Niessl, Kogler, Polaschek
Sport-Austria-Präsident Hans Niessl, Sportminister Werner Kogler und Bildungsminister Martin Polaschek (von links) wurden vom Projekt Tägliche Bewegungseinheit aufs Parkett geführt.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Am Tag nach der Präsentation des Sportberichts 2022 im Nationalrat verfügte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in eine Volksschule in Wien-Donaustadt, um auch ein legendäres Zitat von Helmut Schmidt in seinem Sinn abzuwandeln. "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen", hatte der damalige deutsche Bundeskanzler 1980 im Zuge des Bundestagswahlkampfs für die SPD zum Besten gegeben. Koglers Version am Donnerstag: "Die Umsetzung dieser Vision wird dafür sorgen, dass die Menschen viel später zum Arzt müssen." Der Sportminister würdigte damit die parteiübergreifenden Bemühungen um die tägliche Bewegungseinheit in Kindergärten und Schulen, die nach einer zweijährigen Pilotphase mit dem Schuljahr 2024/25 in die Umsetzung übergehen soll.

Aller guten Dinge

Unter dem Motto "Jetzt ist Bewegung drin!" präsentierte Kogler im Verein mit Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), dem Wiener Sozial-, Gesundheits- und Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Sport-Austria-Präsident Hans Niessl einen Evaluierungsbericht über die Praxistauglichkeit eines Drei-Säulen-Modells, das in zehn auf das gesamte Bundesgebiet verteilten Modellregionen erprobt wurde. Kurzgefasste Conclusio: Es funktioniert.

Im Wesentlichen geht es um Bewegungsangebote, die in Schulen den Turnunterricht ergänzen sollen. Der war in den vergangenen Jahren einer bedauerlichen Erosion ausgesetzt, schlägt aber nach Minister Polascheks Angaben jährlich mit 600 Millionen Euro zu Buche. Eine Aufstockung im Sinne der täglichen, im Unterricht verankerten Turnstunde sei finanziell und also personell nicht zu stemmen. Also wurden andere Möglichkeiten gesucht. Säule eins des getesteten Modells erfordert nichts weniger als einen Kulturwandel, wie Stadtrat Hacker sagte. Aufbauend auf bestehende Projekte im Bildungsbereich soll sich Bewegung durch den ganzen Kindergarten- und Schulalltag ziehen. Pädagoginnen und Pädagogen sollen entsprechende Aus- und Weiterbildung angeboten, die Eltern einbezogen werden. Säule zwei ist die eigentliche Stütze des Projekts. Eigene Bewegungscoaches sollen in den Bildungseinrichtungen eigene Sport- und Bewegungseinheiten installieren. Auch in Kindergärten soll es pro Woche zumindest eine von Externen angeleitete Bewegungseinheit geben. Säule drei stützt motivierte Kinder und Jugendliche, indem zusätzlich bedarfsorientierte Angebote zur Verfügung gestellt werden.

Vollzeit statt Teilzeit

Vor allem Säule zwei des Konzepts kommt dem organisierten Sport in Österreich gerade recht. Denn die Bewegungscoaches dürften in überwiegender Mehrzahl aus den rund 15.000 Sportvereinen des Landes kommen. Trainerinnen und Trainer wirken dort, wenn nicht überhaupt ehrenamtlich, so doch selten hauptberuflich. Zusätzliche Entlohnung über den Einsatz für die tägliche Bewegungseinheit könnte viele Vollzeitstellen schaffen und neues Personal anziehen. Im Gegenzug könnten Kinder und Jugendliche den Bewegungscoaches in Vereine folgen.

Kinder Bewegungseinheit
Eine Bewegungseinheit für Volksschülerinnen mit Coach Agnieszka Staniczek.
HBF/Daniel TRIPPOLT

In der Testphase waren rund 200 von den Dachverbänden ASKÖ, ASVÖ und Sportunion gestellte Bewegungscoaches aktiv. Gesportelt wurde in 964 Kindergartengruppen und Schulklassen in 259 Bildungseinrichtungen. Exakt 37.222 zusätzliche Bewegungseinheiten wurden gezählt. Die Budgetmittel werden nun nicht nur von 6,4 Millionen Euro für die Pilotjahre 2022/23 und 2023/24 auf acht Millionen Euro erhöht, sondern die Tägliche Bewegungseinheit wird auch mit dem schon seit 2009 bestehenden Programm "Kinder gesund bewegen 2.0" der drei Dachverbände fusioniert. Damit erhöhen sich die zur Verfügung stehenden Mittel auf mehr als 16 Millionen Euro. Zusätzlich verdoppelt das Sportministerium bis zu einem Betrag von 300.000 Euro projektbezogene Investitionen der Länder in die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Dass das "größte Präventionsprojekt" (Sport-Austria-Boss Niessl) noch wesentlich mehr Geld erfordern wird, ist unbestritten. "Es gibt aber sicher kein Zurück mehr", sagte Sportminister Kogler, ehe in der Volksschule in Wien-Donaustadt vor den Besuchern gesportelt wurde, dass es nur so seine Bewandtnis hatte. (Sigi Lützow, 14.12.2023)