Der Zugang nach Gaza ist für unabhängig recherchierende internationale Medien seit Beginn des Krieges gesperrt.
AFP/MOHAMMED ABED

Der Krieg in Gaza ist auch ein Krieg um die Vorherrschaft in der Berichterstattung: Wer schafft es, seine Botschaften in den Medien am besten zu platzieren? Israels Armee leistet sich dafür eine gut ausgebaute Einheit für Öffentlichkeitsarbeit, die auf diversen Kanälen Journalisten mit Wort- und Bildmaterial füttert, aber auch auf direktem Wege versucht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen – auf Twitter, Instagram, Facebook und Youtube. Ergänzt wird dies durch die offizielle Kommunikation der Regierung und des Regierungspresseamts.

Die Hamas wiederum betreibt ihre psychologische Kriegsführung mit gezielter Falschinformation, gestellten Videos von Geiseln sowie mit Horrormeldungen über zivile Schäden israelischer Bombardements, ohne dazuzusagen, dass diese Luftangriffe den Stellungen der Terrororganisation galten.

Unabhängige Quellen nötig

Um in diesem Wirrwarr der Meinungsmache den Überblick zu bewahren, braucht man unabhängige Quellen. Sie sind in diesem Krieg aber kaum verfügbar: Der Zugang nach Gaza ist für unabhängig recherchierende internationale Medien seit Beginn des Krieges gesperrt. Jene Journalisten, die in Gaza leben, mussten in den vergangenen zehn Wochen ihren Job unter Lebensgefahr verrichten. Laut Angaben des Komitees zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten verloren seit Kriegsbeginn mindestens 65 Medienvertreter und -vertreterinnen in den Kämpfen in Gaza und Israel ihr Leben. Einige weitere Journalisten und Journalistinnen, die für internationale Medien wie BBC oder CNN arbeiten, haben aus Sicherheitsgründen mit ihren Familien den Gazastreifen verlassen.

Seit Kriegsbeginn haben mindestens 65 Medienvertreter und -vertreterinnen in den Kämpfen in Gaza und Israel ihr Leben verloren. Darunter ist auch der Al-Jazeera-Kameramann Samer Abu Daqqa, der vergangene Woche beerdigt wurde.
EPA/HAITHAM IMAD

Die Vereinigung der Auslandspresse in Israel (FPA) hat daher Anfang der Woche eine Beschwerde beim Obersten Gerichtshof in Jerusalem eingelegt. Die Organisation verlangt darin "sofortigen Zugang zum Gazastreifen für internationale Medien".

Prinzip der Pressefreiheit

Man sehe sich zu diesem Schritt gezwungen, nachdem "zahlreiche offizielle Anfragen beim israelischen Presseamt, dem israelischen Militär und dem Verteidigungsministerium zu keinem Ergebnis geführt" hätten, erklärt die Organisation in einer Aussendung. Israel bekenne sich zum Prinzip der Pressefreiheit, man erwartet daher, dass es auch in diesem Fall dazu stehe und unabhängige Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet ermögliche.

Israel hatte einer begrenzten Anzahl von Reportern und Reporterinnen erlaubt, unter der Führung von Soldaten bestimmte Ziele in Gaza zu besuchen. Diese Form des eingebetteten Berichterstattens lässt aber keine eigenständigen Recherchen vor Ort zu, Interviews sind nur mit vorgegebenen Gesprächspartnern der Armee möglich. Zudem liegt es an der Armee, welche Journalisten auf diese Touren mitfahren dürfen. Von den 370 Mitgliedern der FPA waren nur vier Korrespondenten Teil der eingebetteten Inkursionen.

Entscheidung über Beschwerde

In vergangenen militärischen Auseinandersetzungen gewährte die Armee für gewöhnlich ein bestimmtes Zeitfenster, in dem Journalisten Gaza besuchen konnten. Diesmal war das noch nicht der Fall. "Israel hat den Zugang für die Auslandspresse auch in früheren Kriegen beschränkt, aber noch nie für so lange Zeit", heißt es in der Aussendung des FPA-Vorstands. Das Internationale Presseinstitut schloss sich dem Aufruf an.

Der Oberste Gerichtshof hat auf die Beschwerde der FPA reagiert: Israels Regierung und Militär wurden aufgerufen, bis spätestens 25. Dezember in schriftlicher Form auf die Beschwerde zu antworten und ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Danach wird das Höchstgericht die Argumente der beiden Seiten bewerten. Eine Entscheidung über die Beschwerde wird einige Wochen später erwartet. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 22.12.2023)