Mariahilfer Straße in Wien
Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Acht Runden waren notwendig, um in der Metalltechnischen Industrie bei den Lohnverhandlungen auf einen grünen Zweig zu kommen, im Handel reichte die sechste Runde auch nicht aus. Kurz nach Mitternacht kam die Nachricht, die am Freitagnachmittag begonnene Verhandlungsrunde sei ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Gewerkschaft und Wirtschaftskammer konnten sich bei dem Marathon – entgegen den Erwartungen – nicht einigen. Für die 430.000 Beschäftigten gibt es nach zahlreichen Misstönen also keinen Abschluss. Dafür plant die Gewerkschaft GPA nun weitere Warnstreiks und Kundgebungen ab kommender Woche. Neuen Verhandlungstermin gibt es einstweilen keinen. Zuletzt hatten die Arbeitnehmerverhandler von großflächigen Streiks abgesehen – was darauf hindeutete, dass eine Einigung in greifbarer Nähe schien.

Leistbar oder nicht?

Es sei an den "wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" gescheitert, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik nach dem Verhandlungsabbruch. "Wir haben verschiedenste Varianten durchgerechnet", so Trefelik. Ein Gehaltsplus von 8,2 Prozent wäre "vorstellbar gewesen", mehr sei "nicht leistbar" für die Betriebe. Die rollierende Inflation von Oktober 2022 bis September 2023 lag bei 9,2 Prozent. Die Arbeitgebervertreter hatten bereits im Vorfeld der Lohnrunde klargemacht, dass es vor dem Hintergrund gestiegener Kosten und vieler Pleiten in der Branche wenig zu verteilen gebe.

Die KV-Gespräche ziehen sich bereits über mehrere Wochen und waren von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks begleitet. Die Gewerkschaft ist mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von elf Prozent in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Runde mit einem Plus von 5 Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro gelegt.

Gewerkschaftliche Chefverhandlerin kritisiert "Hinhaltetaktik"

Die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Helga Fichtinger kritisierte einmal mehr "die Hinhaltetaktik" der Arbeitgeber. "Das ist nicht fair." Sie hat nach eigenen Angaben einen sozial gestaffelten Gehaltsabschluss zwischen 8,58 und 9,38 Prozent vorgeschlagen. Das wäre im Schnitt ein Gehaltsplus von 8,96 Prozent. Auch eine Öffnungsklausel für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten - nach dem Vorbild der Metaller - lag offenbar am Tisch. Laut Gewerkschaft haben die Arbeitgeber nur ein Plus von 8 Prozent plus 10 Euro angeboten. Gewerkschafterin Fichtinger drängt nun auf Gespräche auf "höherer Ebene", etwa zwischen ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Eine weitere KV-Verhandlungsrunde ist für nächste Woche nicht geplant.

Was nun? Aufgrund der gescheiterten Verhandlungen empfiehlt die WKÖ-Bundessparte Handel wie angekündigt ihren Mitgliedsbetrieben nun eine freiwillige Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter um 8 Prozent. Für Fichtinger nicht befriedigend: Sie kritisierte fehlende Rechtssicherheit. Für Fichtinger drängt sich – so teilt sie es in einer Aussendung mit – ohnehin der Verdacht auf, "dass die Arbeitgeber die heutigen Verhandlungen nur pro forma vorgeschlagen haben, um weitere Streikaktionen am Freitag und am Einkaufssamstag zu verhindern."

Der Handelsverband bedauerte indes das neuerliche Scheitern und bekräftigte, dass die Arbeitgeberseite den Betrieben nun eine Erhöhung der Mindestgehälter um 8 Prozent empfehle. "Nachdem sich die Gewerkschaft bei ihren Forderungen kaum bewegt hat, wäre ein Abschluss mit unabsehbaren wirtschaftlichen Risken einhergegangen, der viele weitere Betriebsschließungen verursacht hätte", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung am Samstagvormittag. "Dabei ist der Handel jene Branche, die mit Abstand am stärksten von Insolvenzen betroffen ist."

Größter Branchen-KV

Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen. Es ist der größte Branchen-Kollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote bei nur rund 13 Prozent. (APA, rebu 16.12.2023)