Studierende und Personal der Philosophischen Fakultät auf einem Außensims des Gebäudes.
Studierende und Personal der Philosophischen Fakultät versteckten sich auf einem Außensims des Gebäudes, während drinnen Schüsse fielen. Sie wurden später auf dem knapp darunter liegenden Balkon in Sicherheit gebracht.
Ivo Havranek via REUTERS

Es ist ein erschütterndes Zeugnis des Polizeieinsatzes, der am Donnerstagnachmittag ein tödliches Massaker in der Prager Innenstadt beendete: Aufnahmen von Bodycams der Beamten, die am Freitag von der tschechischen Polizei gezeigt wurden, dokumentieren, wie die Sicherheitskräfte in das Gebäude der Philosophischen Fakultät der Prager Karls-Universität eindringen. Stock für Stock arbeiten sie sich ins Dachgeschoß vor, wo sich der Amokschütze inzwischen verschanzt hat. Unten auf der Straße haben andere Beamte einstweilen alle Hände voll damit zu tun, die Umgebung abzuriegeln, Straßenbahnen aus der Gefahrenzone zu winken und Verletzte abzutransportieren.

Am Ende zählten die Rettungskräfte 14 Todesopfer und 25 Verletzte. Der mutmaßliche Täter, der 24-jährige Student David K., beging nach Behördenangaben Suizid: Der Mann habe sich auf dem Dach des Gebäudes befunden, als er sich von Polizisten eingekreist sah, und sich schließlich das Leben genommen.

Nach dem Blutbad ist die Polizei weiter auf der Suche nach Motiven. Bereits am Donnerstagabend hat der tschechische Innenminister Vít Rakušan erklärt, dass es keine Indizien für einen terroristischen Hintergrund der Tat gebe. Allerdings hatte die Polizei schon vor dem Massaker fieberhaft nach dem Studenten gesucht: Um die Mittagszeit war dessen Vater in seiner Heimatgemeinde Hostouň, nur wenige Kilometer westlich von Prag, tot aufgefunden worden – mutmaßlich ermordet von dem 24-Jährigen. Dieser soll zudem angekündigt haben, nach Prag zu fahren, um sich dort das Leben zu nehmen.

Video: Todesschütze von Prag wurde wegen weiterer Morde gesucht.
AFP

Laut Auskunft des tschechischen Polizeipräsidenten Martin Vondrášek wurde auch ein Zusammenhang mit einem anderen Mordfall untersucht, der vor einer Woche für Entsetzen gesorgt hatte: Ein Vater und dessen Tochter im Säuglingsalter waren in einem Waldstück am Prager Stadtrand erschossen worden. In beiden Fällen ging die Polizei davon aus, dass die Opfer keinen persönlichen Bezug zum Täter hatten. Am Freitag hat dann laut Angaben der Polizei ein ballistisches Gutachten bestätigt, dass die Mordwaffe von damals in dem Haus gefunden wurde, in dem der Todesschütze von Prag wohnte.

"Inspiration" in sozialen Netzwerken

Vondrášek berichtete zudem von Ermittlungen in sozialen Netzwerken, in denen der 24-Jährige aktiv gewesen sein soll. Demnach habe er sich offenbar von ähnlichen Fällen "im Ausland" inspiriert gefühlt. Unter anderem habe er auf einem russischsprachigen Telegram-Kanal über den "Anschlag einer Frau in diesem Jahr" geschrieben. Der Student soll sich dabei auf jene 14-Jährige bezogen haben, die vor zwei Wochen im westrussischen Brjansk ein Kind getötet und weitere fünf Menschen verletzt hatte, bevor sie Suizid beging.

David K. galt als völlig unbeschriebenes Blatt. Allerdings hat er nach Behördenangaben mehrere Waffen legal besessen. Laut Auskunft der Polizei wurden bei der Durchsuchung des Fakultätsgebäudes zudem große Mengen an Munition gefunden, die der Schütze dort deponiert haben dürfte. Das tschechische Waffengesetz gilt innerhalb der EU als vergleichsweise liberal, nachdem 2021 das Recht, das eigene Leben oder das eines anderen Menschen mit Waffengewalt zu verteidigen, sogar in der Verfassung verankert wurde. Fast eine Million Schusswaffen sind in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land registriert. Innenminister Rakušan sprach am Freitag von einer "legitimen" Diskussion über das Waffenrecht und wies auf geplante Gesetzesänderungen hin, über die derzeit im Parlament verhandelt werde. (Gerald Schubert, 22.12.2023)

Tschechiens Premierminister Petr Fiala vor Kerzen und Blumen.
Wie viele andere Menschen trauerte auch Tschechiens Premierminister Petr Fiala um die Opfer.
EPA/MARTIN DIVISEK