Einer neuen Analyse zufolge gibt es überdurchschnittlich viele Kinder, die im gleichen Monat wie ihre Mütter geboren werden.
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Der Ödipuskomplex bezeichnet eine besondere Nähe von Söhnen zu ihren Müttern. Zumindest eine zeitliche Nähe in Sachen Geburtstag zwischen Kind und Mutter suggeriert eine jüngst veröffentlichte wissenschaftliche Studie anhand von Millionen Familien. Wenn Sie also im gleichen Monat wie Ihre Mutter geboren wurden, ist das nicht so selten, wie man meinen könnte. Anders wäre die Situation freilich, wenn Sie "im selben Monat" zur Welt gekommen wären – denn das würde mit demselben Geburtsjahr einhergehen, was wiederum Absurditäten in der Größenordnung des Großvaterparadoxons bedeuten würde.

Es gibt einige statistische Auffälligkeiten, die mit dem Geburtsdatum zu tun haben, aber nicht notwendigerweise einer astrologischen Pseudoerklärung bedürften. So etwa konnten gleich mehrere Studien nachweisen, dass sehr viel mehr Sportprofis in der ersten Jahreshälfte geboren sind als in der zweiten. In der australischen Fußballliga etwa betragen diese statistischen Abweichungen bei den Spielern für den Jänner über 30 Prozent plus und für den Dezember mehr als 20 Prozent minus, wie Forschende ermittelten.

Sportliche Unterschiede

Der Grund liegt auf der Hand: Das Stichdatum für die Einteilung in Altersklassen ist meist der 1. Jänner. Gerade im Kindesalter sind die relativen Höhenunterschiede größer, was in vielen Sportarten weitere Vorteile in Sachen Kraft, Tempo und Co mit sich bringen kann. Früher im Jahr geborene Kinder sind in diesen Disziplinen im Schnitt schon während der Kindheit erfolgreicher, haben mehr Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten und bleiben dem Sport eher treu.

Eine nicht ganz so große statistische Auffälligkeit gibt es bei den Geburtsmonaten im Verhältnis zu jenen der jeweiligen Mütter. Wie die US-amerikanisch-spanische Forschungsgruppe im Fachjournal "Population Studies" schreibt, gab es um 4,6 Prozent mehr solcher Geburten, als der Zufall es erwarten lässt. Das gilt für die gesamte Stichprobe, die aus mehr als zehn Millionen Geburtendaten aus Frankreich und Spanien bestand. Die Aufzeichnungen enthielten den Geburtsmonat des Kindes sowie die Geburtsmonate der Eltern und jener Geschwister, die dem Alter des Kindes am nächsten sind.

Prinzipiell ist bekannt, dass Geburten nicht vollkommen gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt stattfinden. Dies nennt man "saisonale Geburtenverteilung", und sie zeigt für unterschiedliche Länder mitunter leicht verschiedene Muster. Doch hier stieß das Forschungsteam nicht auf die erwarteten Werte, sobald es die Daten nach Geburtsmonat der Mutter sortierte. Im Jänner geborene Frauen brachten nämlich öfter als üblich Kinder im Jänner zur Welt, solche Höchstwerte zogen sich beim jeweils passenden Geburtstagsmonat durchs ganze Jahr.

Statistik-Diagramme, die den Höhepunkt im jeweils gleichen Geburtsmonat zeigen
Die Grafiken der Studie zeigen anhand der erwarteten und beobachteten Geburtsmonate von Kindern: Sie kommen eher öfter im gleichen Monat zur Welt wie ihre Mütter.
Alcaide et al. 2023, Population Studies

Bisher fand man bereits Nachweise des Einflusses des mütterlichen Geburtsjahres auf den Monat, in dem der Nachwuchs das Licht der Welt erblickt. Aber erst jetzt habe man einen Hinweis darauf gefunden, dass Kinder mit größerer Wahrscheinlichkeit im gleichen Monat geboren werden wie deren Mutter, schreibt die Forschungsgruppe.

Gleich und Gleich ...

Auch im Vergleich zum Vater fand sie eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit für den gleichen Geburtsmonat wie das Kind. Hier kam es zu zwei Prozent mehr Geburten im gleichen Monat als erwartet. Dieses Ergebnis war statistisch allerdings nicht signifikant, im Vergleich mit den anderen Familienvergleichen. Am höchsten war die Wahrscheinlichkeit, dass Geschwister im gleichen Monat geboren werden. Errechnet wurden 12,1 Prozent mehr Geburten als erwartet, wenn man den Geburtstag eines Kindes mit dem seiner nächstälteren und nächstjüngeren Geschwister vergleicht.

Selbst für die Elternpaare ergibt sich ein erhöhter Wert für den gleichen Geburtsmonat. Den Daten zufolge ist es um 4,4 Prozent wahrscheinlicher, als dies durch die zufällige Verteilung geschehen würde, dass Mutter und Vater im gleichen Monat geboren wurden.

Das legt nahe, dass sich Menschen überdurchschnittlich oft Partnerinnen oder Partner mit dieser gemeinsamen Eigenschaft suchen. Vielleicht sind uns solche Personen minimal sympathischer, wenn wir diese Information beim Kennenlernen über sie erfahren. Ein solcher "Überschuss" zeichnet sich auch in Heiratsstatistiken ab, sagt Adela Recio Alcaide, Epidemiologin an der Universität von Alcalá in Madrid und Erstautorin der Studie.

Die beteiligten Forscherinnen und Forscher stellten sich ebenfalls die Frage, was der Grund hinter diesen statistischen Zusammenhängen – also Korrelationen – sein könnte: Sind sie auch kausal bedingt?

... führt zu ähnlichem sozialem Hintergrund

"Die möglichen Erklärungen scheinen sowohl sozialer als auch biologischer Natur zu sein", vermutet Recio Alcaide. Verwandte teilen oft diverse soziodemografische Merkmale, etwa eine ähnliche Bildung. Personen, die sich in dieser Hinsicht ähneln, werden eher zum Paar und pflanzen sich fort. Zudem sei es wahrscheinlicher, dass Frauen mit gleicher Bildungsstufe in ähnlichen Phasen des Jahres Nachwuchs bekommen. Für Spanien gibt es Hinweise darauf, dass höher Gebildete eher im Frühjahr Kinder bekommen. Das kann sich sogar über mehrere Generationen weiterziehen.

Andere Faktoren können die Fruchtbarkeit beeinflussen und so zu derartigen Trends führen. Dazu gehören saisonal eher verfügbare Lebensmittel und die Zufuhr an Sonnenlicht. Solche Einflüsse hängen ebenfalls teilweise mit der sozialen Schicht zusammen.

Zu bedenken ist aber auch: Die in dieser Studie beobachteten Effekte sind sehr gering. Eine frühere Studie zum gleichen Geburtsmonat von Kindern und Eltern aus dem Jahr 1990 mit einer kleineren Stichprobe kam zu keinem signifikanten Ergebnis. Der allgemeine Publikationsbias kann außerdem dazu führen, dass negative Ergebnisse auch in diesem Bereich seltener veröffentlicht werden. Ob man in der Familie bei nahe beieinanderliegenden Geburtstagen lieber gemeinsam feiert, mehrere Partys veranstaltet, Nähe sucht oder es lieber bleiben lässt, ist jedenfalls reichlich individuell. (Julia Sica, 17.12.2023)