Eine Frau arbeitet in einem Paketzentrum von Amazon.
Amazon wurde am Donnerstag ein Urteil zugestellt – aus Sicht des Konzerns ein äußerst erfreuliches.
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Eine große Überraschung war es für die Juristinnen und Juristen bei Amazon wahrscheinlich nicht, die Freude dürfte dennoch groß sein: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) muss der Konzern in der EU keine Steuern nachzahlen. Für Amazon ging es in dem Rechtsstreit um satte 250 Millionen Euro plus Zinsen.

Anlass des Verfahrens waren Steuergeschenke, die Luxemburg dem Online-Riesen zwischen 2006 und 2014 gewährt hatte. Amazon hat seinen EU-Sitz in Luxemburg. Durch einen Steuervorbescheid – so etwas wie eine Vereinbarung zwischen Finanzbehörden und Unternehmen – musste Amazon über Jahre hinweg kaum Abgaben bezahlen.

Erlaubter Steuertrick

Hintergrund ist ein Trick, den große Unternehmen immer wieder anwenden, um ihre Steuerlast zu optimieren. Vereinfacht gesagt funktioniert er so: Steuern fallen für gewöhnlich als bestimmter Prozentsatz des Gewinns an. Je geringer der Gewinn, desto niedriger die Steuer. Unternehmen versuchen deshalb, ihren Gewinn zu schmälern. Das machen sie, indem sie Lizenzgebühren an andere Gesellschaften im eigenen Konzern bezahlen. Diese Gebühren – zum Beispiel für Patentrechte oder Markenrechte – werden als Ausgaben verbucht und verringern so die Steuerlast.

Im Fall von Amazon haben die Luxemburger Finanzbehörden sehr hohe Lizenzzahlungen zwischen zwei Amazon-Gesellschaften akzeptiert – aus Sicht der Europäischen Kommission zu Unrecht. 2017 erklärte die EU-Behörde per Beschluss, dass es sich bei den Steuervorteilen um eine unzulässige Subvention an ein Unternehmen handle. Subventionen sind im EU-Recht streng reguliert. Das soll verhindern, dass der Wettbewerb zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen EU-Staaten durch staatliche Zuschüsse verzerrt wird.

EU-Kommission scheiterte

Amazon und Luxemburg gingen rechtlich gegen die Entscheidung der EU-Kommission vor – und waren bereits in erster Instanz, beim Gericht der Europäischen Union (EuG), erfolgreich. Aus Sicht der Richterinnen und Richter hatte die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen, dass es einen "selektiven Vorteil" für Amazon gegeben habe. Das wäre aber Voraussetzung, damit die Kommission eine Beihilfe für unzulässig erklären kann.

Der Europäische Gerichtshof, die höchste gerichtliche Instanz in der Europäischen Union, hat diese Entscheidung nun endgültig bestätigt – und die Steuervergünstigungen als zulässig erachtet. Inhaltlich stützte sich das Gericht der EU allerdings auf andere, eher formale Gründe. Die EU-Kommission habe – vereinfacht gesagt – steuerrechtliche Grundsätze angewandt, auf die sich das luxemburgische Steuersystem nicht ausdrücklich bezieht.

Amazon begrüßt Urteil

"Wir begrüßen das Urteil des Gerichtshofs, das bestätigt, dass Amazon alle geltenden Gesetze eingehalten und keine Sonderbehandlung bekommen hat. Wir freuen uns darauf, uns weiterhin darauf zu konzentrieren, unsere Kunden in ganz Europa zu erreichen", sagte ein Amazon-Sprecher.

Weiter zittern muss in einem recht ähnlichen Verfahren Apple. Laut der EU-Kommission hat Irland, wo die Europa-Zentrale von Apple ihren Sitz hat, dem Konzern 2016 eine unzulässig niedrige Steuerquote von 0,005 Prozent eingeräumt. Deshalb forderte die EU-Behörde das Land dazu auf, 13 Milliarden Euro an Steuern nachzufordern. Eine endgültige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus.

Aus Sicht der internationalen NGO Attac, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzt, bestätigt das aktuelle Urteil, "dass das europäische Beihilfenrecht ein viel zu schwaches Instrument ist, um innereuropäische Steuersümpfe effektiv zu bekämpfen". Es brauche dagegen eine grundlegende Reform der internationalen Konzernbesteuerung. Auch die geplante globale Mindeststeuer der OECD biete Konzernen immer noch zu viele Möglichkeiten. (Jakob Pflügl, 14.12.2023)