Ekaterina Degot
Ekaterina Degot mit ihrem Buchtipp.
Dietmar Reinbacher

Danke für die Möglichkeit, über das Lesen nachzudenken. Dadurch habe ich verstanden, wie wichtig es für mich ist", sagt sie zu Beginn unseres Gesprächs. Die Intendantin des Steirischen Herbst weilt gerade für zwei Tage in Wien und hat vier Bücher mit. "Ich lese wirklich sehr viel, aber nicht systematisch und nicht alles immer bis zum Ende." Und mittlerweile schaut auch sie alle zehn Minuten ins Facebook, weil die Weltlage so schrecklich ist, dass sie das Gefühl hat, nichts versäumen zu dürfen.

"Ich habe nicht gedacht, dass ich einmal den Kalten Krieg vermissen würde", lacht sie. Damals in Moskau, als sie dort aufwuchs, waren ihre Eltern Ingenieure, "aber mit einem enormen Respekt für Kultur, die selbstverständlicher Teil unseres alltäglichen Lebens und eindeutig am Westen orientiert war." Einmal fiel ein Adalbert-Stifter-Buch von oben auf den Balkon ihrer Wohnung – "Woher? Ich weiß es nicht!" Und die Langeweile, so es sie mal gab, nützte sie damals wie heute zum Sprachenlernen. Sechs sind es mittlerweile, gerade eignet sie sich Slowenisch an. "Ich kaufe mir einen Agatha-Christie-Krimi, den ich genau kenne, in der Sprache, die ich lernen möchte, und fange an zu lesen." Und das funktioniert für den ausgewiesenen Krimi-Fan.

Schelmenromane

Mit acht schon las sie Der Meister und Margarita von Bulgakow, früh liebte sie satirische Fantasien wie Zwölf Stühle von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow: "Humor ist oft die einzige Möglichkeit zu überleben." Ein wahrer Experte darin war der brave Soldat Schwejk, "das Buch von Jaroslav Hašek war eine Art Dissidentenliteratur, die mich sehr ansprach". Kein Wunder, dass sie dem Schelmenroman beim letzten Steirischen Herbst einen Schwerpunkt widmete.

Über allen aber steht für sie der russisch-ukrainische Klassiker Nikolai Gogol, und Die toten Seelen von 1842, die Gogol vor allem im Antico Caffè Greco in Rom schrieb, nennt sie sein bestes Werk. "Das ist ein satirischer, aber sehr konzeptueller Roman über die Leere des Lebens. Das richtige Leben wird durch ideologische Slogans ersetzt, und das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." (Manfred Rebhandl, 16.12.2023)