne als Manövriermasse"

Was ihm dabei bitter aufstößt: Während Beschäftigte um Gehälter bangen, hole die Gastronomiegruppe laufend neue Mitarbeiter an Bord. Für Dvorák hat dies strafrechtliche Relevanz. "Löhne werden als Liquidationspuffer, als Manövriermasse, als zinsenfreies Darlehen betrachtet, während Unternehmen umstrukturiert werden. Das ist untragbar." Er fordert von der Regierung Sanktionen, um Missbrauch einzubremsen: Wer Gehälter nicht fristgerecht bezahle, müsse den doppelten Betrag aufbringen.

Umgebaut wird in Hos Reich kräftig. Drei Gesellschaften erhielten jüngst neue Eigentümer und Chefs, neue Namen und neue Gewerbeberechtigungen. Eine davon, Rixi Seven, ist bereits insolvent. Den beiden anderen droht ein ähnliches Schicksal, vermuten sowohl die Arbeiterkammer als auch die Dots-Gruppe.

Aktueller Eigentümer der Betriebe ist ein für Masseverwalter nicht unbekannter Unternehmer. Selbst in Insolvenz, bekleidet dieser Funktionen in mehr als 90 Gesellschaften, vielfach mit gastronomischem Schwerpunkt. Etliche davon sind in Konkurs. Dvorák spricht vom System der sogenannten "Wandergeschäftsführer, die eine Insolvenz nach der anderen produzieren". Er will auch solche Strukturen bekämpft wissen: Es gehöre sichergestellt, dass Geschäftsführer einer GesmbH zuverlässig seien.

"Kosten abwälzen"

Mitarbeitenden der von der Pleite betroffenen Gesellschaften sei angeboten worden, in Betriebe der Dots-Gruppe zu wechseln – mit dem Hinweis, sich für ausstehende Gehälter an die Arbeiterkammer zu wenden, erzählt Dvorák. Der damit wohl gemeinte Insolvenzentgeltfonds sei jedoch nicht dafür gedacht, Kosten der Reorganisation auf die Allgemeinheit abzuwälzen. "Wir sind nicht gewillt, diesem Treiben zuzusehen." Eine neue Stabsstelle für Betrugsbekämpfung der Arbeiterkammer will Praktiken wie diese verstärkt prüfen.

Ho, der sich selbst aus dem operativen Geschäft zurückzog, sieht in den neuen Vorwürfen einen weiteren Versuch der Diffamierung. Die Kritik der Arbeiterkammer sei völlig haltlos und ziele auf externe Unternehmen und Personalbereitsteller ab, die nicht im Einflussbereich der Dots-Gruppe stehen, sagt ihr Sprecher Alexander Khaelss-Khaelssberg im Gespräch mit dem STANDARD. "Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen."

Dass die Gastronomie laufend neue Mitarbeitende suche, liege angesichts des Fachkräftemangels und starker saisonaler Schwankungen in der Natur der Sache. Die Umstrukturierung der Gastronomiegruppe sei der Internationalisierung, die Ho vorantreibe, geschuldet. Man eröffnete etwa in Dubai, im Gegenzug seien Betriebe in Österreich geschlossen worden. Nicht unüblich sei es in der Branche zudem, Betriebe auszugliedern und zurückzuleasen.

"Ruf- und Kreditschädigung"

Dass einzelne davon betroffene Gesellschaften insolvent gingen, sei zu befürchten, räumt Khaelss-Khaelssberg ein. Externe Partner hätten mit einem guten Angebot überzeugt – die Abwicklung sei aber offenbar nicht erfolgreich gewesen. Die Dots-Gruppe habe nun Juristen beauftragt, mit den von der Arbeiterkammer genannten Firmen Kontakt aufzunehmen und zu einer arbeitnehmerfreundlichen Lösung beizutragen. Zudem prüfe man rechtliche Schritte wegen Verdachts auf Ruf- und Kreditschädigung.

Dots ringt nicht nur mit Sozialpartnern. Auch viele Anrainer sind auf Betriebe der Gruppe schlecht zu sprechen. Das Wiener Szenelokal Hidden Club in der Mariahilfer Straße musste jüngst unverzüglich schließen. Nachbarn hatten im Zuge eines verkürzten Behördenverfahrens kaum Mitspracherecht, litten unter dem Lärm der Diskothek und zogen bis zum Verfassungsgerichtshof, der die Betriebsgenehmigung aufhob.

Dots will die Schließung nicht hinnehmen, sagt Khaelss-Khaelssberg. Die Mariahilfer Straße sei schließlich keine Ruhelage. Man strebe ein neues Genehmigungsverfahren an und sei ob des guten Ausgangs zuversichtlich. (Verena Kainrath, 14.12.2023)