Der Pandoro gehört in Italien zu Weihnachten wie die traditionelle Krippe und die bunten, blinkenden Lichterketten. Die Bezeichnung Pandoro setzt sich zusammen aus den italienischen Wörtern "pane" (Brot) und "oro" (Gold) – ein Goldkuchen also. Was läge da näher, als den Goldkuchen in einen Goldesel zu verwandeln, wird sich Chiara Ferragni gedacht haben. Und so hat Italiens mit 30 Millionen Followern erfolgreichste Mode- und Lifestyle-Influencerin für den Pandoro-Produzenten Balocco vergangenes Jahr eine rosafarbene Verpackung mit ihrem Logo entworfen und den Kuchen auf Instagram kräftig beworben – mit dem Argument, dass mit einem Teil des Erlöses ein Spital für krebskranke Kinder in Turin unterstützt wurde.

Chiara Ferragni verdient als Modebloggerin und Influencerin Millionen.
Chiara Ferragni verdient als Modebloggerin und Influencerin Millionen.
APA/AFP/MIGUEL MEDINA

Die Italienerinnen und Italiener stürzten sich förmlich auf den Kuchen. Die Millionen sprudelten – aber nicht so sehr für das Spital mit den krebskranken Kindern, sondern vor allem für Ferragni selbst und den Hersteller Balocco. Die italienische Wettbewerbsbehörde hat in diesen Tagen nämlich festgestellt, dass Balocco dem Krankenhaus schon Monate im Voraus eine fest vereinbarte Summe von 50.000 Euro gespendet hatte und der Verkaufserlös des rosa Kuchens damit nicht in einem direkten Zusammenhang stand. Gleichzeitig hätten Ferragnis Unternehmen Fenice und The Blond Salad Crew mit dem Deal mehr als eine Million Euro verdient, "ohne etwas an das Krankenhaus zu zahlen", wie die Behörde monierte.

Empörung wegen "Irreführung"

Wegen unlauteren Wettbewerbs verdonnerten die italienische Wettbewerbshüter Ferragni nun zu einer Strafzahlung von über einer Million Euro und den Hersteller zu 400.000 Euro. Dass der vermarktete Ferragni-Pandoro deutlich teurer gewesen sei als ein normaler, habe zur "Irreführung der Kundinnen und Kunden beigetragen". In der Tat hatte Balocco den Preis des rosa Kuchens von 3,70 Euro auf satte neun Euro fast verdreifacht.

Die Empörung über die 36-jährige Konsumikone aus Norditalien ist gewaltig: Es sei ja wohl das Letzte, Wohltätigkeit für krebskranke Kinder vorzugaukeln, um sich selbst zu bereichern, lautet der Tenor. Selbst Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schaltete sich ein und warnte davor, sich Menschen wie Ferragni zu Vorbildern zu machen. Italien diskutiert in diesen vorweihnachtlichen Tagen über fast nichts anderes mehr.

Ferragni blieb nichts anderes übrig, als Asche auf ihr Haupt zu streuen und sich öffentlich zu entschuldigen. Ausnahmsweise weitgehend ungeschminkt und ohne Designerklamotten präsentierte sie sich auf ihrem Instagram-Kanal und erklärte den Tränen nahe, dass sie einen Fehler gemacht habe – genauer gesagt: einen "Kommunikationsfehler". Sie werde künftig ihre wohltätigen und ihre kommerziellen Aktivitäten strikter trennen, damit keine "Missverständnisse" mehr entstehen. Gleichzeitig versprach sie, dass sie dem Spital mit den krebskranken Kindern nachträglich eine Million Euro überweisen werde. Sozusagen als tätige Reue.

Nicht zum ersten Mal ...

Lange währte der Friede nicht: Wenige Stunden nach ihrer zerknirschten Entschuldigung enthüllte die Zeitung "Il Fatto Quotidiano" am Dienstag, dass die Influencerin ihre Wohltätigkeitsmasche auch schon bei Schoko-Ostereiern angewendet habe – in den Jahren 2021 und 2022. Bei den Ostereiern habe sie suggeriert, dass mit ihnen ein Verein unterstützt werde, der sich um autistische Kinder kümmert. Doch in Wahrheit hat dieser Verein in zwei Jahren nur 36.000 Euro erhalten, während Ferragni vom Hersteller insgesamt 1,2 Millionen Euro kassierte. In diesem Jahr hat der Produzent die Zusammenarbeit mit Ferragni gekündigt, weil sie "exorbitante Forderungen" gestellt habe, wie der Geschäftsführer sagte. War das vielleicht auch schon ein "Kommunikationsfehler" gewesen?

Für Ferragni ist das alles eine (Weihnachts-)Bescherung, wie sie schlimmer kaum sein könnte. Die Fallhöhe ist beträchtlich: Mit ihrem 2009 gegründeten Modeblog "The Blonde Salad" hatte die damals 22-Jährige bei null angefangen – heute leitet sie ein digitales Unternehmen mit dutzenden Angestellten und verdient Millionen.

Sie und ihr Lebenspartner, der Rapper und Blogger Fedez, der immerhin auch auf 15 Millionen Follower kommt, sind das wohl bekannteste und angesagteste Paar Italiens und unter der Bezeichnung "die Ferragnez" – eine Wortkombination aus Ferragni und Fedez – zum Markenzeichen geworden. Jetzt laufen Chiara Ferragni die Follower davon, und es könnte noch schlimmer kommen: Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen Betrugs aufgenommen. (Dominik Straub aus Rom, 20.12.2023)